Zaster la vista, Baby
Der Duden definiert zwei Arten von Stolz: zum einen wird damit gemeinhin ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl bezeichnet, zum anderen das Selbstbewusstsein über Besitz oder eine (eigene) Leistung. Synonym ist Stolz mal mit Würde, mal mit Blasiertheit verknüpft. Irgendwo dazwischen wollte wohl Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) mit seiner Schmuse-Patriotismus-Initiative #stolzdrauf (genauer: Zusammen: Österreich) landen. Maria Sterkl schätzt, das Ministerium habe bisher gut 450.000 Euro mit der Social Media-Kampagne verbraten. Zu allem Überfluss sind die Kosten vor allem in Printanzeigen bei großen Boulevardblättern geflossen. Von einem vermeintlichen Digital Native wie Kurz ist eigentlich mehr Gespür für Onlinemedien zu erwarten. Scham statt Stolz ist auch die Empfindung, welche bei einer sonntäglichen Kurzmeldung zu toten Boat People aufkommt (schließlich wird eine couragierte Vorarlberger VP-Bürgermeisterin mit ihrem Engagement alleingelassen). Wenig Feingefühl bewies diese Woche auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) mit seinem lehrerfeindlichen Sager, den Genossen und Betroffene als „Rülpser“ bezeichneten. Die LehrerInnengewerkschaft nutzte zielgruppengerechte Medien, um gegen den Stadthäuptling zu protestieren. Bernhard Gaul vom Kurier hat schließlich ermittelt, was LehrerInnen bei welchem Aufwand verdienen.
Miese Bezahlung …
Freie im Journalismus verdienen gemeinhin schlechter und stehen – wie andere FreiberuflerInnen und prekär Beschäftigte – unter großem Druck. Die Journalistengewerkschaft unterbrach daher KV-Verhandlungen mit dem VÖZ. Sie brachte am Freitag eine Anzeige im Standard, in der sie 1000 Euro brutto für freie KollegInnen einforderte. Bemessungsgrundlage sind 50.000 Zeichen. Das wären umgerechnet knapp 17 Ausgaben dieser Kolumne pro Monat. Die Gewerkschaft wies das Mehrkostenargument der Verlage zurück. Zur selben Zeit feiert sich die sonst kämpferische GPA für einen vergleichsweise mickrigen Abschluss bei den Online- und TeletexterInnen im ORF.
… macht miese Qualität
Seit Jahren ist bekannt, dass der durch Wirtschaftskrisen und digitalen Wandel erhöhte Publikationsdruck die Arbeitsbedingungen im Journalismus zunehmend verschärft. In der Medienwelt – egal, ob im Verlagsriesen, der Dorfzeitung oder dem offenen Kanal – bleibt immer weniger Zeit für Grundlagen wie Rechtschreibung, die Überprüfung und Einordnung sowie Recherche. Zuletzt enttarnten die KollegInnen von Kobuk deutlich übertriebene Flüchtlingszahlen in österreichischen Medien. Da wird Abgedroschenes wiedergekäut, voneinander abgeschrieben, um billig Platz zu füllen. Manches kommt erst, wenn alle anderen es gebracht haben. Besonders peinlich ist das in der Medienberichterstattung: zuletzt ging eine Umfrage der TNS-Emnid um, die bereits seit Anfang April bekannt ist. Der Inhalt: Nerviges am Flaggschiff der deutschen TV-Information. Das No-Go: eine Woche nach erstmaliger Publikation der Studie verkaufte sie etwa meedia als aktuelle Neuigkeit.
Foto: Sebastian Kurz bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2015. (Olaf Kosinsky/Skillshare.eu, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de)