Inszenierungen des Selbst und des Anderen

Zoran_Idis

Mediale Selbstversuche sind klassische Platzfüller. Üblicherweise feiert der Bobo mit diesem Bastard von niveauloser Reportage und überflüssigem Produkttest seine vermeintliche Selbstaufopferung, giert nach Likes und Shares. Hier bin ich Schwein, hier darf ich’s sein. Doch diese Geschichte aus dem Tagesspiegel zeigt: selten enthalten Selbstversuche doch noch journalistischen Mehrwert. Die Autorin wollte in Berlin zwei Wochen lang ausschließlich per Karte zahlen. Anstatt eine fade Schnitzeljagd zu schildern, erläutert sie sehr anschaulich volkswirtschaftliche Aspekte von Plastikgeld.*

Hin und wieder bringt auch das Studi-Webmedium mokant solche Selbsttests. Der jüngste ist tatsächlich originell: Autorin Katharina Kropshofer versuchte über einen Monat hinweg, bewusste Kontrolle über ihre Träume zu erlangen.

Traumhaft sind zwei Features über den vergangenen G7-Gipfel. Charlie Skelton spöttelt etwa im Guardian, wie JournalistInnen im Pressezentrum mit einem großzügigen Buffet gefügig gemacht wurden. Konsequenterweise bezeichnet er das Zentrum als „deutsche Nachrichten-Wurstfabrik“. Ulrich Schulte von der taz war auch vor Ort und teilt viele Ansichten Skeltons, geht aber noch kritischer mit sich selbst ins Gericht. Ihm und anderen deutschen JournalistInnen hätten gerade die Hubschrauber-Taxis und ähnliche Inszenierungen imponiert. Schulte wies aber darauf hin, dass genau darin die Aufgabe des Journalismus bestünde: solche Inszenierungen zu demaskieren, politische Inhalte einzufordern.

Eine ekelhafte Scheindebatte führt auch der Außenminister. Es reicht anscheinend nicht, dass Schutzsuchende hierzulande bei jedem Wetter in Zelten nächtigen müssen, verarscht werden, weil sich die Politik zu fein ist, sie menschenwürdig zu behandeln. Vielmehr unterstellt Sebastian Kurz ihnen die Ausnutzung des Sozialsystems. Der Minister ist übrigens Gastgeber der NATO-Sicherheitskonferenz, welche dieser Tage erstmals in Wien still über die Bühne gehen soll. Dagegen regt sich Unmut, wie zuletzt vor Bilderbuch-Kulissen in Telfs und Eisenstadt.

Zurück zum Erfreulichen: der Kurier klagt Heinz-Christian Strache wegen dessen Behauptung, das Foto von der menschenverachtenden FP-Aktion in Erdberg sei gestellt worden. Manche Redaktion wagt gar, solcherlei Stammtischpolitik aufs Korn zu nehmen.

*Apropos Geld: ein TV-Spot zeigt den Ex-Skifahrer Hermann Maier derzeit in passgenauer Kommandouniform auf der Ur-Enterprise. Die Assoziation der werbenden Großbank von Star Trek und modernen Konten hinkt jedoch. Schließlich spielt schon Buchgeld eine Hintergrundrolle in einer einzigen Folge. Und im Sequel erklärt Captain Picard wieder und wieder, warum es in der Zukunft gar kein Geld gibt. Übrigens: Raiffeisen konnte sich wohl leicht die CBS-Nutzungsentgelte für die Kampagne leisten. Adam Nimoy, Sohn von Spock-Mime Leonard, kann das nicht, braucht die Marie aber dringend für einen Dokumentarfilm über den Vater.

PS: Bärte sind doch keine Fäkalienfallen.

 

Foto: Zoran Sergievski – Polizeihubschrauber über Wien-Favoriten während der Demonstration gegen Identitäre am 6.6.2015 (CC 2.0).

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