24 Mannschaften – 1 Ziel: Von 10. Juni bis 10. Juli findet in Frankreich die Fußball-Europameisterschaft statt.
UZ-Sportredakteur Moritz Ettlinger hat im Vorfeld alle 6 Gruppen unter die Lupe genommen und präsentiert euch alle Teams, deren Stars und Trainer im Unsere Zeitung-Teamcheck.
Teil 22: Island (Gruppe F)
Das Team
Die wohl größte Sensation der diesjährigen EM(-Qualifikation) kommt aus dem hohen Norden Europas: Die isländische Fußballnationalmannschaft konnte sich zum allerersten Mal für ein internationales Turnier qualifizieren. Noch nie kamen die Isländer auch nur in die Nähe einer Teilnahme an einer Europa- oder gar Weltmeisterschaft, was, wenn man die Daten des Landes ansieht, wenig verwunderlich ist. Mit einer Fläche von 103.125 km² ist die Vulkaninsel zwar um einiges größer als beispielsweise Österreich (83.879 km²), bei einer Bevölkerungsdichte von 3,2 Menschen/km² und einer Einwohnerzahl von gerade mal rund 330.000 kommt Island aber nicht einmal an Vorarlberg heran (knapp 380.000). Trotzdem ließ man in der Qualifikation Länder wie die Türkei und die Niederlande hinter sich und schloss die Gruppe A souverän als Gruppenzweiter ab.
Der Kader des 35. der FIFA-Weltrangliste zeigt dann aber doch recht deutlich, dass die Isländer international erst seit kurzer Zeit präsent und erfolgreich sind. Gylfi Sigurdsson (Swansea City), Kapitän Aaron Gunnarsson (Cardiff City), Kolbeinn Sigthórsson (FC Nantes) oder Alfred Finnbogason (FC Augsburg) gehören noch zu den bekanntesten Spielern, wobei auch sie vermutlich nur Fußball-Insidern ein Begriff sein dürften. Das liegt auch daran, dass viele von ihnen in Skandinavien unter Vertrag stehen, vornehmlich in Schweden oder Norwegen und das Hauptaugenmerk von Europas Fußballfans nicht unbedingt auf den Ligen dieser Länder liegt. Natürlich finden sich auch in bekannteren Ligen Nationalspieler Islands, wie der Schweizer Super League, der italienischen Serie A oder der englischen Championship (2. Liga), das ist dann aber doch eher die Ausnahme als die Regel.
Der Star
Gylfi Sigurdsson. Der 26-jährige gilt als das Aushängeschild des isländischen Profifußballs. Nicht weiter überraschend, bringt Sigurdsson doch schon seit Jahren Top-Leistungen in einer der besten Ligen der Welt, der englischen Premier League. Aber beginnen wir von Anfang an.
Bereits 2005 sagte der offensive Mittelfeldspieler seiner Heimat Lebewohl und wechselte auf die britische Insel in die Jugend des FC Reading. Dort erhielt er 2007 seinen ersten Profivertrag. Ein Jahr später feierte Sigurdsson sein Debut im League Cup, wurde aber kurz darauf für einen Monat in die vierte Liga zu Shrewsbury Town verliehen. Nur wenig später, im Februar 2009, kurze Zeit nach seiner Rückkehr zu Reading, wurde der Isländer erneut verliehen, dieses Mal zum Drittligisten Crewe Alexandra. Dort spielte er sich mit starken Leistungen in die Startelf und die Herzen der Fans, aber auch er konnte den Abstieg des Klubs nicht verhindern.
In der Saison 2009/10 gelang Sigurdsson endgültig der Durchbruch beim FC Reading und machte mit 22 Toren, davon 16 in der Championship auf sich aufmerksam. Das blieb auch der TSG Hoffenheim nicht verborgen und verpflichtete den damals 20-jährigen für schlappe 5 Mio. Euro Ablöse. 2012 wurde Sigurdsson dann zwecks Spielpraxis zum englischen Premier-League-Klub Swansea City verliehen. Dieser wollte ihn nach Leihende fest an sich binden, Hoffenheim lehnte aber ab. Der Wechsel in die Premier League blieb Islands mehrfachem Fußballer des Jahres trotzdem nicht verwehrt, im August 2012 schaffte er den Sprung zu den Tottenham Hotspurs. Mit dem Transfer zu Swansea City klappte es dann aber doch, wenn auch zwei Jahre später. Dort ist der quirlige Mittelfeldspieler gesetzt und seit seinem Wechsel nicht mehr aus der ersten Elf wegzudenken. Genauso wie aus dem isländischen Nationalteam, mit dem er bei der ersten EM-Teilnahme aller Zeiten so weit wie möglich kommen will, am besten gleich bis in die KO-Phase.
Der Trainer
Lars Lagerbäck. Um ein Haar wäre Lars Lagerbäck in Österreich gelandet. Viel hätte nicht gefehlt und der Schwede hätte beim österreichischen Nationalteam das Erbe von Didi Constantini angetreten. Das tat dann aber Marcel Koller, worüber mittlerweile wohl jeder heimische Fußballfan froh ist. Doch auch mit dem 67-jährigen hätten es Alaba & Co. nicht ganz so schlecht getroffen. Denn nach neun Jahren als Übungsleiter des schwedischen Teams und einem einjährigen Intermezzo als Trainer der nigerianischen Fußballnationalmannschaft heuerte Lagerbäck 2011 beim isländischen Nationalteam an und wird dort mittlerweile als Nationalheld gefeiert. Ein ganzes Land liegt dem Schweden zu Füßen, auch wenn er selbst das ein wenig anders sieht: „Ich würde nicht sagen, dass ich jetzt ein Nationalheld bin. Leute wie Nelson Mandela und Martin Luther King sind Helden – ich bin nur ein Fußballtrainer.“ Nach der Europameisterschaft wird Lars Lagerbäck sein Amt allerdings zurücklegen, auch wenn es für ihn, wie er in der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ zitiert wird, „eine schwierige Entscheidung“ gewesen sei.
Fazit
Schon allein die Tatsache, dass sich solch ein kleines Land wie Island für eine Fußball-Europameisterschaft qualifizieren konnte, ist außergewöhnlich und kaum in Worte zu fassen. Ganz egal, wie weit die Isländer in Frankreich kommen sollten, egal ob man als Gruppenletzter ausscheidet oder bis ins Finale vorstößt: Dieses Turnier wird jedem isländischen Fußballfan in Erinnerung bleiben. Und wer jetzt glaubt, dass die Isländer bloß Punktelieferanten für ihre Gruppengegner seien, hat sich gewaltig geschnitten. Denn die Euphorie, die derzeit in der Mannschaft herrscht, gepaart mit einem bodenständigen, erfahrenen Trainer macht Island zu einem nicht zu unterschätzenden Team, das alles tun wird, um seinen Gegnern das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Unsere-Zeitung-Tipp: Achtelfinale
Gruppe B:
Gruppe C:
Gruppe D:
Gruppe E:
Gruppe F:
- Portugal
- Island
- Ungarn
- Österreich
Autor: Moritz Ettlinger
Grafik: Unsere Zeitung (Marc Zosel/Michael Wögerer); Logo created with Inkscape (public domain)