Der blaue Ball und die Berichterstattung
von Zoran Sergievski
Die Proteste gegen den ‚Akademikerball‚ deutschnationaler Burschenschafter in der Hofburg sind heuer laut, doch entspannt über die Bühne gegangen. Etwa 9.000 Personen machten am Freitag deutlich, dass sie keine Vernetzungstreffen von Faschisten, sorry, korrigiere, fechtender Faschingsvereine in Wien wünschen (Lei Lei!!). Unsere Zeitung war dabei. Bereits im Vorfeld der Proteste sehnten sich heimische Redaktionen nach Gewalt zwischen BallgegnerInnen und Exekutive. Ausschreitungen verkaufen sich eben besser als Kundgebungen von Holocaustopfern. Noch-Innenstadt-Häuptling Ursula Stenzel wollte gar das Bundesheer mobilisieren. Die Wiener Rechte, die Wiener Linke, das BH – war da was? Das wirkliche Problem fiel wieder unter den Tisch. Stattdessen beschwor man auch bei alternativen Medien Kriegsspiele herauf. Der Aufhänger war ein Sager des antinationalen Bündnisses nowkr.
„Ausschreitungen möglich“
So übertitelte ORF Wien eine entsprechende Meldung. Der Sender vergisst, dass hierzulande auch der friedlichste Demonstrant Ziel von Polizeiknüppeln sein kann. Das Zitat jedenfalls fiel vergangene Woche bei einer Pressekonferenz von nowkr. Sprecher Lars Fischer sagte, man wolle den ‚Ball‘ verhindern. Und wenn man ‚Ball‘-BesucherInnen begegne, werde man „sie nicht mit Samthandschuhen anfassen.“ So weit, so blöd: die Wiener Polizei untersagte die zwei nowkr-Demos. Hier bietet sich ein kurzer Ausflug ins Politsprech an: liebe Redaktionen, der schwarze Block, vor dem ihr immer wieder zittert, den ihr aber auch immer wieder lüstern in den Fokus eurer Berichte rückt, ist eben keine Gruppierung, sondern eine Organisationsform auf Demos. Ausflug beendet. Polizeipräsident Gerhard Pürstl wurde jedenfalls nicht müde, Krawalle heraufzubeschwören und sich dafür zu loben, wie diplomatisch die Polizei heuer sei. Diesen Frame durfte er auch am Samstag in einem Wien heute-Interview wiederkäuen – nach einem recht ausgewogenen Demo-Bericht. Die Polizei verwirrte im Vorfeld übrigens durch bewusste Falschmeldungen.
„Schande“
Die wenigen Scharmützel, die es dann gab, wurden wie üblich ausgeschlachtet. Russia Today (RT) etwa sprach von heftigen Ausschreitungen. Doch im entsprechenden Clip ist die einzige Gewalttat, die anscheinend (!) von ‚Ball‘-GegnerInnen ausgeht, die Zündung von Böllern – so viel zu RT als sauberer Alternative zur ‚Lügenpresse‚. Heuer waren übrigens einige ReporterInnen für den Sperrbezirk und den Ball akkreditiert. Dadurch boten sich interessante Einsichten. In Summe ist festzuhalten: die Berichte zum ‚Ball‘ waren hier und da erneut eine „Schande“. Man darf heuer auch auf die Justiz gespannt sein.
PS: Dies ist der Pilot einer künftig montags erscheinenden Kolumne Unserer Zeitung. Sie wird in jeweils 3.000 (3k) Zeichen die wichtigsten Medienereignisse der vorangegangenen Woche kommentieren. Der Autor arbeitet für verschiedene linke Medien im deutschsprachigen Raum und ist seit 2013 Redakteur bei Radio Campus.
Foto: Unsere Zeitung (Natalia Ciric)