Interview mit Stefan Ohrhallinger zur selbstverwalteten „Gstätten“ am Wiener Nordbahnhof
Von Armin Jabbari
Seit geraumer Zeit hat sich in der Wiener Leopoldstadt ein Freiraum entwickelt, der maßgeblich von der Skater-Szene aber auch von Grätzl-BewohnerInnen mitgetragen und gestaltet wird. Entstanden ist das Projekt, nachdem die ÖBB, die Stadt Wien und der beteiligte Skate-Verein ALM DIY sich einigten, den Platz legal zu nutzen. Nun soll es plötzlich vorbei sein: Der selbstgestaltete Platz soll einem Lagerplatz weichen, ÖBB und der SPÖ-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora wollen den demokratisch verwalteten Platz vom Grätzl fegen. Unsere Zeitung sprach mit dem Aktivisten Stefan Ohrhallinger
Herr Ohrhallinger, Sie veranstalten am 18.3. ein Fest für Freiräume. Weshalb ist das notwendig?
Der selbstgestaltete Platz ALM DIY am Nordbahnhof muss per 31.3. abgerissen und der Eigentümerin ÖBB übergeben werden, was den mietenden Verein 15.000 Euro kosten wird. Seit Ende Februar, dem Auslaufen des einjährigen befristeten Mietvertrags kämpfen wir – die Initiativen, die den Platz gestalten – für eine verlängerte Nutzung, da der Teil des Nordbahnhofgeländes ja der Stadt Wien und damit der Bevölkerung zur Nutzung übergeben werden soll. Ursprünglich hätte dies bereits der Fall sein sollen und die Skaterrampen wurden von den Skatern in gutem Glauben daran errichtet, dass der Platz bleiben könnte.
Was ist ALM DIY? Ein Skateverein?
ALM DIY ist ein Verein, der von Skatern gegründet wurde, damit sie diesen Platz in der „Freien Mitte“ mieten und damit legal Skaterrampen betonieren konnten. Der Platz wurde in einem Beteiligungsverfahren der ÖBB und Stadt Wien am ehemaligen Nordbahnhofgelände, gemäß Leitbild 2014, als unbebauter Teil des Geländes festgelegt, ermöglicht durch eine höhere Verdichtung der Wohnbauten an seinen Rändern. Ein früheres Projekt derselben Leute wurde von den ÖBB abgerissen. ALM DIY im weiteren Sinn sind aber auch viele andere Menschen und Initiativen, die diesen Freiraum entdeckt haben und nutzen.
Wie ist das Projekt beim Nordbahngelände entstanden? Worum ging’s da?
Zuerst entstanden Skaterrampen, dann kamen Gemeinschaftsgärten hinzu, es wurden Sportgeräte angelegt, eine Hütte, Sitzgelegenheiten ein Grill und ein Baumhaus gebaut… und es gibt noch viele weitere Ideen, diesen Platz zu gestalten, so wie auch immer mehr Menschen den Platz besuchten und anfingen, ihn selbst zu gestalten. Der Platz ist zwar in der Gstättn nicht leicht zu finden, aber wer ihn mal entdeckt hatte, war begeistert, von dem was dort bisher aufgebaut wurde und von der Atmosphäre, die der Platz bietet. Alles wurde do-it-yourself (DIY) gestaltet und gleichzeitig wirkt die Gstättn rundherum, sodass man sich wie in einer ländlichen Idylle fühlt, mitten in der dichtbesiedelten Stadt.
Hat sich die ÖBB bisher auf Gespräche eingelassen?
Bisher noch nicht. Nachdem es viele Berichte in den Medien gab, hat der Sprecher Christoph Seiss allerdings per Interview in W24 signalisiert, dass die ÖBB zu Gesprächen bereit sei, „wenn Stadt und Bezirk das wollen“. Von der Stadt gibt es seither nur positives Feedback, der Bezirksvorsteher hatte dazu allerdings gesagt: „das Projekt interessiert mich nicht“.
Hat es Interessen seitens der Bezirkspolitik gegeben, das Projekt zu erhalten?
Bei der Bezirksvertretungssitzung am 15.3. brachte Wien Anders gemeinsam mit Grünen und Neos einen Resolutionsantrag ein, der „diese Zwischennutzung weiter befürwortet, solange sie der weiteren Entwicklung des Gebiets nicht im Wege steht.“
Der Antrag wurde von den Fraktionen SP, FP und VP abgelehnt. Die SP hätte die Mehrheit dafür beschaffen können, es wäre ihre Chance gewesen, den Menschen zuzuhören, was sie wollen – wie nach den Wahlen mit der Grätzl-Initiative groß angekündigt. Der Bezirk hätte eine Gestaltung dieses Freiraums nach den Bedürfnissen der BenutzerInnen – noch dazu gratis – erhalten und erweitern können.
Stattdessen argumentierte die SP mit Scheinargumenten: „der Bau des Schulcampus könnte verzögert werden“ – wie denn, bei monatlicher Kündigung? -, „die Wechselkröten würden auf dieser Fläche angesiedelt“ – natürlich, genau auf den 2 Prozent der Fläche, die asphaltiert sind -, „eine Baustraße wird durch das Gebiet gebaut“ – die muss, falls überhaupt notwendig, natürlich auch genau durch diese 2 Prozent führen.
Falls der Raum tatsächlich einem Lagerplatz weichen sollte – Werden sie auf andere Mittel wie Demonstrationen, einer Raumbesetzung etc. setzen?
Als offizieller Lagerplatz wird der Platz von den ÖBB ja nicht benötigt, es wurden bisher und werden immer noch illegale Müllablagerungen durchgeführt, wie wir leider selbst beobachten konnten.
Das Fest am Freitag, 18.3., wird bereits eine Demonstration dafür sein, wieviele Menschen den Platz nutzen wollen und nicht akzeptieren, dass in einer Demokratie einige wenige über die Köpfe der Menschen hinweg über ihre Bedürfnisse entscheiden können.
Als effektivste Demonstration sehen wir eine permanente Benutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums, der uns allen gehört. Dies wurde am Nordbahngelände bereits vor der Errichtung des Mietvertrags gemacht. Wir wissen noch nicht genau, wie wir nach einem Abriss weitermachen, aber wir hoffen, beim Fest so viele Menschen zu mobilisieren und zum Träumen und Nachdenken anzuregen, dass die Selbstbestimmung und Selbstgestaltung unseres Raums nicht mehr aufzuhalten ist.
Veranstaltungshinweis:
„Fest für Freiräume“
Freitag, 18. März, ab 15 Uhr
Innstraße 16, 1020 Wien
Fotos: ALM DIY (fb)