Das Weltwirtschaftsforum (WEF) veröffentlichte den „Global Risks Report 2019“, demzufolge die Klima- und Umweltschädigung das größte langfristige Risiko unsers Zeitalters darstellen. Aber auch Cyberrisiken und steigende geopolitische Spannungen sowie wirtschaftliche Konfrontationen zwischen den Großmächten stellen 2019 erhebliche Risiken dar.
Von Robert Manoutschehri
Es sind längst nicht mehr nur die Umweltschützer, die vor dem Klimawandel warnen – sogar die Wirtschaft als Hauptverursacher verlautbart nun einen Weckruf: Die Bereitschaft der Welt, im Angesicht dringender schwerer Krisen zusammenzuarbeiten, sei auf einem Tiefpunkt angekommen, so das unbefriedigende Fazit von rund 1000 Experten und Entscheidungsträgern des World Economic Forum. Im neuen Global Risks Report warnen sie eindringlich: Gelingt es der Weltgemeinschaft nicht, internationale Spannungen abzubauen, wird die wachsende Zahl kollektiver Herausforderungen von der Umweltzerstörung bis hin zur vierten industriellen Revolution nicht zu bewältigen sein.
Als die wichtigsten globalen Probleme werden v.a. fünf Umweltrisiken genannt, die sowohl in der Kategorie der Risiken mit den größten Auswirkungen als auch der höchsten Wahrscheinlichkeit aufscheinen: Verlust der Artenvielfalt, extreme Wetterereignisse, ein Scheitern bei Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel sowie den Klimazielen von Paris und durch den Menschen verursachte Katastrophen und Naturkatastrophen.
Klimawandel und Umweltverschmutzung
Klimawandelfolgen werden immer deutlicher – betroffene Ökosysteme wie Ozeane und Wälder sind vielfältigen Stressfaktoren ausgesetzt, was auch ihre Fähigkeit einschränkt, Kohlenstoffemissionen zu absorbieren. Laut IPCC haben wir aber höchstens noch zwölf Jahre Zeit, um zu verhindern, dass die globalen Durchschnittstemperaturen über das Ziel des Pariser Abkommens von 1,5 Grad hinaus ansteigen. Ohne signifikante Emissionsminderungen bei CO2 und Treibhausgasen würden die globalen Temperaturen aber bis zum Ende des Jahrhunderts um 5-6 Grad ansteigen.
Artensterben
Besonders Besorgnis erregend ist das zunehmende Tempo des Verlusts an Biodiversität – die Artenvielfalt ist laut dem Living Planet Index seit 1970 um 60% zurückgegangen. In der menschlichen Nahrungskette wirkt sich der Verlust an biologischer Vielfalt auf die Gesundheit und die sozioökonomische Entwicklung aus, was sich wiederum auf Wohlbefinden, Produktivität und sogar regionale Sicherheit auswirkt.
Ernährungsmangel
Die Risiken für Gesellschaft und Gesundheit verschärfen sich: Schon heute leiden bis zu 2 Milliarden Menschen unter Ernährungsmangel durch fehlenden Zugang zu Lebensmitteln von ausreichender Vielfalt und Qualität. Erderwärmung und Extremwetter bedrohen aber die Kulturen von Reis, Weizen und Mais, welche für rund die Hälfte aller pflanzlichen Kalorien verantwortlich sind, die weltweit verzehrt werden. Bis 2050 könnte dies zu Zinkmangel bei 175 Millionen Menschen führen, zu Proteinmangel bei 122 Millionen und Eisenmangel für eine Milliarde Menschen.
Angst vor Veränderungen
Auch die menschliche Seite globaler Risiken wird in dem Bericht hervorgehoben, bzw. welche Rolle die derzeitigen komplexen Veränderungen weltweit spielen: Auf der Ebene des Individuums ist das schwindende psychische und emotionale Wohlergehen innerhalb der globalen Risikolandschaft Ursache und Wirkung zugleich. Ein Gefühl des Kontrollverlusts angesichts von Unsicherheit und daraus resultierender psychischer Stress hat negative Folgen für den sozialen Zusammenhalt und die politische Zusammenarbeit.
Meeresspiegelanstieg
Umweltrisiken würden darüberhinaus auch Probleme für die Infrastruktur stetig wachsender Städte verursachen. Bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Schätzungsweise 800 Millionen Menschen davon in Küstenstädten, die bis 2050 unter einen Meeresspiegelanstieg von rund einem halben Metern leiden werden. Durch die Zerstörung natürlicher Resilienzquellen wie etwa Küstenmangroven wird immer mehr Land unbewohnbar. Hier stehen enorme Kosten bevor, um Probleme wie sauberes Grundwasser bis hin zu Sturm-Barrieren zu lösen. Wenn nicht ausreichend in kritische Infrastrukturbereiche investiert wird, kann es zu systemweiten Zusammenbrüchen kommen.
Energiewende und Anpassungsstrategien gelingen nur gemeinsam
„2018 war bedauerlicherweise ein Jahr, in dem wir historische Waldbrände, Überschwemmungen und Treibhausgasemissionen verzeichneten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Umweltrisiken ganz oben auf der Liste der größten Probleme stehen. Dasselbe gilt für die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Umweltpolitik oder der nicht rechtzeitigen Umsetzung politischer Maßnahmen. Eine effektive Reaktion auf den Klimawandel setzt eine signifikant höhere Investition in Infrastruktur voraus, um sich auf diese neuen Umweltbedingungen einzustellen und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu vollziehen„, so Alison Martin von der Zurich Insurance Group.
„Wir brauchen jetzt ein abgestimmtes und gemeinschaftliches Handeln, um das Wachstum zu erhalten und die erheblichen Bedrohungen zu bekämpfen, denen sich unsere Welt gegenübersieht„, so das Resümee von WEF-Präsident Børge Brende, der Politik und Unternehmen dringend empfiehlt, „eine wirksame Anpassungsstrategie für Klimawiderstandsfähigkeit zu erarbeiten und sie möglichst rasch umzusetzen.“
Risiko-Ranking
Die fünf größten Risiken nach Wahrscheinlichkeit
1. Extreme Wetterereignisse (z. B. Überschwemmungen, Stürme usw.)
2. Scheitern der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen
3. Große Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch, geomagnetische Stürme)
4. Schwerwiegende Fälle von Datenbetrug/-diebstahl
5. Groß angelegte Cyberangriffe
Die fünf größten Risiken nach Wirkung
1. Massenvernichtungswaffen
2. Scheitern der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen
3. Extreme Wetterereignisse (z. B. Überschwemmungen, Stürme usw.)
4. Wasserknappheit
5. Große Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch, geomagnetische Stürme)
Die fünf wichtigsten Risikozusammenhänge
1. Extreme Wetterereignisse + Scheitern der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen
2. Groß angelegte Cyberangriffe + Zusammenbruch kritischer Informationsinfrastrukturen und -netzwerke
3. Hohe strukturelle Arbeitslosigkeit + negative Folgen des technischen Fortschritts + tiefe soziale Instabilität
4. Massive Fälle von Datenbetrug/-diebstahl + groß angelegte Cyberangriffe
5. Scheitern der regionalen oder globalen Governance + zwischenstaatliche Konflikte mit regionalen Folgen
Die fünf wichtigsten Trends
1. Klimawandel
2. Steigende Cyberabhängigkeit
3. Zunehmende Polarisierung der Gesellschaft
4. Wachsende Unterschiede bei Einkommen und Wohlstand
5. Zunehmende nationalistische Tendenzen