[3K – Massenmedien am Montag: Folge 65]
Ich surfe sinnlos umeinander. Als sogar die Tageszeitung von Kubas KommunistInnen Prince gedenkt, frage ich mich kurz, ob ich wirklich der einzige Mensch auf dem Planeten bin, dem der Tod des Musikers egal ist. Ich meine, da ertrinken 400 Menschen vor Afrikas Küste; Bilder der Trümmerhaufen in Ecuador gehen über den Äther; die zwei wichtigsten linken Blätter (die junge Welt und dieses) Deutschlands und sogar der britische Telegraph berichten seit Tagen von der furchtbaren, doch nicht wirklich überraschenden gestrigen Wahl; Anna Thalhammer bringt das lesenswerte Portrait einer kurdischen Syrien-Veteranin; und das Web und die klassischen Medien tun so, als ob sie Prince schon immer geliebt hätten.
Ich zermarter mir das Hirn, komme einfach nicht darauf, welches Medium einst spöttelte, Prince habe sich eben nicht immer selbst erfunden, sondern sei nur zeitgemäßen Trends hinterher. Dieser Tage höre ich immer wieder das genaue Gegenteil – nachdem es jahrelang eher still um diesen Mann war. Ich will das gar nicht bewerten, ich bin nämlich weder großer Kenner noch Fan seiner Musik. Aber sogar mir fällt beim surfen, lauschen und fernsehen auf, dass der Mainstream gerade Purple Rain bringt – wie Ace of Spades und Major Tom beim Tode Lemmys und David Bowies. Hieß es nicht schon damals, es sei jeweils der aller-allerbeste Musiker aller-aller Zeiten verschieden? Warum hat eigentlich niemand Rico Rodriguez und John Bradbury von den Specials medial würdig gedacht, als sie 2015 starben? Wer A Message to You Rudy noch nie gehört hat, soll zu A Brieflos for you and me ertauben. Ja, das Verb gibt es wirklich. VICE Alps, deren AutorInnen gerne alles madig machen, was älter als Wanda ist (Elektronik und „Rap“ ausgenommen) und sich dabei urban fühlen, fassten sich in einer ersten Reaktion zu Prince überraschend kurz.
Der Sensenmann fährt also nicht mehr mit der U-Bahn, um Wiesinger zu finden. Er hat seine Wahlheimat Wien verlassen und tingelt durch die Welt, wo er mit Feuilletonisten zu Kiss die müden Knochen durchrüttelt. Mich verwundert ein Zufall.
Wenige Tage, bevor Prince starb, bestiegen eine Hamburger Gitarristin und eine Londoner Perkussionistin eine S-Bahn in Frankfurt/Main und performten ein starkes Kiss-Cover. In einer S-Bahn in Frankfurt! Wo MusikerInnen schneller rausfliegen, als Saiten ausschwingen. Wegen Frankfurter S-Bahnen und Fahrpreisen gleicht mir Kritik an den Wiener Linien und den ÖBB jener eines verwöhnten Bengels. Wie oft habe ich auf Frankfurter S-Bahnen gewartet, wie oft sind sie ausgefallen? Wie oft habe ich die Nächte in der Stadt durchgemacht, weil kein Nachtbus in meinen Heimatort fuhr? Freund Hein wartete schon oft am selben Gleis, wie hier. Kein Wunder also, dass der zuständige Konzern ausgerechnet einen E-Reader verlost. Irgendwie muss man ja die Zeit überbrücken, wenn eine Infoscreen-Meldung zum x-ten Male vorbeirollt. Wie jene zu Princes Tod. Ich ärgere mich maßlos über diesen Fetisch.