„Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
vorgestellt von Robert Krotzer
Die 70er-Jahre waren eine bewegte Zeit: In Vietnam beendete der zähe Kampf der Bevölkerung den scheußlichen Krieg der USA, in Portugal siegte die „Nelkenrevolution“ und in Griechenland wurde die faschistische Militärjunta gestürzt. In Westeuropa wehte nach der 68er-Revolte ein erfrischender Wind, der Marxismus wurde wieder populär und selbst in westdeutschen Kindergärten besang man begeistert den „Baggerführer Willibald“, der zusammen mit seinen Kollegen den Boss enteignet und in der Folge Häuser baut, die leistbar für alle Menschen sind.
Diese Tagen waren die Kindheit von Richard David Precht, der als Sohn linker Eltern aufgewachsen ist, die sich in der Vietnam-Solidarität engagierten, vietnamesische Waisenkinder bei sich aufnahmen und sich in der Folge auch in der Deutschen Kommunistischen Partei engagierten. Und eben diese Kindheit und Jugend schildert Precht in seinem Buch „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ – das sich von manch anderer Post-68er-Literatur wohltuend abhebt. Es ist keine selbstgefällige Abrechnung jener, die mit dem blöden Spruch „Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer mit 40 noch immer einer ist, hat keinen Verstand“ bloß ihren fehlenden Mut, weiterzukämpfen und ihre Anbiederung an eine kalte, menschenverachtende Gesellschaft, die sie einst überwinden wollten, überspielen.
„Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ ist ein durchaus liebevolles und zugleich amüsant zu lesendes Portrait jener Zeit und der Menschen, die diese bewegt haben. Keine Weltliteratur, aber jedenfalls nett zu lesen.
Bisher:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
Foto: Robert Krotzer (fb); Titelbild: Bücher über alles (© www.torange-de.com; Lizenz: CC BY 4.0)