Über 24 Jahre ist es her, als Simone Stelzer beim Eurovision Song Contest 1990 mit dem Lied „Keine Mauern mehr“ den 10. Platz für Österreich belegte. Für die damals 20-Jährige aus Herzogenburg (NÖ) war der Auftritt im noch jugoslawischen Zagreb das Sprungbrett für ihre Karriere als Schlagersängerin. „No walls anywhere“, „Nema više zidova“, „Keine Mauern mehr“ geriet jedoch nicht nur als Lied in Vergessenheit.
Seit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 hat unser Freiheitsdrang keineswegs einen Sprung nach vorne gemacht, auf der ganzen Welt wurden schon bald wieder Mauern errichtet, größer und tödlicher als je zuvor.
2003 beginnt die israelische Regierung mit dem Bau einer 759 Kilometer langen Sperranlage entlang der Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland. 2004 erklärte der Internationale Gerichtshof in einem von der UN-Vollversammlung in Auftrag gegebenen Gutachten, dass Israel damit gegen Völkerrecht verstoße.
Unter Präsident George W. Bush (2001 – 2009) errichteten die Vereinigten Staaten von Amerika an der 3000 Kilometer langen Südgrenze zu Mexiko einen Grenzzaun, 800 Sicherheitstürme, die mit der neusten Überwachungstechnologie ausgestattet sind, sollen den Flüchtlingsstrom aus Lateinamerika stoppen. Die Zahl der illegalen Einwanderer aus den Ländern Mexiko, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Ecuador wird auf jährlich 350.000 geschätzt. Bis zu 500 Menschen verlieren jedes Jahr ihr Leben beim Versuch, illegal über die Grenze zu kommen. Zum Vergleich: In Berlin gab es von 1961 bis 1989 laut Zentrum für Zeithistorische Forschung 138 Maueropfer, darunter 98 DDR-Flüchtlinge, 30 Personen aus Ost und West, die ohne Fluchtabsicht verunglückten oder erschossen wurden, und 8 im Dienst getötete Grenzsoldaten.
Sechs Meter hohe Drahtzäune, in mehreren Reihen angeordnet, ausgerüstet mit Infrarotkameras und Bewegungsmeldern, riegeln die spanischen Frontstädte Ceuta und Melilla ab. Der Hightech-Grenzwall soll verhindern, dass Menschenströme aus Afrika nach Europa ziehen. Tausende Flüchtlinge harren in den Bergen um Melilla aus und warten auf eine Gelegenheit, die Sperranlagen zu überwinden, um in der EU politisches Asyl beantragen zu können. Zehntausende versuchen es in kleinen Booten über das Mittelmeer. Allein zwischen dem 1. Juli und dem 30. September 2014 starben dabei nach UN-Angaben 2.200 Menschen – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum.
Simone Stelzer-Kreissl feierte am 1. Oktober ihren 45. Geburtstag, bis ihr Song-Contest-Wunsch in Erfüllung geht, werden wohl noch viele weitere Jahre vergehen.
„Der Wind ist stark, er nimmt in Sturm
Bläst manchem ins Gesicht
Die feste Hand am Widerstand zerbricht
Denn unsere Zukunft wird erst jetzt geboren
Viele Sprachen, viele Ohren
Keine Mauern mehr
No walls anywhere“
Text: Michael Wögerer
Bild: Mauer südöstlich von Ramallah (wikipedia/Abutoum)
Siehe auch:
- „Im Zeitalter der neuen Schutzwälle“ (taz.de)