Eine Bühne für Ideen, die die Welt zum Positiven verändern könnten

Interview mit Vlad Gozman, Gründer und Kurator von TEDxVienna

TED Konferenzen liefern wissenschaftliche Vorträge in maximal 18 Minuten. “Ideas worth spreading” ist das Motto. Es geht nicht darum, ein Thema tief und allumfassend zu beleuchten, sondern, dass SpezialistInnen auf bestimmten Gebieten interessierten Menschen einen Einblick geben und sie dazu motivieren, sich mit dem Thema weiter auseinander zu setzen. TED steht dabei für Technology, Entertainment und Design.

tedx_viennaTEDxVienna wurde 2010 mit einem Team von 5 Leuten das erste Mal im Studio 44 mit 100 BesucherInnen veranstaltet. Heute hat TEDxVienna 60 Teammitglieder, die das ganze Jahr über mitarbeiten. Das Hauptevent füllt das Volkstheater mit gut 1000 BesucherInnen, dabei sind 100 freiwillige HelferInnen im Einsatz. Neben dem tagesfüllenden TEDx im Oktober im Volkstheater gibt es noch ein bis zwei Salon-Konferenzen zu speziellen Themen. Am 6. Mai findet das nächste TEDxVienna unter dem Motto „The Future Of Intimacy“ statt. Wir haben mit dem Gründer und Kurator Vlad Gozman gesprochen:

Was hat dich dazu bewogen TEDxVienna zu gründen?

Ich bin gebürtiger Rumäne und bin Anfang 2010 nach Wien gekommen. Ich hatte in Rumänien schon zwei Firmen gegründet und war auf der Suche nach einem neuen Projekt, bei dem der kommerzielle Erfolg nicht im Vordergrund stehen muss. Als großer TED Fan kam es mir recht, dass TED gerade damit begonnen hatte Lizenzen für lokale TEDx Veranstaltungen zu vergeben. Also hab ich mich um eine Lizenz beworben und tatsächlich eine bekommen. Dann stand ich da mit einer TEDxVienna Lizenz aber ohne Plan, ohne Team und ohne Netzwerk in Wien. Ich hab dann mal eine Homepage, eine Facebook-Page und einen Twitter-Account aufgesetzt und so getan als ob schon ein großes Team dahinter steckt und es jetzt noch kurz die Chance gäbe sich aktiv daran zu beteiligen. Ich hab schon ziemlich hoch gepokert. Letztlich habe ich fünf andere TED-Fans gefunden und zusammen haben wir das erste TEDxVienna im Studio 44 mit 100 BesucherInnen veranstaltet.

Wie funktioniert das mit den TEDx Lizenzen und der Zusammenarbeit mit der Mutterorganisation?

vlad_gozmanTED vergibt Lizenzen unter strengen Auflagen für jeweils nur ein Event. Du musst für jedes Event neu ansuchen und begründen, was du vor hast und welche Themen du behandeln willst. Die Regeln betreffen das Branding und die Qualität der Speaker. Es müssen alle Talks auf dem offiziellen Youtube-Kanal veröffentlicht werden. Ein Sponsor darf nicht sprechen und nicht mal einen Speaker nominieren. Als Sponsor sind etwa auch Tabakfirmen oder Waffenproduzenten ausgeschlossen. Aber ansonsten ist man sehr unabhängig. Es fließt auch kein Geld – in keine Richtung. Es gibt aber eine internationale TEDx Community in der es einen regen Austausch gibt.

Wie kann ich mir die Arbeit des TEDx Teams vorstellen?

Wir sind ein Team von circa 60 Personen, die das ganze Jahr über in verschiedenen Bereichen ihren Beitrag leisten, zum Beispiel in der Social Media Abteilung oder im Blog, wo regelmäßige Beiträge publiziert werden – quasi sowas wie schriftliche TEDx Talks. Jeder Blogger soll einen Beitrag pro Monat schreiben. Die Leute gehen raus, machen Interviews, berichten über spezifische Projekte. So hatten wir zum Beispiel einen Beitrag über Kochen mit Flüchtlingen in Traiskirchen, das dann auch von der UNHCR geteilt wurde. Die Arbeit erfolgt ehrenamtlich – es wird niemand bezahlt.

Wie kommt ihr zu den Themen und den Speakern?

Wir haben im Team Brainstorming-Sitzungen, wälzen Ideen und diskutieren diese. Anschließend stimmen wir über die besten drei ab. Mit diesen drei Ideen gehen dann meine Co-Kuratorin Reka Artner und ich ins stille Kämmerlein und suchen dann das endgültige Thema raus. Es gibt auf unserer Homepage die Möglichkeit Speaker vorzuschlagen, aber den Großteil der Speaker suchen wir in internen Diskussionen aus. Ein eigenes Team ist dann damit beschäftigt diese potentiellen SpeakerInnen zu kontaktieren und zu überzeugen bei uns zu sprechen.

Wie schwierig ist es Koryphäen wie zb. Carl Djerassi (anm. Erfinder der Anti-Babypille) zu bekommen?

