Die Kommunistische Gewerkschaftsinitiative als Dorn im Auge der sozialpartnerschaftlichen Übermacht – Von Michael Wögerer
Acht Jahre ist es her, als die Kommunistische Gewerkschaftsinitiative – International (kurz: KOMintern) im Mai 2009 erstmals bei den Wahlen zur Wiener Arbeiterkammer (AK) antrat und auf Anhieb einen Sitz in der direkt gewählten Vollversammlung der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer erreichte. Die Geschichte einer kleinen, umtriebigen und klassenkämpferischen Gewerkschaftsorganisation in Österreich nahm ihren Lauf.
„Wir wollen lästig sein“, war das Motto zu Beginn. Nachdem sich anfangs die anderen Gewerkschaftsfraktionen beim Namen „KOMintern“ belustigt oder angewidert die Augen rieben, wurde die Gewerkschaftsinitiative spätestens seit dem Einzug in der Arbeiterkammer in Niederösterreich (2014) und der Verteidigung des Mandats in Wien mit hunderten Stimmen Überhang zum Dorn im Auge der großteils „sozialpartnerschaftlich“ orientierten Fraktionen. Dass es überraschenderweise auch im konservativen Bundesland Tirol gelang einen Achtungserfolg zu erzielen, ließ bei manchen die antikommunistischen Alarmglocken läuten.
„Wir sind als KOMintern Teil der realen Bewegungen, betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfe und nutzen unsere Präsenz in der AK zur Unterstützung dieser“, heißt es in der Selbstbeschreibung auf komintern.at. Ziel sei eine konsequente Interessenpolitik für die arbeitenden Menschen und der gemeinsame Kampf für ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.
Die Beweggründe für die Gründung einer neuen kommunistischen Gewerkschaftsplattform waren struktureller und inhaltlicher Natur. Ein Großteil der damals im Umfeld der Kommunistischen Initiative (Österreich) – heute Partei der Arbeit – engagierten Gewerkschafter wurde im Zuge der internen Konflikte in der KPÖ aus dem Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) hinausgedrängt. Um in Österreich aber innerhalb der Gewerkschaften aktiv zu sein, muss man erstens Betriebsratsmitglied und zweitens Teil einer anerkannten Fraktion sein. Es gibt real keinerlei gewerkschaftliche Strukturen im Betrieb, und die Gewerkschaftsgremien werden – außer in ganz wenigen Ausnahmen – ausschließlich mit Betriebsratsmitgliedern besetzt. So gibt es für das „einfache“ Mitglied keine Möglichkeit für Aktivität und Mitsprache in der Gewerkschaft – außer innerhalb einer politischen Fraktion. Auch Urabstimmungen sind verpönt. Die Arbeiterkammer war ein erster Hebel, um eine solche Fraktion zu entwickeln. Der Sitz im Wiener Arbeiterparlament schaffte die Ressourcen, um Schritt für Schritt eine klassenkämpferische Struktur aufzubauen.
In allen neun österreichischen Bundesländern gibt es seit 1920 eine eigene Arbeiterkammer, deren gesetzliche Aufgabe es ist „die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern.“ (§ 1 Arbeiterkammergesetz). Ein Großteil der unselbständigen Erwerbstätigen in Österreich sind Pflichtmitglieder der AK und haben Rechtsanspruch auf Unterstützung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Alle fünf Jahre finden Wahlen zu den Vollversammlungen auf Länderebene statt. Österreichweit werden die Arbeiterkammern von den sozialdemokratischen Gewerkschaftern dominiert. Sie erhielten bei den letzten AK-Wahlen 2014 rund 57 Prozent, während christlich-konservative (21 %), rechtspopulistische (10 %) und grüne (6 %) nur wenig Einfluss haben. Links davon gibt es den GLB, der neben Wien (2 Mandate), Salzburg (1) und Oberösterreich (1) vor allem in der Steiermark (4) präsent ist, und KOMintern mit je einem Mandat in Wien und Niederösterreich und Strukturen in Tirol und Oberösterreich.
