Rathaus_Heidenau…da ist doch immer der Himmel blau…idyllisch, vorm Tor zur Sächsischen Schweiz im wunderschönen Elbtal.

So beschrieb ich immer meine Heimatstadt, in der ich aufgewachsen bin, im Kindergarten war, in die Schule gegangen bin und meine Freunde und Familie hatte. 22 Jahre habe ich in Heidenau gelebt, Höhen und Tiefen mitgemacht, die Wende mit dem Mauerfall, der Niedergang der Industrie, immer mehr Arbeitslose, weil die Wende geldgierige Konzerne und Firmen hergelockt hat, um die kleinen, ansässigen Betriebe mit Dumpingpreisen zu zerstören und die Infrastruktur schnell an westliche Standards anzupassen und die Spuren des Sozialismus zu beseitigen. Übrig blieben Arbeitslose, ältere Menschen und einige, die das Glück haben hier oder in der Umgebung einen Job zu finden.

Schon damals versuchte die NPD Fuß zu fassen, bei den Wahlen gab es immer massive Plakatierungen der rechten Partei, die PDS/Linke hatte aufgrund der Vergangenheit keine Chance. Zum Glück waren die Menschen so schlau, eher der CDU Vertrauen zu schenken und die gute Arbeit des Bürgermeisters, der schon sehr lang im Amt ist, zu würdigen. Die NPD sitzt trotzdem in der Stadt- und Kreispolitik. Heidenau schrumpfte, von ehemals 22.000 leben heute noch etwa16.400 dort.

Ich bin selbst 2003 weggezogen, nach Wien, einfach, weil ich keinerlei Perspektive hatte und beruflich etwas weiterbringen wollte. Seit dem hörte ich von Heidenau nicht mehr wirklich etwas, außer, ich bin mal wieder auf Urlaub in der Heimat. Heidenau hat sich nach Außen immer offen und familienfreundlich präsentiert, ist es eigentlich auch, ruhig und idyllisch mit der Sächsischen Schweiz vor der Tür, auch immer in Vorbildfunktion in Bezug auf Flüchtlinge. Anfang des Jahres wurden die ersten Familien dezentral untergebracht, es sollte auch ein Integrationsbeirat aufgestellt werden. Die Bevölkerung ist bereit zu helfen, das Ganze muss nur koordiniert werden.

Die NPD ist stark, es gibt ein „Bürgerhaus“ in Pirna, es gab Konzerte von Nazis, bei denen bis zu 200 selbiger erschienen, es gab in Pirna ein rechtsextremes Fußballturnier, da marschierten die Spieler mit den Rückennummern 88 auf, was als Code für „Heil Hitler“ gilt. 2014 wählte man dann ein Mitglied der NPD in den Stadtrat in Heidenau. Es gab Veranstaltungen, unter anderem unter dem Motto „Kinder sind unsere Zukunft – für ein soziales Sachsen.“ 200 Menschen waren dort, vorrangig Rechtsextreme.

Bürgermeister Opitz wollte dann schnelle Hilfe für Flüchtlinge, innerhalb weniger Tage sollten ein paar hundert in einem stillgelegten Baumarkt untergebracht werden. Das war wohl zu viel für die Rassisten in der NPD. Diese witterten das gefundene Fressen und begannen sofort mit der Angstmache und Propaganda, die bei vielen Menschen, die eh schon recht perspektivenlos sind, Anklang fand. Es werden wieder die bekannten Lügen verbreitet, dass die Asylanten kriminell wären, Frauen nachstellen würden, die Menschen werden gezielt verunsichert und ihnen erzählt, dass die Ausländer ihnen wieder mal alles wegnehmen könnten. Anstatt nachzudenken und das eigene Hirn einzuschalten, plappern einige verunsicherte Einwohner die Lügen und altbekannten Parolen der Nazis nach, es werden gewaltbereite Rechtsextreme aus der Region hingelockt und das Pulverfass ist fertig.

Dieses explodierte dann Ende letzter Woche, Nazis versuchten die Ankunft von Flüchtlingen zu verhindern, die Lage eskalierte, es wurde Tränengas eingesetzt, es flogen Flaschen, Feuerwerkskörper und Steine aus den Reihen der Rechten. Es gab mehr als 30 verletzte Polizisten. In den nächsten Tagen war die Situation brenzlig, es kam immer wieder zu Zusammenstößen. Auch die AntiFa mischte mit, koordinierte eine ziemlich dumme Aktion, bei der sie vermeintliche Rechte, die eigentlich Unterstützer der Asylsuchenden waren, am Weg zum Bahnhof attackierten. Hier reagierte die Polizei aber schnell. Weiterhin kam es immer wieder zu Übergriffen von Rechten, vor allem im Bereich um den ehemaligen Baumarkt. Die teils betrunken Nazis versuchten immer wieder zu stören und die Notunterkunft zu stürmen.

Das ganze weckt schlimme Erinnerungen. Allerdings nicht an Heidenau sondern an Rostock 1992 und andere ostdeutsche Städte, bei denen in den vergangenen Jahrzehnten viele Menschen ihr Leben durch rechtsextreme Gewalt verloren haben. Ich habe nie gedacht, dass dies mal in Heidenau so sein könnte, dass meine Stadt einmal durch diesen braunen Dreck so verschmutzt werden würde, dieses schöne Heidenau.

Auch wenn ich nicht selbst dabei sein kann, ich hoffe, dass die Menschen, die in meiner Stadt noch Menschlichkeit haben aufstehen, das Ansehen von Heidenau verteidigen, den bedürftigen Menschen helfen und sich keine Ängste von hirnlosen Nazis einreden lassen sondern den eigenen Kopf benutzen und den Menschen zeigen, was Heidenau ist: Eine Stadt, die kinderfreundlich, familienfreundlich und vor allem freundlich allen bedürftigen und hilfesuchenden Menschen gegenüber ist, so, wie ich sie verlassen habe, so, wie ich sie in Erinnerung habe und immer haben möchte.

Alexander Roll

Foto: Rathaus Heidenau (Anaximander, Lizenz: CC BY 3.0)

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1 Kommentar

  1. Ja es ist schon traurig das alles mitanzusehen, ich habe Angst wann es in Wien soweit ist. In meinem Haus leben viele Migranten. Alles nette Leute. Aber ich habe Angst dass sie zur Zielscheibe werden. Schon der Trafikant gegenüber hat sich beim Bezug des Baus beschwert, dass da ja hauptsächlich Ausländer eingezogen sind. Warum? Das konnte er mir nicht sagen. “ Sind ja anständige Menschen hab ich gesagt, sonst würdens keine Genossenschaftswohnung bekommen“, “ Die legen das Geld dafür zusammen war seine Antwort“ Und bei mir die Fragezeichen. „Na und?“ was ist daran schlimm dass der familiäre Halt bei den Zuagrasten noch besser funktioniert als bei uns Wiener.

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