Fluchtursachen bekämpfen – Menschenrechte sichern – Sorgen ernst nehmen. Mit Herz UND Hirn

stockinger_davidEin Gastkommentar von David Stockinger


Seit Monaten dominiert in der innen- wie auch außenpolitischen Debatte die Flüchtlingskrise und der Umgang mit ihr. In Österreich pendelt die Migrations- und Flüchtlingsdebatte zwischen zwei entgegengesetzten Polen: Einerseits ein oft rassistisch verbrämter, von Umvolkungshetze getriebener Pol und andererseits ein zutiefst naiver Pol der oft seinerseits Zuwanderung mit Asyl vermischt und Zuwanderung ohne jegliche Regeln und Regulierung fordert. Die Mehrheit der arbeitenden und arbeitslosen Menschen in unserem Land bleibt in dieser Dynamik mit ihren Ängsten und oft auch berechtigten Sorgen alleine zurückgelassen und das schafft natürlich ein Vakuum für „einfache Antworten“. In diesem Zusammenhang muss man den Menschen auch „reinen Wein“ einschenken!

Man kommt nicht umhin, den Umgang mit der Krise im letzten Jahr kritisch zu beleuchten. Eine kontrollierte Einreise mit Registrierung und lückenloser medizinischer Erstkontrolle hätte von Anfang an etabliert werden müssen. Das ist nämlich im Sinne aller (der Flüchtenden sowie der Bevölkerung) und das wird zurecht auch von einer souveränen Staatlichkeit erwartet. Dass das nicht sofort erfolgt ist, erweckte bei Vielen den Eindruck von Chaos. Gerade der Umgang mit der Stadt Traiskirchen und der im Erstaufnahmelager zusammengepferchten Menschen seitens der Innenministerin trug sinnbildlich zu dieser Situation des Durcheinanders und der Eskalation maßgeblich bei. Hier kann die Initiative und das Engagement von all den Ehrenamtlichen, Rettungsorganisationen, Privatpersonen und der Exekutive gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wären diese nicht gewesen, wäre es zu einer noch größeren humanitären Katastrophe gekommen.

Österreich hat sich auch zu lange deutschen Kapital-Interessen und der Politik Merkels untergeordnet, die ja nicht in erster Linie das Menschenrecht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung im Auge hatte, sondern vielmehr an billigen Arbeitskräften interessiert war, berücksichtigt man, dass die deutsche Industrie die Speerspitze jener Politik der Deregulierung war. Gleichzeitig war gerade Deutschland an der Seite der USA und der anderen NATO-Länder an der fatalen Politik im Nahen Osten beteiligt, die zur Zerstörung der Staaten in dieser Region und zum Krieg geführt hat. Gerade durch eine massive Steigerung des Waffenexports in diese Länder

Was kann und soll Österreich als kleines Land nun tun? Zuallererst gilt es festzustellen: Ursachenbekämpfung und Symptombehandlung können jetzt nur mehr Hand in Hand gehen. Österreich muss alles in seiner Macht Stehende tun um mitzuwirken, den Krieg in Syrien zu beenden und sich auf EU-Ebene für einen Stopp jeglicher Waffenexporte in die Region einzusetzen. Eine selbstbewusste Außenpolitik, die an einer Kreisky’schen Tradition anknüpft müsste einerseits als Vermittler auftreten und andererseits in den Anrainerstaaten wie Libanon und Jordanien die Situation in den dortigen Flüchtlingslagern verbessern, und nach einem Kriegsende den Wiederaufbau unterstützen.

Hierzulande kann und soll die Einreise nur in einer kontrollierten Form (Grenzkontrollen waren und sind generell nichts Böses und Unanständiges) vor sich gehen bzw. muss auch die Möglichkeit, in österreichischen Botschaften im Ausland um Asyl anzusuchen, wie es vor 2001 der Fall war, wieder geschaffen werden. Dies würde auch ein Stück weit der kriminellen Schlepper-Mafia die Grundlagen entziehen. Diese Maßnahmen sind Voraussetzung für eine überschaubare und geordnete Durchsetzung des Menschenrechts auf ein Asylverfahren. Dieses muss gegen jeglichen Vorstoß, es abzuschaffen, verteidigt werden. Und hier ist auch einer der wichtigsten Hebel! Es kann nicht sein, dass ein Asylverfahren mehrere Jahre lang dauert, erst nach Monaten das Erstgespräch bei einem Asylantrag geführt wird. Das ist sowohl dem Asylwerber, wie auch der Bevölkerung nicht zuzumuten. Hier muss qualifiziertes Personal massiv aufgestockt werden um Asylverfahren schnell, gründlich und effizient durchzuführen. Bei positivem Asylbescheid müssen die Voraussetzungen für eine nachhaltige Integration (Sprache, Arbeit, Teilhabe am sozialen Leben) zum Wohl aller Beteiligten geschaffen werden und diese dann aber auch vom Asylberechtigten klar eingefordert werden. Die Unterbringung in kleinen Einheiten für die Dauer des Asylverfahrens ist erfahrungsgemäß Massenunterkünften vorzuziehen. Gerade Schwechat hat hier einen solidarischen und vorbildlichen Beitrag geleistet und Flüchtlingsfamilien, in der Zeit als Traiskirchen aus allen Nähten platzte, von dort aufgenommen und im Stadtgebiet untergebracht. Wenn ein Asylbescheid negativ (für Asyl gibt es objektive international anerkannte Kriterien) ausgeht, muss die Rückführung ordentlich, rasch und human organisiert sein. Hier ist es Aufgabe der österreichischen Außenpolitik Rücknahmeabkommen mit den Staaten zu schließen, mit denen noch keine existieren.

Und einem muss besonders die Sozialdemokratie in Allianz mit der Gewerkschaft ganz entschieden entgegentreten: Der Forderung neoliberaler Kreise und Interessenvertreter der Wirtschaft, dass nun, unter dem Deckmantel der Bewältigung der Flüchtlingskrise, wiedermal unser Sozialstaat demontiert bzw. der Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt intensiviert werden soll. Man bedenke nur die aktuelle Debatte um die Mindestsicherung. Der soziale Zusammenhalt ist durch die neoliberale Wende und die falsche Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise europaweit geschwächt. Mehr soziale Sicherheit ist die Voraussetzung für Integrations- und Inklusionskapazität und sichert Demokratie. Die vielfach von den elitären Kreisen moralisch verachteten „Modernisierungsverlierer“ sind immer breitere Teile in unseren Gesellschaften. Mit oder ohne Flüchtlingskrise ist unser Sozialstaat nur durch eine stärkere Beteiligung der Superreichen und des Großkapitals nachhaltig für die Zukunft zu sichern. Das heißt Kampf für höhere Löhne, gesellschaftliche Umverteilung des Reichtums und Arbeitsplätze für die jungen Menschen!

Dieser Artikel soll zum Nachdenken anregen und ein Beitrag zur weiteren gesellschaftlichen Debatte sein.

David Stockinger ist Vorsitzender der SPÖ Schwechat. Dieser Artikel ist zuerst in „SPÖ Schwechat Aktuell April 2016″ erschienen. Das periodische Infoblatt der Stadtparteiorganisation für jeden Schwechater Haushalt.

Fotos: David Stockinger (fb); Titelbild:  Rettung von Flüchtlingen bei der Einwanderung über das Mittelmeer in die EU durch ein Kriegsschiff. (Irish Defence Forces, flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0)

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