Arbeit zu Dumpingpreisen und alle machen mit
von Sinah Edhofer (The Black Shirt Blog)
Gestatten, Sinah. 23 Jahre. Mit 5 eingeschult worden. 5 Jahre Handelsakademie. Ein Jahr beim Wirtschaftsstudium in Salzburg verschissen. 3 Jahre Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, dieses Mal richtig. 2 Jahre währenddessen Vollzeit gearbeitet, meistens Praktika. Jeden Sommer Ferialjobs. Meistens mehrere. Einigermaßen gutes Leben gehabt, viele tolle Menschen kennengelernt, immer mit Elan bei der Sache („Ganz oder gar nicht!“), immer motiviert. Jetzt stehe ich am Ende meines Studiums und frage mich, was das eigentlich alles soll. Familienbeihilfe gibt’s demnächst nicht mehr, weil mit Anfang 23 ist schließlich jeder normale Mensch mit dem Studium fertig, oder nicht. Naja, da hab ich dann wohl zu lange herumgetrödelt, hätte vielleicht doch ins Gymi weitergehen sollen, vielleicht doch nicht Wirtschaft in Salzburg oder halt durchziehen (aber da waren einfach zu viele Louis Vuitton-Taschen – und die waren ÜBERALL!), dann wäre ich jetzt mit 21 fertig, dann würd sich das mit dem Master und der Familienbeihilfe ausgehen, dann könnt‘ ich mit 23 anfangen, mich selbst zu erhalten, hätte überhaupt keine Probleme mehr, außer vielleicht bisserl Burn Out mit Anfang 30 aber das ist ja sowieso eine Krankheit, die nur Pussies haben und eingebildet dazu.
Wenn ich mit meiner Mama darüber rede (die während dem Studium gearbeitet und mich großgezogen hat – Bussi an dieser Stelle), schüttelt sie immer nur ungläubig den Kopf, schaut mich mitleidig an, sagt mir, dass alles gut wird. Tolle Mama eben. Aber ich mach’ mir trotzdem Sorgen. Weil ich leider sehen muss, dass ausgelernte FrisörInnen mehr verdienen als manche Uni-AbsolventInnen mit Berufserfahrung. Und ich will da gar keine Berufe verunglimpfen, aber ich denke schon, dass Lernen eine ziemlich anstrengende Sache ist. Und dass ein Studium viel Geld kostet. Sehr, sehr viel Geld. Und nein, ich glaube, die „wirtschaftliche Gesamtsituation“ hat damit wenig zu tun. Auch meine Studienwahl nicht. Da breche ich auch die Lanze für ein oftmals unterschätztes Studium, weil’s ein tolles Studium ist und das auch trotz der zahllosen Suderanten, die oft nur in der Bib sitzen, um Insta-Fotos mit ihren STEOP-Büchern zu machen (nobody cares about you, „studying”). Aber gut, aller Anfang ist schwer. Nur… so sehr am Anfang steh’ ich eigentlich gar nicht mehr.
Was mich jetzt im Nachhinein betrachtet aufregt, sind all die Unternehmen, die Leute Vollzeit für ein Arschloch-Drecks-Praktikumsgehalt arbeiten lassen und dann noch erwarten, dass man schön lächelt und Danke sagt. Ja, danke für nichts nämlich. Ein ORF, ein Standard – Unternehmen, die es sich sicherlich mehr als leisten können und auch noch darüber berichten, wie schlimm die Ausbeutung durch Praktika ist – zahlen um die 700 Euro für 40 Stunden. Und ich möchte aus Erfahrung sagen, dass das – bei den Medienpraktika – im Vergleich nicht wenig ist. Man lasse der Fantasie freien Lauf.
Es tut mir in der Seele weh wenn immer alles so lange Scheiße laufen muss, bis es wieder einmal richtig knallt. Praktika sind nämlich eigentlich eine tolle Erfahrung. Und ich würde es auch jedem empfehlen, sich den Traumjob einfach mal 3-6 Monate anzuschauen. Aber eben weil es nur 3-6 Monate sind sollte doch eine faire Bezahlung möglich sein. Von dem ein oder anderen Unternehmen würde ich nämlich schon ganz gerne wissen, warum meine Arbeit jetzt weniger wert war (ja, weiß schon, das ist sehr melodramatisch ausgedrückt – monetär gesehen ist es aber einfach eine Tatsache) als die der anderen. Und ich weiß auch nicht, inwiefern die Ausrede „Das Geld ist einfach nicht da“ zählt. Das lasse ich mir noch von Kleinunternehmen sagen, aber die größten Medienunternehmen des Landes? Wirklich, ihr habt alle kein Geld? Aber wer hat dieses Geld denn nun jetzt eigentlich?! Gruner + Jahr? Oder die Russen? Oder hat’s der Karl-Heinz versteckt? Also irgendwer hat’s bestimmt, da bin ich mir sicher.
