Foto: Reste des Grenzzauns bei Čížov, an der tschechisch-österreichischen Grenze (gemeinfrei)

Grenzzaun_Cizov_CzechRepEin Kommentar von Tibor Zenker

Wieder einmal rächt es sich für Österreich, den Ersten Weltkrieg so schmählich und schmachvoll verloren zu haben. Da nun, nicht ganz 100 Jahre später, die Grenzen nicht mehr bis ans Mittelmeer reichen, ja ausschließlich Landgrenzen sind, fällt die natürliche Barriere eines 2,5 Millionen km² großen und bis zu 5.200 m tiefen, mit Wasser gefüllten Burggrabens weg. Nur wenige Eindringlinge ertrinken ordnungsgemäß in der Mur, in der March oder im Neusiedler See, zu viele österreichische Grenzen sind überhaupt gänzlich unbewässert. Es braucht Abhilfe, denn wo die Natur auslässt, benötigen Menschen Maßnahmen baulicher Natur.

SPÖ und ÖVP, ihres Zeichens auf Bundesebene die Regierungsparteien, übernehmen Verantwortung und lassen einen Zaun errichten. Fürs Erste nur 3,7 km beim steirischen Spielfeld, bei Bedarf auf 25 km auszudehnen – einstweilen verlässt man sich auf vorgelagerte slowenische Barrieren. Das gilt auch für die Art des Zaunes: Zunächst begnügt man sich mit einem 2 m hohen Maschendrahtzaun. Das ganze Projekt kostet 2 Millionen Euro (Wie viele Flüchtlingsunterkünfte wären damit wohl zu finanzieren gewesen?). Wenn der Maschendraht nicht reicht, so die Regierung, dann kommt doch der Stacheldraht zum Einsatz, der dessen bereits harrt: Es handelt sich um den berüchtigten NATO-Draht, mit Rollen von 1 m Durchmesser und mit scharfen Klingen – nicht einfach mit kurzen Stacheln, wie im „Privatgebrauch“ –, die 6 cm lang sind und auch als Widerhaken fungieren. Rund um die nordafrikanischen Exklaven der EU bzw. Spaniens (wieso gibt’s die eigentlich immer noch?) funktioniert das schon seit Jahren super: So mancher Afrikaner war hier nicht nur am Ende seiner Flucht, sondern auch seines Lebens.

Jetzt könnte man natürlich sagen: Gut, dass es die österreichische Sozialdemokratie gibt. Noch besser, dass die SPÖ in der Regierung ist. Wieder hat sie das Schlimmste – zumindest vorerst – verhindert, aber das ist ja auch ihre ureigenste Aufgabe, schließlich wird sich ja nur als „kleineres Übel“ immer wieder doch noch gewählt. Und daher: Jene tausenden Menschen, darunter viele Kinder, die aus syrischen, irakischen, kurdischen, afghanischen, afrikanischen Kriegsgebieten fliehen müssen, stehen an der österreichischen Grenze immerhin „nur“ vor einer lapidaren Einfriedung, laut SPÖ ein Zaun, der nicht einmal ein Zaun ist, sondern nur ein „geordnetes Leitsystem“. Ahja. Links und rechts davon sorgen Soldaten und Polizisten für, ähm, Umleitung in der Unordnung. Sozialdemokratische Grenzzäune haben ja immer auch Türen, durch die man durchgehen kann, sofern sie aufgesperrt werden. Halb so wild also. Kreisky mag der Sonnenkönig gewesen sein, Faymann ist wohl ein – seit Äsop als besonders listig bekannter – Zaunkönig.

Wer das nur für ein fabelhaftes Märchen hält, weil’s allzu unglaublich klingt, braucht nur ein bissel genauer hinschauen. Die SPÖ feiert bloß solange die angebliche österreichische „Willkommenskultur“ gegenüber Flüchtlingen, wie diese schnurstracks weiter nach Deutschland reisen, also letztlich abgeschoben werden können. Die SPÖ liebt durchreisende Flüchtlinge, bleiben soll aber bitte möglichst niemand in Österreich. Da ist Schluss mit Menschlichkeit und Menschenrechten, auch mit der harschen Orban-Kritik. Die SPÖ, die im Burgenland und neuerdings auch in Linz mit der FPÖ koaliert, ist halt doch nicht so anders – und keineswegs kann man sich immer nur an Mikl-Leitner abputzen, wenn man den Bundeskanzler stellt und Ministerratsbeschlüsse einstimmig zu fällen sind. Wenngleich, da sind sich alle SPÖ-Funktionäre gewiss sicher, ohne den mäßigenden SPÖ-Einfluss die ÖVP an der Grenze bestimmt gleich eine Mauer errichtet und die FPÖ Selbstschussanlagen installiert hätte. Eh klar.

Und wer nun glaubt, die Errichtung von Zäunen und Ähnlichem in Österreich, Slowenien, Ungarn, Deutschland etc. untergrabe die große, gemeinsame, humanistische und kosmopolitische „europäische Idee“, irrt sich um 180 Grad. Denn genau das ist die EUropäische Idee: Die EU ist ein imperialistischer, wirtschaftlicher, z.T. militärischer und zunehmend politischer Block, der sich v.a. durch eines definiert, nämlich durch die Abgrenzung nach außen. Dass dies irgendwann auch durch bauliche Maßnahmen unterstrichen wird, ist nur konsequent.

Die Botschaft ist aber immer die gleiche: Wir sind wir – und die anderen, ausgenommen jene Anzahl, die zur kapitalistischen Maximalausbeutung benötigt wird, sind nicht willkommen. Egal, ob diese nun vor Krieg und Terror oder bloß vor Hunger und Arbeitslosigkeit fliehen. So baut man die Festung EU: Mit dem inszenierten Bedrohungsszenario und Kulturenkampf, um die eigene Bevölkerung abzulenken, mit weiteren imperialistischen Interventionen und Kriegen, um die asiatischen und afrikanischen Horden niederzuhalten, mit Abschreckung und Aussperrung, wenn diese Opfer der EU- und US-Politik bei uns an die Zauntür klopfen. Mit 3700×2 m Maschendraht leistet die SPÖ – nachdem sie seit Jahren ohnedies für unmenschliche Asyl- und Fremdengesetze und dazugehörige FPÖ-artige Realpolitik sorgt – ihren kleinen, ersten Beitrag zur Errichtung des deutsch-europäischen Südostwalls. Und doch sind es am Ende nicht die Asiaten und Afrikaner, die ausgesperrt werden, sondern nur die Europäer, die sich selbst einsperren. Insofern steht die SPÖ nicht nur auf der falschen Seite des Zauns, sondern, wenn sich die Unterdrückten und Ausgebeuteten der Erde organisiert gegen das imperialistische EU- und Kapitalregime erheben werden – und das werden sie mit Sicherheit – auch auf der falschen Seite der revolutionären Barrikaden.

Foto: Reste des Grenzzauns bei Čížov, an der tschechisch-österreichischen Grenze (gemeinfrei)

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