Ja, das ist nicht so einfach. Wir waren über ein Jahr mit ihm im Kontakt bis er es sich einteilen konnte und er zu uns kam. Ich bin schon stolz darauf zu sagen, dass er nicht zufällig in Wien war und bei uns einen Talk gehalten hat sondern, dass wir der ausschlaggebende Grund waren nach Wien zu kommen.

Du führst im Vorfeld mit allen Speakern persönliche Gespräche und „coacht“ sie für ihren Auftritt. Ist es überhaupt möglich Menschen wie Carl Djerassi oder die Radioastronmin Jocelyn Bell Burnell Tipps zu geben?

Vlad_TED (5)Diese Menschen sind es gewohnt vor großem Publikum zu sprechen oder Vorlesungen in großen Universitäten zu halten. Aber meist ist das ein Fachpublikum und sie haben Stunden Zeit für ihre Vorträge. TED ist doch anders. Du hast nur 18 Minuten um deine Punkte an das Publikum zu bringen, und dieses ist noch dazu kein Fachpublikum sondern sind interessierte Menschen mit den unterschiedlichsten Wissensstand zu dem Thema. Das ist für viele dann doch etwas Neues.
Ich weiß aber auch, dass es eine unglaubliche Ehre für mich ist, mit Personen wie Carl Djerassi oder Auma Obama (Anm. Halbschwester von US Präsidenten Barack Obama) im engen Kontakt zu stehen und sie coachen zu dürfen. Das ist großartig! Ich durfte im Anschluss an die TEDx Konferenz 2014 noch mit Carl Djerassi, diesem großartigem Wissenschaftler und Philosophen, über Gott und die Welt philosophieren.

Machst du das hauptberuflich?

Nein, ich mach das auch nur nebenbei. Wobei „nebenbei“ ist gut. Es ist eh schon fast ein Zweitjob. Gerade rund um die Events ist natürlich sehr viel zu tun, im Rest des Jahres dann eher weniger. Übers Jahr gerechnet investiere ich wohl so um die 10 Stunden wöchentlich.
Hauptberuflich habe ich erst kürzlich wieder ein Start up mitgegründet, das sich mit Advertising in Virtual Reality Umgebungen beschäftigt. Zudem bin ich Mitgründer bei AustrianStartups und Adverity GmbH.
Mir ist aufgefallen, dass ihr – im Gegensatz zu anderen Vortragsreihen – ein ziemlich ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen SprecherInnen habt. Passiert das oder nehmt ihr darauf Rücksicht?
Nein, das passiert nicht einfach so, darauf nehmen wir schon Rücksicht in der Planung und diese Ausgeglichenheit ist uns auch wichtig. Wir stellen auch fest, dass es einfacher ist Männer als Speaker zu gewinnen als Frauen. Frauen überlegen viel länger bis sie zusagen und hinterfragen häufiger ob ihr Thema überhaupt passend ist. Es gibt auch wesentlich mehr Männer, die sich selbst bewerben. Unsere nächste Konferenz hat mehr weibliche SpeakerInnen als männliche. Darauf sind wir stolz.

In eurem Team sind Frauen sogar in der großen Überzahl. Laut Homepage 45:22. Wie erklärst du das?

Das ist in der Tat interessant. Dafür habe ich keine große Erklärung. Vermutlich liegt es daran, dass sich Frauen eher ehrenamtlich engagieren als Männer.

Wirkt sich das auch auf das Publikum aus? Wie sieht das aus?

Es sind auch im Publikum ab und zu leicht mehr Frauen als Männer vertreten, doch das variiert von Event zu Event. In der großen Mehrzahl sind sie zwischen 25 und 45 Jahren. Es sind wohl Leute die Inspiration und Motivation suchen, sei es beruflich oder privat. Leute die einen Informationsgewinn erwarten und am Puls der Zeit sein möchten und Anreize suchen, um sich in das eine oder andere Thema zu vertiefen. Die meisten BesucherInnen dürften einen wirtschaftlichen oder technischen Ausbildungshintergrund haben.

TED kämpft immer wieder mit dem Vorwurf elitär zu sein. Auf der einen Seite will TED Wissen teilen hat aber hohe Eintrittspreise und ist damit wieder eine Hürde. Wie siehst du das?

