Über die Neuorientierung der Sozialdemokratie bis zur Unkenntlichkeit
Ein Kommentar von Max Sternbauer
Die historischen Leistungen der Sozialdemokratie zu leugnen, ist genauso dämlich wie zu behaupten, Julius Cäsar habe nicht den Rubicon überschritten. Auch wenn es einem nicht gefällt, hat er es doch getan. Das ist eine Feststellung ohne Wertung.
Die Sozialdemokratie einige Schritte nach der Schwelle des 21. Jahrhunderts, hat ein Problem. Eigentlich mehrere, aber die lassen sich schön unter einem summieren. Sie gleicht nämlich einer Kirche, ohne Kruzifix. Was soll das heißen?
Im Laufe ihrer Geschichte, haben sich die großen roten Volksparteien immer weiter von ihrem alten Erbe entfernt. Was nicht weiter schlimm wäre, viele Bewegungen hatten und haben sich von ihren ehrwürdigen Wurzeln weit weit weg begeben. Aber was wäre, wenn der Papst persönlich, vor hunderttausenden Menschen auf dem Petersplatz treten würde. Satelliten brächten seine Worte zu denen, die es sonst verpassen würden. Ein Lichtermeer aus tausenden von Kerzen, Gebete werden gebetet. Plötzlich, müssen die gläubigen Katholiken mit ungläubigen Entsetzen hören, wie der heilige Vater sagt: „Leute, heute hatte ich unter der Dusche eine Erleuchtung. Leute, was machen wir denn hier? Da ist doch Wahnsinn. Wir bauen unser Leben auf einem Buch auf, dass sich Leute vor tausenden von Jahren in der Wüste ausgedacht haben. Ein Typ baut ein ethisches Regelwerk für eine Religion darauf auf, in dem er einen brennenden Dornenbusch zu seinem Berater erklärt. Eine Jungfrau wird schwanger, und bleibt Jungfrau? Ein langhaariger Revoluzzer, wird an ein Kreuz genagelt, stirbt und erwacht dann wieder zum Leben. Das ist das Drehbuch zu einem schlechten Horrorfilm. Also, ich weiß nicht worauf wir alle drauf waren, aber ich sage euch, kommt davon los! Euren Kirchenbeitrag werden wir natürlich wieder zurück erstatten. Kommt gut nach Hause.“
Eine Arbeiterpartei ohne Marx, ist so ähnlich. Man muss jetzt kein Marxist sein, um das zu verstehen. Nehmen wir als weiteres Beispiel, die deutsche Partei FDP. Eine FDP, die Adam Smith sehr tief in die Akten ablegen würde und dann sich zu einer zentralistischen Planwirtschaft bekennt. Trotzdem klebt dann noch, als Eigenverständnis, das Wort liberal auf den Plakaten. Wäre die FDP, dann noch die FDP?
Um weg zu kommen von einem Richtig-Falsch-Schemata, was in dieser Betrachtung niemanden etwas nützt, muss man sich anschauen, was von der Sozialdemokratie noch übrig ist. Oder von der Grundidee. Da war einmal eine gewesen, eine Idee von einem relativen Wohlstand für die arbeitenden Massen. Nur wollte man diesen Wohlstand ohne Revolution erreichen. Das ist wieder ohne Wertigkeit gesagt. Weil, Wege zur Revolution gibt es unter Revolutionstheologen noch astronomisch mehr, als Wege nach Rom.
Dieses System des sozialen Ausgleichs, funktionierte in Europa eine Zeitlang ganz gut. Auch ist es sicher gut drauf hinzuweisen, dass die Neuorientierung der Sozialdemokratie, nach den ganzen Katastrophen die man als Zeuge mitangesehen hat, durchaus zu verstehen ist. Aber leider schoss man sich damit ideologisch selbst ins Knie. Weil die Grundsteine der heutigen metaphysischen Obdachlosigkeit ihrer futuristischen Genossen, mit gelegt worden waren. Das ist faszinierend, wenn man die Geschichte des Bolschewismus damit vergleicht. Man könnte ein Epos, über zwei verfeindete Brüder erzählen. Beide lernten Kungfu oder Karate bei ihrem Meister. Nur auf unterschiedliche Weise. Sie zerstritten sich, welche Kampftechnik die richtige sei und gingen ihre Wege. Die Bolschewiki zogen es vor, den revolutionären Weg zu gehen und stolperten in eine Diktatur hinein, die keine Kompromisse kannte. Die Sozialdemokraten verwässerten eine gute Idee, passten sich immer wieder den zeitlichen Gegebenheiten an, bis nur noch ein paar Forderungen übrig blieben.
Die Roten unserer Tage können keine Antwort geben, weil sie immer wieder ihre eigenen Überzeugungen entsorgen. Ganz ohne Häme, ganz ohne Schalk ist das gesagt. Das ist nur ein Tipp, der an dieser Stelle gegeben wird. Weil irgendwann ist der Punkt erreicht, wann eine politische Bewegung nicht mehr zurück kann und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Und das Grab , schaufelt man sich meistens selber.
Fotos: SPÖ Presse und Kommunikation, (Johannes Zinner; Lizenz: CC BY-SA 2.0)