[3K – Massenmedien am Montag: Folge 43]
sehr geehrte Intendanzen,
wenn Ihnen daran liegt, dass künftige Geburtstage Ihrer Anstalt misslingen, sind Sie herzlich eingeladen, von den Erfahrungen des ORF zu zehren.
Es macht Sinn, die Jubelei zu verschieben, vor allem, wenn der einstige Sendestart in den Sommer fällt. Denken Sie daran, Personen der Fernsehgeschichte einzuladen. Engagieren Sie einstmals beliebte AnsagerInnen. Nutzen Sie das Web 2.0! Rufen Sie das Publikum zum Teilen und Verlinken auf, verlangen Sie Katzenfotos und Videos.
Der Kanal, der Geburtstag hat, darf keineswegs überstrapaziert werden. Wo kommen wir hin, wenn das Programmschema durchbrochen wird? Sie wollen kaum das Potenzial nutzen, welches das stärkste Massenmedium des Landes bietet, noch möchten Sie so subversiv sein wie Moritz Bleibtreu in Free Rainer. Nein, Sie kümmert Ihre inhaltliche Vormacht ein Dreck. Das ist cool und funktioniert folgendermaßen.
Lassen Sie spannende Sondersendungen produzieren, die sich beispielsweise um Serien drehen. Diese Serien sollten alte Eigenproduktionen sein, an die „goldenen Zeiten“ Ihrer Unterhaltungsindustrie erinnern. Gleichzeitig sind in Ihrem Unterhaltungssender tagsüber fast ausschließlich US-Serien auszustrahlen.
Zeigen Sie auch solche Aufnahmen, die nicht originär Ihrem Hause entstammen, sondern aus dem Ausland kamen und über Ihren Äther liefen. Bringen Sie Sporterinnerungen, in denen man nicht oft genug schwelgen kann. Anschließend – und das ist besonders wichtig – verbannen Sie diese Sondersendungen in die Nacht, wenn weder normale PensionistInnen noch die Mehrheitsbevölkerung Ihr Programm sehen. Verkaufen Sie diese Formate als exklusive, nicht in Ihrer Mediathek verfügbare Lange Nächte. So machen Sie es rechten Spinnern (und ehrlichen Fans) extrem einfach, nach dem Sinn von Rundfunkbeiträgen und Medienförderungen zu fragen.
Reicht Ihnen nicht? Passen Sie die Primetime an. Doch wehe, Hollywoodstreifen und Fußballübertragungen leiden darunter. Ihr größtes, zentrales Studio sollte seichte Mischformate produzieren, die niemandem im Gedächtnis bleiben. Dem hierfür benötigten Moderationsteam muss ein 43jähriger Zyniker in hippem Gewand angehören. Außerdem empfiehlt sich eine 43 Kilo schwere Diva mit Glitzertop. Sie wirke äußerst desinteressiert, schmerzlich gelangweilt und zerstreut. Derartiges Personal ist in Werbefilmen für Sammelalben und bei privaten Musiksendern zuhauf vorhanden. Die Mischformate sind in mehreren Folgen mit jeweils anderem Schwerpunkt zu drehen. Prominente aus den Kategorien Parkring-Premium bis pannonische Provinz erhöhen die Quote. Alberne Puzzles helfen auch.
Befolgen Sie diese Ratschläge, ist eine rasche Rückkehr zur kommerziellen Tagesordnung garantiert. Sollten Sie wider Erwarten Erfolg mit dem Jubiläum haben, genießen Sie den Candystorm. Lästige Fragen zu Geschichte und Qualität können Sie billigen Externen überlassen. Dazu zählen solch ewig nörgelige Neider wie Medienkolumnen oder die Wissenschaft.
Fotos: imbecillsallad auf flickr – Smashed tv-set on the pavement (Lizenz: CC BY 2.0)
Paul Townsend auf flickr – TV Shows We Used To Watch – 1955 Television advertising (Lizenz: CC BY-SA 2.0)