Wahlen sind zum Krenreiben

silva_portugalPortugiesische Verhältnisse – In Lousitanien ist politisch der Teufel los

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die EU probt an und in Portugal ein richtungsweisendes Exempel. Diese Vorgehensweise wird den demokratischen Verfall, den Zerfall der Europäischen Union beschleunigen. Nach zwei Fragen, ob Wahlen zum Krenreiben sind, kann der UHUDLA jetzt die Antwort geben. Ja, Wahlen sind zum Krenreiben (in der Bundesrepublik Deutschland = Für den Hugo). Von Martin Wachter, Lisboa

Seit Freitag, 23. Oktober hat Portugal wieder eine neue, alte Regierung. Eine Regierung der haushohen Wahlverlierer. Sie wurde nicht gewählt, sondern von Cavaco Silva, dem Präsidenten der Republik quasi als letzte Amtshandlung bestimmt und eingesetzt. Die Bevölkerung des am Rande des Abgrunds dahinsiechenden EU-Armenhauses im Südwesten Europas muss nun ein weiteres Jahr „Sparkurs” und politische Demütigung von Amts- und EUwegen ertragen.

„Das war und ist ein abgekartetes Spiel und wir wissen nun, wer die Mächtigen im Hause Europa und in Portugal sind. Das Wahlvolk ist es sicher nicht”, beklagt sich Freund Antonio über den Coup des obersten Portugiesen. Noch einmal zum allgemeinen Verständnis: Die Wahl am 4. Oktober war für das regierende, konservative „Ein-Parteien-Korruptionssystem” eine absolute Niederlage. Ministerpräsident Pedro Passos Coelho und sein Vize Paolo Portas haben aus ihrer Sozialdemokratischen und Christlich Sozialen Partei namens “Portugal a Frente” (PaF) gemacht. 38 Prozent Stimmenanteil für PaF bedeuteten 12 Prozent Verlust und statt 125 Mandaten blieben nur 107 übrig. Auf die absolute Mehrheit fehlten mindestens neun Abgeordnetensitze. Der erste Regierungsauftrag an Coelho/Portas war entsprechend des desaströsen Wahlergebnisses in Windeseile gescheitert. Danach haben sich im Schnellverfahren die sozialdemokratischen Sozialisten (86 Mandate), der relativ marxistische Linksblock (19 Mandate), die CDU (17 Mandate, 15 davon von der Kommunistischen Partei und zwei von den Ökologischen Grünen) und sogar eine grüne Tierschützerpartei mit einem Parlamentssitz auf die Regierungsbildung geeinigt. Diese waren der Meinung, dass Portugal den politischen Stillstand beenden, und den ins Verderben führenden Sparkurs verlassen oder zumindest abschwächen müsste.

Über das Schicksal Portugals wird in der EU entschieden

Merkel, Hollande, Juncker, Draghi und Co. waren da anderer Meinung. Egal wie gewählt wird, über das Schicksal Portugals wird in Brüssel und in der EZB entschieden. Jetzt sollte Mann und Frau meinen, so kann Politik nicht funktionieren. Doch, so einfach ist es. Da gibt es zur absoluten EU-Macht noch das Machtkartell der Europäischen Volksparteien. Passos Coelho, Paolo Portas und Cavaco Silva sind Mitglieder und Freunde des Machtkartells. Sie fanden eine portugiesische Verfassungslücke. Am Freitag 23.10. ernannte Angelika Merkels Parteifreund, der noch amtshandelnde Präsident Portugals Cavaco Silva, seinen Freund, Parteikollegen und Wahlverlierer Passos Coelho in einer „Rede an die Nation” zum Regierungschef. Der nur noch zweieinhalb Monate amtshandelnde Präsident verordnete „seinem” Land eine „Minderheitsregierung”. Ein paar Stunden später gratulierten „MachthaberInnen” und Freundin Angela Merkel ihrem „Untertanen” Cavaco Silva zu seiner “klugen” Entscheidung im Interesse Portugals – Ehm: der EU der Banken und Konzerne. Und Basta.

UHUDLA-LeserInnen wissen: Selbiger portugiesischer Präsident hat mit einem Verfassungs-Trick schon die Amtszeit der bereits seit viereinhalb Jahren regierenden „Losertruppe” von Coelho verlängert. Am 6. Juni 2015 wäre die Legislatur des Parlaments zu Ende gewesen. Nur, der Präsident hat die Periode um maximal sechs Monate verlängert. Alles zu lesen im UHUDLA-Artikel (Ausgabe 103/2015): „Mit der Kraft des Volkes”. Anfang 2015 wäre das Wahldesaster für die Regierungsparteien noch größer gewesen und die Regierungseinheitspartei “Portugal a frente” PaF war damals noch nicht wirklich gegründet.
Mitte Jänner 2016 wählt Portugal einen neuen Präsidenten. Der Noch-Amtsinhaber Anibal Cavaco Silva darf nach zwei Perioden nicht mehr zur Wahl antreten. Erst in der ersten Mai Hälfte wird der neugewählte Präsident angelobt. Also wird es erst wieder Parlamentswahlen ab Mai geben können, weil der Präsident neue Wahlen ausschreiben sollte und Regierungen angeloben muss. Das heißt, das menschenverachtende „Sparprogramm” für Portugal wurde von den EU-Mächtigen und ihrer TrabantInnen in Lousitanien mindestens um ein ganzes Jahr verlängert.

In Memoriam an Lutz Hoilzinger ein Zitat aus einem seiner UHUDLA-Kommentare (UHUDLA-Ausgabe 97/2012):

Sind Wahlen zum Krenreiben: „Von dem in Österreich vor mehr als 100 Jahren zunächst nur für Männer eingeführten allgemeinen gleichen Wahlrecht heißt es, dass es längst wieder abgeschafft worden wäre, wenn es etwas verändern könnte. Vor dem Hintergrund dieser tausendfach erprobten Tatsache erscheint es wie Suchtverhalten, dass Linke sich der Hoffnung hingeben, durch das Ergebnis von Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen könnten die herrschenden Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden”.

Schlussfolgerungen und die Erfahrungen mit der EU-Politik und den „Portugiesischen Verhältnissen” lassen nur eine Antwort zu: Ja. Wahlen sind zum Krenreiben.

 

Martin Wachter ist Herausgeber des UHUDLA, die älteste und rebellischste Straßenzeitung Österreichs. Er lebt in Portugal.

Foto: So sehen in Portugal nicht nur SatirikerInnen „ihren” Präsidenten Cavaco Silva (Quelle: UHUDLA)

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