tedx_vienna_logoIch verstehe es und ich glaube man muss eine klare Unterscheidung machen zwischen TED und TEDx und dann nochmal zu TEDxVienna. Die Haupt TED Konferenz hat Eintrittspreise von 8.500 US-Dollar Es ist zwar eine Woche lang aber immerhin. Und nicht nur das, du musst dich bewerben und selektiert werden um überhaupt ein Ticket zu erlangen. Dementsprechend ist es elitär. Aber TED stellt Talks frei online zur Verfügung. So gesehen ist der Zugang zu Wissen nicht blockiert.
Der Unterschied zu TEDx ist, dass er hier eine Vorgabe von TED gibt, dass man maximal 250 Dollar pro Ticket verlangen darf. Wir haben soviel nie verlangt. Unser Höchstpreis war letztes Jahr 150 Euro. Das war aber nur für die letzten 50 Tickets. Wir haben gestaffelte Preise – je früher desto günstiger und wir haben StudentInnentickets. Bei uns ist aber auch Verpflegung inkludiert. Getränke, Finger Food und Mittags ein warmes Buffet. Im Vergleich zu Konferenzen, die thematisch nahe sind und auch ähnlich viele internationale Speaker haben, sind wir preislich unter allen anderen Konferenzen in Österreich.
Wir wollen kostendeckend sein. Der Hauptteil des Budgets kommt von den Ticketverkäufen. Wie veröffentlichen im Anschluss auch alle Talks als Video. Die werden auch nochmal von TED reviewed und es kann passieren, dass sie manche Talks runter nehmen. Bei uns ist das zwar noch nie passiert aber ich kenne einen Fall wo der Talk eines Impfgegners wegen Pseudowissenschaftlichkeit nicht veröffentlicht wurde. Das widerspricht dann halt den Qualitätsstandards von TED.
Man kann also vielleicht sagen, dass TED vor Ort zu einem gewissen Grad elitär ist. Jedoch glaube ich stark daran, dass TED zur globalen Wissensvermittlung beiträgt. TED will Ideen, die die Welt zum Positiven verändern könnten, eine Bühne bieten und deswegen kann man schwer sagen, dass es Hürden zur Wissensvermittlung aufstellt. Ich glaube, dass TEDxVienna für viele leicht zugänglich ist. Ich will StudentInnen dort haben und ein breit gemischtes Publikum. Ich will nicht die Mächtigen Wiens dort haben. Ja, vielleicht schon, aber sie sollen dort mit Leuten zusammenkommen, mit denen sie sonst keinen Kontakt haben.

Du bist sowohl als TEDx Veranstalter als auch als Unternehmer am Puls der Zeit. Was sind deiner Meinung nach die großen technischen Errungenschaften der letzten Jahre die das Zeug haben die nächsten 150 Jahre zu prägen?

Da ist auf der einen Seite die Gentechnologie, die gar nicht so sehr in den großen Medien behandelt wird. Die CRISPR-Technologie hat zum Beispiel das Potential die Welt zu verändern. Eine Technik mit der man fast wie mit Cut & Paste Änderungen in der DNS durchführen kann und somit zb. Organismen immunisieren kann. Das wird völlig neue Wege bei Medikamenten und Behandlungen von Krankheiten eröffnen. Es öffnet die Möglichkeit für Designer-Babies inklusive der Möglichkeit sogar die Intelligenz zu beeinflussen, was natürlich viele ethische Fragen aufwirft.
Dann hat auch noch die Forschung an künstlicher Intelligenz bahnbrechende Ergebnisse hervorgebracht. Fortschritte im Bereich künstliche neuronale Netze. Man denke an DeepMind und AlphaGo. Das ist schon ein beeindruckender Fortschritt zu beobachten.

Ist das jetzt positiv oder negativ?

Vlad_TED_interviewDas kann man so einfach nicht sagen. Ich bin kein Techno-Optimist und denke nicht, dass Technologie alles besser machen kann. Jede Technologie hat natürlich auch das Potential schädlich zu wirken.
Der Arbeitsmarkt wird sich natürlich die nächsten Jahre stark verändern. Es wird viel mehr automatisierbar werden, als wir uns heute vorstellen können. Auch im journalistischen Bereich. So gibt es etwa die Firma Narrativ Science die eine Art künstliche Intelligenz entwickelt hat die Artikel schreiben kann – und das wird ständig besser.

Die Science Fiction Filme der letzten 15 Jahre zeichnen ein sehr düsteres Bild der Zukunft. Wie siehst du das? Sind unsere Kinder dazu verdammt in einer Mad-Max-Welt zu leben?

Man sollte unterscheiden zwischen aktuellen Events und längerfristigen Entwicklung. Manchmal muss man vielleicht in eine Vogelperspektive gehen und sich von kleineren Events abkoppeln. Es ist ja nicht so, dass alles schlechter wird. Ich habe gerade Steven Pinker gelesen. Der hat eine Studie gemacht zur Verbreitung von Gewalt in den letzten Jahrhunderten und er kommt zu dem Schluss, dass diese deutlich im Abnehmen ist. Vor allem Gewalt in zwischenmenschlichen, persönlichen Beziehungen. Da hat sich etwas gewaltig verändert.
Aber wenn ich mir natürlich ansehe wie es möglich ist, dass ein Mensch wie Donald Trump in den Umfragen vorne liegt und die Möglichkeit besteht, dass er der Präsident der stärksten Militärmacht wird, macht mir das natürlich Sorgen.
Aber um das auszugleichen lese ich dann so Sachen wie Steven Pinker. Bei allen Herausforderungen und Problemen – die Mad-Max-Zukunft sehe ich eher nicht auf uns zu kommen.

Das Interview führte Franz Fuchsbauer
Fotos vom Interview: Unsere Zeitung; The Future of Intimacy: © Martina Fischmeister / TEDxVienna ; Logo: TEDxVienna (fb) ; Vlad Gozman / TEDxVienna

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