Bald „fremd“ im eigenen Land zu sein – ein Ausblick, der nicht wenigen Angst zu machen scheint. Wirft man einen Blick auf die Zahlen, so offenbart sich dies jedoch nicht als Faktum, sondern als bewusste politische Stimmungsmache.
Asylkalender, 8. Dezember 2015.
Der Krieg in Syrien und die dadurch zur Flucht gezwungenen Menschen scheinen Wasser auf die Mühlen einer der perfidesten Theorien der politischen Rechten zu sein: bald gebe es keine „echten“ ÖsterreicherInnen mehr, ist da zu hören. Ungustiöse Begriffe von „Flüchtlingswelle“ bis hin zum Nazi-Jargon der „Umvolkung“ sind nicht nur von neofaschistischen Gruppierungen wie den Identitären zu hören, sondern wurden, vor allem von der FPÖ, sogar im politischen Diskurs in Österreich etabliert. Dabei geht es auch letzterer keineswegs um die aktuelle Situation. Krude „Umvolkungstheorien“ hört man von den Blauen schon seit jeher.
Wirft man einen Blick auf die Zahlen offenbart sich freilich ein anderes Bild. Was die Einbürgerungen anbelangt – also die tatsächliche Verleihung der Staatsbürgerschaft an Nicht-Österreicher – so sind dieses seit 2011 zwar leicht ansteigend, machten allerdings 2014 nur einen Bruchteil der Einbürgerungen aus, die zehn Jahre zuvor stattfanden.
Auch die Asylanträge der letzten Jahre untermauern – sowohl was die absoluten Zahlen als auch was die Tendenz anbelangt – solche Positionen nicht. Zwar steigen die Anträge auf Asyl heuer mit bisher 56.690 von Jänner bis September deutlich an, werden jedoch voraussichtlich bis Jahresende nicht einmal die Hälfte der Asylanträge des Jahres 1956 erreichen, als rund 200.000 Menschen aus Ungarn in Österreich um Asyl ansuchten. Heutzutage wird oft auf die vermeintlich positive Rolle Österreichs in dieser Zeit verwiesen, selbst die klare propagandistische Aufteilung der Welt in Gut und Böse während des Kalten Krieges konnte aber ähnliche Ressentiments wie heute nicht übertünchen. Dennoch: auch damals gab es nicht die Spur einer „Ungarisierung“ Österreichs, zumal die Anzahl der Asylanträge – sowohl heute als auch vor 60 Jahren – keineswegs die der tatsächlichen gewährten bedeutet.
Die große Mehrheit der Flüchtenden, die aktuell nach Österreich kommen, sind sogenannte Transitflüchtlinge. Die meisten von ihnen wollen Österreich auf dem Weg in andere EU-Länder lediglich passieren. Von 210.000 Menschen, die hierzulande im September gezählt wurden, stellten nur 10.000 einen Asylantrag in Österreich.
Der letzte Integrationsbericht von 2013 attestierte übrigens rund 19 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, wobei hier wiederum ein Drittel aus anderen EU-Staaten kommt.
Wenn also die Zuwanderung keine relevanten demographischen Veränderungen bringt, dann vielleicht der „Babyboom“ unter MigrantInnen? Auch diese Behauptung ist nicht neu. Prominenter Vertreter ist etwa der Ex-Banker Thilo Sarazzin, der selbiges unter anderem in seiner wissenschaftlich nicht haltbaren Publikation „Deutschland schafft sich ab“ behauptete. In ihrem Buch „Gegen Vorurteile“ weisen Nina Horaczek und Sebastian Wiese nach, dass diese These jedoch keinesfalls belegbar ist. Sie legen dar, dass sich die Geburtenzahl bereits in der zweiten Generation, also bei den Kindern der Einwanderer, an die des neuen Heimatlandes angleicht. Die Fertilitätsrate hängt somit nicht von der Herkunft, sondern vielmehr von den sozialen Gegebenheiten in einem Land ab. Soziale Unterstützungen und arbeitsrechtliche Absicherung für Mütter und Väter sind dabei entscheidende Faktoren. Dies zeigt sich etwa in Griechenland, wo die Geburtenrate seit Ausbruch der Krise 2008 um 15 Prozent zurückging. Drastisches Beispiel hierfür ist auch der Rückgang der Neugeborenen um die Hälfte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1989 und 1994.
Personengruppe mit den meisten Kindern in Österreich sind übrigens nicht MigrantInnen, sondern BäuerInnen. Argumentiert man mit Gudenus, müsste es demnach wohl einen rapiden Anstieg der LandwirtInnen geben.
Text: Alexander Melinz
Grafiken: Statistik Austria
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