Heute gibt’s als Empfehlung Heinz R. Ungers großartige Erzählung „Zwölfeläuten“, die ich vor zwei Jahren in der Vorbereitung auf meine Diplomprüfung lesen „musste“.
Von Robert Krotzer
„Österreich 1945, ein Dorf in der Steiermark. Ein winziger Trupp Partisanen streicht durch die Wälder. Der Krieg ist fast zu Ende: Das letzte Aufgebot an Lahmen, Alten und Dorftrotteln wird vom ehrgeizigen Dorf-Obernazi zur Partisanenjagd aufgestellt. Doch keiner will so richtig. Ihre Motive sind Angst, Feigheit, Dummheit, bei manchen auch Voraussicht – schließlich kommen bald die Alliierten, und wer weiß, was dann passiert. Und: Einer der Partisanen stammt aus dem Dorf. Der Pfarrer versteckt ihn. Als auch noch die Kirchenglocke abtransportiert werden soll – das Dritte Reich braucht Patronenhülsen – obsiegt die Bauernschläue. Die Glocke verschwindet. Als die Luft rein ist und die Nazis verschwunden sind und im Ort ohnehin keiner dabeigewesen sein will, taucht sie wieder auf.“ (ORF)
Dass solche – im beste Sinne des Wortes – aufklärerischen Volksstücke in diesem Land bestenfalls als Nischenprogramm taugen und stets hinter Heimatfilm-Kitsch, „Traumschiff“-Gefühlsduselei und Sissi-Romantik zurückstehen mussten, ist wohl ein Teil der Erklärung für die gegenwärtige österreichische Tragödie.
„Zwölfeläuten“ wurde 2001 von Harald Sicheritz unter anderem mit Wolfgang Böck, Nina Proll, Erwin Steinhauer und Andrea Händler verfilmt. Prädikat: Sehenswert!
Bisher:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
- „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
- „Der Aufstand des Gewissens“ (Jean Ziegler)
- „Superhenne Hanna“ (Felix Mitterer)
- „Die Diktatur des Kapitals“ (Hannes Hofbauer)
- „Die schützende Hand“ (Wolfgang Schorlau)
- „Hitler war kein Betriebsunfall“ (Emil Carlebach)
- „Heldenplatz“ (Thomas Bernhard)
Fotos: Haymon Verlag; Titelbild: screenshot