Ein Rückblick von Helmut Swoboda
Am 11. November 2015 veranstaltete die Librería Utopía die zweite Lange Nacht des politischen Buches. Sie findet immer zur Eröffnung der Buch-Wien Lesewoche statt, mit dem Ziel, Werke zu präsentieren, die nicht zum Mainstream gehören. So gab es auch heuer wieder Vorstellungen von interessanten Büchern.
Zuerst war das Buch „Der Körper als Ware“ von Lisbeth N. Tallori, im Mandelbaum-Verlag erschienen, an der Reihe. Maren Rahmann sang zur Einleitung Jura Soyfers „Lied vom einfachen Menschen“ und begleitete sich dabei selbst am Akkordeon.
Das Buch behandelt das Thema Kommerzialisierung des menschlichen Körpers. Frau Tallori sieht eine Zäsur im Jahr 1978, als das erste Retortenbaby erzeugt wurde. Im Jahr 1986 trafen sich die ersten Frauen, um dagegen ihre Stimmen zu erheben. Von 1986 bis 1992 gab es einen rechtsfreien Raum, in dem Labors machen konnten, was sie wollten. Erst im Jahr 1992 beschloss Österreich das erste Gesetz zur Reproduktion. Diesem Gesetz folgte 1994 ein Gesetz zur Genetik. Im 21. Jahrhundert werden diese Gesetze immer mehr aufgeweicht. Der Körper ist ungeschützt dem Markt ausgeliefert. Er kommt in die Marktwirtschaft mit dem Ziel, ihn vollkommen zu schaffen. Er ist nicht mehr schicksalhafte Gegebenheit, sondern gestaltbar, abhängig vom Portemonnaie des einzelnen Menschen. Ziele dieses neuen Wirtschaftszweiges sind Leistungssteigerung, Ästhetisierung (Schönheitsoperationen), menschliche Fortpflanzung und Gesundheit bzw. Ernährung. Diese Korrekturen sind als neoliberale Wirtschaftsprojekte zu begreifen, um durch das vermarkten des Körpers viel Geld verdienen zu können. Dagegen votiert dieses Buch. Es gibt eine sichtbare Vermarktung. Sie ist in der Statistik der ILO zu sehen. Laut ihr werden jährlich 12 Millionen Menschen verkauft, mit dem Ziel sie entweder zur Prostitution zu zwingen, aber auch als Organspender zu fungieren. Die unsichtbare Vermarktung, die sogenannte Biokapitalisierung drückt sich im Handel mit Eizellen, Embryonen und Stammzellen aus, die zum Verkauf zur Verfügung stehen.
Die Biotec-Ökonomie hat das Ziel einen marktkonformen Körper zu schaffen. Um Eizellen einfrieren, tief gekühlt lagern und auftauen zu können, sind schwierige Prozesse notwendig. Diese neue Bewirtschaftung des Körpers soll die Wirtschaft ankurbeln. Auch das Thema „Leihmutterschaft“ gehört zu diesem Wirtschaftszweig.
Das Buch geht auch darauf ein, welche politischen Folgen dieser neue Zweig der Wirtschaft hat. Es entsteht ein neuer Begriff von Freiheit und Herrschaft. Der Mensch ist dabei nicht mehr wichtig, sondern nur seine Gene.
Zum Abschluss der Präsentation sang Maren Rahmann Jura Soyfers Lied „Von der Käuflichkeit des Menschen“. Die Künstlerin hat auch eine CD mit Liedern von Jura Soyfer eingespielt.
Christof Mackinger stellt danach sein Buch „Radikale Ökologie“ vor, dass im Unrast-Verlag erschienen ist. Inhaltlich schloss es sich an das erste Buch an, da es darin auch um Gentechnologie geht. Einzelne Konzerne halten Patente auf bestimmte landwirtschaftliche Produkte, z. B. Genmais, und kassieren dann für die Lizenzen hohe Gebühren. Sonst widmet sich das Buch hauptsächlich folgenden drei Punkten:
- Welche Formen der Umweltzerstörung gibt es heute (Status quo)?
- Aktionen gegen Umweltzerstörung (z. B. Sabotage von Genfeldern, Tierbefreiungen)
- Welche Theorien gibt es für eine radikale Ökologie, welche sind brauchbar und welche nicht?
Das Buch bietet einen Überblick über das Thema. Es beinhaltet auch Berichte von Aktivisten und Aktivistinnen. Es kommt auch zum Schluss, dass alle ökologischen Probleme auf soziale Probleme zurückzuführen sind.
Nach einer Pause gab es einen kurzen Film. Gregorz Kielawski und Alexander Bayer präsentierten den Film „AUFFASSUNG. Was außerhalb passiert.“ Viele Personen in U-Bahnstationen wurden gefragt, sie lesen Heute? Es gab erstaunliche Antworten. Die Menschen wollen nur kurze und positive Nachrichten hören.
Zum Abschluss gab es erste Auszüge aus Robert Foltins Buch „Die Rote Garde in Wien“. Das Buch wird erst im nächsten Jahr erscheinen. Es ist die Fortsetzung des Romans „Herbst 1918“ und erzählt die Geschichte mehrerer Arbeiter, die aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehren und sich mit ihren Frauen linken Bewegungen anschließen. Er endet damit, dass am 1. November 1918 die „Rote Garde“ gegründet wird, um das Proletariat zu schützen. Am 12. November kam es bei einer Demonstration vor dem Parlament eine Schießerei.
In dem zweiten Band erzählt Robert Foltin, wie es weitergeht. In dem Buch kommen erfundene, aber auch historisch relevante Personen vor, wie z. B. der Anarchist Leo Rothziegel, über den es es von Peter Haumer eine kurze Biographie gibt. Robert Foltin und Martin Pirker lasen die ersten fertiggestellten Passagen sehr engagiert und anregend vor.
Es war ein langer, sehr schön organisierter und interessanter Abend in der Librería Utopía.
Titelbild: Wandersmann / pixelio.de