Den bisherigen Erfolg der „klassenkämpferischen Kraft in AK, Gewerkschaft und Betrieb“ erklären sich Selma Schacht, AK-Rätin in Wien, und KOMintern-Sekretär Gerhard Mack im Gespräch mit junge Welt* wie folgt: „Wir haben es immer stärker geschafft uns als internationalistische Organisation zu verankern. Wir sind die einzigen, die tatsächlich die multiethnische Zusammensetzung der Arbeiterklasse in Österreich widerspiegeln. Andere Fraktionen haben ‚Quoten-Ausländer‘ in ihren Reihen. Wir haben gemischte Betriebsratslisten und für KOMintern ist es völlig normal, dass ein AK-Rat kurdischer Aktivist der ATIK ist.“ Zudem sei es ihnen in den letzten Jahren gelungen auch Betriebsräte neu zu gründen oder alternative, kämpferische Gegenlisten aufzustellen. „Wir betreiben aus unserem engsten Umfeld selbst Kandidaturen und beraten darüber hinaus andere, die sich zwecks Betriebsratsgründung an uns wenden. Das ist ein großes Feld“, so Mack.
Die Ressentiments, die einem als Kommunist in der Gesellschaft entgegenschwappen, gäbe es natürlich auch in den Betrieben, gibt Schacht zu bedenken. „Von jenen aber, die uns kennen und die wissen wofür wir stehen, werden wir geschätzt. In vielen Betrieben ist KOMintern ein guter Name“, meint Schacht. Bei den Funktionären anderer Fraktionen sei das „ähnlich, aber komplizierter. Einerseits genießen unsere Aktivisten und AK-Räte eine hohe Anerkennung, andererseits schlägt der Fraktionskampf permanent entgegen. Wenn es um Delegierungen oder Abstimmungsmöglichkeiten geht, ist der klassische antikommunistische Reflex wieder da“, so die Wiener AK-Rätin.
„International“ ist nicht nur Teil des Namens sondern auch Teil des Programms. So unterhält KOMintern offizielle Kontakte mit der griechischen Gewerkschaftsorganisation PAME, organisiert Solidaritätsdelegationen zu Streiks in der Türkei und war 2014 auch für die Sozial- und Streikbewegungen in Bosnien aktiv. Die Menschen würden sehr rasch erkennen, „dass wir es mit dem Internationalismus wirklich ernst nehmen“, sagt Schacht. Zu einer konkreten praktischen Solidaritätsaktion kam es im Zuge der Belagerung der kurdischen Stadt Kobane durch den „Islamischen Staat“, indem im Herbst 2014 zwei LKWs mit Hilfslieferungen bereitgestellt wurden. Politisch werden die internationalen Aktivitäten regelmäßig mit Anträgen in der Arbeiterkammer flankiert. Ein Wechselspiel zwischen „Straße und Parlament“, das immer wieder auch mit sozialen Bewegungen in Österreich funktioniert.
Auf die Zusammenarbeit mit der KP-Gewerkschaft GLB angesprochen, reagieren Schacht und Mack zurückhaltend: „Es gibt hier einzelne KollegInnen, wie etwa Anne Rieger aus der Steiermark, die wir schätzen und mit denen wir auch zusammenarbeiten. Mit dem Gesamt-GLB gibt es trotz inhaltlicher Differenzen auf AK-Ebene eine punktuelle Zusammenarbeit.“
Bei den kommenden Arbeiterkammer-Wahlen im Winter 2018/Frühjahr 2019 will KOMintern die bisherigen Mandate in Wien und Niederösterreich verteidigen und wenn möglich ausbauen. Wo darüber hinaus kandidiert wird, entscheidet die Generalversammlung am 10. Juni. Langfristiges Ziel sei eine neue kämpferische Perspektive von unten und die weitere Forcierung der wachsenden betrieblichen und gewerkschaftlichen Verankerung. Die Gewerkschaften müssten sich, wenn sie nicht in der völligen politischen Bedeutungslosigkeit untergehen wollen, strukturell und inhaltlich ändern, meint Schacht. Mack pflichtet bei: „Man kann der Gewerkschaft natürlich vorwerfen, dass sie nicht für den Sozialismus ist, aber aktuell verfolgen sie noch nicht einmal Strategien entlang der Interessen der Arbeitenden.“
Michael Wögerer ist Gründungsmitglied von KOMintern
* Der Beitrag erschien in einer stark gekürzten und veränderten Form am 26. April in der 1. Mai-Beilage der Tageszeitung junge Welt.
Foto und Titelbild: KOMintern