„Ja, aber dafür hat man doch Eltern!“, das höre ich ganz oft. Ja, wofür hat man denn Eltern? Dafür, dass sie einen großziehen und nicht verrecken lassen, bevor man Verantwortung für das eigene Überleben tragen kann, meiner Meinung nach. Alles andere ist Bonus – und wer solche Eltern hat, hat echt Glück. Dieses Glück habe ich auch, Gott/Allah/Charlie sei Dank. Bin mir aber sicher, dass es nicht jeder Familie möglich ist, dem Kind ein Studium und Kenntniserwerb in Form von Gratisjobs zu finanzieren. Aber das mit den Praktika läuft so, wie’s eben mit allem läuft, das mehr oder weniger gratis ist – es ist nichts wert.
Arbeit zu Dumpingpreisen und alle machen mit: Erstens weil man wirklich Panik hat, keinen Job zu finden, wenn man es nicht tut und Zweitens weil man ja auch „irgendwas Cooles mit Medien“ machen will. Ich sag euch, so lustig ist das eigentlich gar nicht, wenn man 50-60 Stunden die Woche in Arbeit und Ausbildung investiert und sich dann mit 23 eingestehen muss, dass man eigentlich doch ganz gern ein bisschen mehr Zeit, ein bisschen mehr Luft gehabt hätte um sich überhaupt mal zu sortieren und zu checken, was man da eigentlich lernt. Eigentlich hatte ich mir das alles auch ganz anders vorgestellt. Strebernd bis Schluss in der Bib zu sitzen, das kam mir fast romantisch vor. In der Praxis kann ich es an einer Hand abzählen, wie oft ich in der Bib war. Das Schlimme ist, ich kann nicht mal sagen, dass ich es jetzt anders machen würde. Weil auch ich einer dieser Schisser bin, die sich nichts sagen trauen, wenn‘s um so ein heikles Thema wie Praktika und Kohle geht. Ich nicke da meistens und sage, mich äußerlich freuend: „Ja, 400 Euro sind super! Vielen, vielen Dank!!“. Großer Fehler, der auf meine Kosten geht und eigentlich auf Kosten aller jungen Menschen. Es gibt zwei Gründe, warum ich dann doch immer wieder solche Stellen angenommen habe: Erstens liebe ich es, zu arbeiten. Ja, wirklich. Da hat man weniger Zeit für Bullshit und dumme Jungs und mehr Zeit, um an den eigenen skills zu arbeiten (oder das, was unser Wirtschaftssystem eben als “skill” bezeichnet) und herauszufinden, was einem taugt. Und Zweitens hatte ich wirklich immer Glück mit den KollegInnen und eine echt gute Zeit. Aber das rechtfertigt noch immer keine beschissene Bezahlung. Sorry, das musste jetzt einfach mal gesagt werden.
Ich hab’s jedenfalls verstanden: Junge Menschen sind kein Kanonenfutter. Sie sind motiviert, nicht vorbelastet, voller Erwartungen und ihr, die ihr da seit 1996 in eure ledernen Chefsesseln furzt und von großen Visionen, Teamgeist und Delegation redet und mit Wissen von eurem Wirtschaftsstudium aus den 70ern prahlt, ruiniert unsere Erwartungen an das Arbeitsleben. Wir sind nicht geldgeil, was vielleicht unser größter Nachteil ist. Wir wollen nur gute Arbeit leisten und uns dafür gelegentlich selber belohnen können, ohne dass uns beim Blick auf unser Konto schlecht wird. Oder uns halt irgendwie die Wohnung selber zahlen können. Ein Universitätsstudium ist nämlich kein kostenloses Extra, dass es oben drauf gibt. Zu Berufserfahrung, keinem Privatleben und absoluter Selbstaufgabe. FYI – Das volle Paket gibt’s nämlich erst ab 1000 Brutto.
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