Ja, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind durchschnittlich schlechter in der Schule. Aber ist wirklich die Herkunft der Grund?
Asylkalender, 16. Dezember 2015.
„Gehst du Schule oder gemma Lugner?“ – Die als „Türkendeutsch“ oder „Ghettoslang“ bezeichnete Sprache mit – sagen wir mal – vereinfachter Grammatik ist weit verbreitet und deutet auf ein mangelndes Bildungsniveau hin. Obwohl dieser „Ethnolekt“ durch den Einfluss migrantischer Jugendlicher entstanden ist, da er ähnlich wie die türkische Grammatik auf Artikel und Präpositionen verzichtet, gilt der Slang auch bei jungen Menschen ohne Migrationshintergrund als cool. Selbst in manchen Lehrerzimmern hört man Sätze wie „Ich geh Kopierer“.
Machen Ausländerkinder also „unser Deutsch“ und darüber hinaus „unsere Schulen“ kaputt? Sind Migranten grundsätzlich weniger gebildet als wir?
Nina Horaczek und Sebastian Wiese belegen in ihrem Buch „Gegen Vorurteile“, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zwar „tendenziell eine schlechtere Schulausbildung und weniger oft einen Berufsabschluss“ haben, dies sei aber die Folge verschiedener Faktoren.
Eine Ende November veröffentlichten Studie der Statistik Austria zeigt, dass im Ausland geborene Personen eine geringere Bildungsmobilität aufweisen als gebürtige Österreicherinnen und Österreicher. Hatten beide Elternteile lediglich einen Pflichtschulabschluss, so verfügten 22,5% der in Österreich geborenen Nachkommen ebenfalls über keine höhere formale Qualifikation, allerdings beinahe die Hälfte (49,2%) der im Ausland geborenen Kinder, wobei letztere öfter die Bildung ihrer Eltern erreichten als im Inland Geborene (Geburtsland Österreich: 57,8%, Nicht-Österreich: 60,7%).
Selbige Studie für das Jahr 2014 macht auch deutlich, dass Zugewanderte ihre Ausbildung öfter abbrechen. Bei im Ausland geborenen 15- bis 34-Jährigen standen dabei aber finanzielle Gründe (22,9%) im Vordergrund, gefolgt von familiären Verpflichtungen (20,1%) sowie anderen Interessen (20,2%).
Hier wird bereits deutlich, warum das Vorurteil von den „dummen Ausländerkindern“ nicht stimmen kann. Horaczek und Wiese beschreiben 5 zentrale Punkte, warum sich einige im Bildungssystem schwerer tun, als andere:
- Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener den Kindergarten als einheimische Kinder. Dies hat sowohl kulturelle als auch finanzielle Gründe und liegt vor allem am niedrigeren Bildungsgrad der Eltern. In Österreich schicken 84 Prozent der Akademiker ihre Kinder in Krippen und Kindergärten, aber nur 33 Prozent der Eltern mit Pflichtschulabschluss.
- Bildung wird vererbt. Kinder aus einer Arbeiterfamilie werden seltener aufs Gymnasium geschickt, auch wenn sie die gleichen Noten wie Mitschüler mit höhergebildeten Eltern haben.
- Unser Schulsystem ist schlecht und zwingt dazu, dass die Eltern zu Hause mit ihren Kindern lernen oder ihre Kinder in teuren Nachhilfeunterricht schicken. „Eltern mit Migrationshintergrund und niedriger Bildung fehlen dazu aber die sprachlichen und finanziellen Möglichkeiten“, so Horaczek/Wiese.
- LehrerInnen benoten manchmal ungerecht. Kinder aus Akademikerhaushalten und „echte Österreicher“ werden tendenziell bevorzugt, obwohl ihre Leistungen nicht besser sind.
- Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien besuchen die schlechteren Schulen. Akademikerkinder bleiben in den besseren (Privat-)Schulen unter sich.
Dies alles zeigt, dass schlechte Bildung keine ethnische, sondern eine soziale Frage ist. Im Übrigen liegt in Österreich die Akademikerquote bei den 25- bis 64-jährigen Migranten bei 18,6 Prozent, bei den Österreichern ohne Migrationshintergrund knapp darunter bei 18,4 Prozent.
Text und Grafik: Michael Wögerer
Foto: gemeinfrei
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