Das ganze Festival ist heuchlerisch: Es ist eine Heuchelei, wenn sich EXIT mit Auszeichnungen schmückt, aber hinter den Kulissen heimische Arbeitskräfte und Bands ausbeutet. Es ist eine Heuchelei, wenn hier Millionen eingespielt, jedoch Kleinstbeträge unterschlagen werden. Der Hut brennt, wenn sich EXIT in seinem Mission Statement zum „Meinungsführer für junge Entwicklung und Jugendpolitik“ aufschaukelt, gleichzeitig systematisch alternative Programme zugunsten kommerzieller zusammenkürzt und so eine Generation mittelmäßiger Kleingeister heranzüchtet.
Andererseits ist es keine Heuchelei, wenn EXIT seine Propaganda ganz diskret um die Begriffe Kulturentwicklung, Vielfalt und Kunst zusammengestrichen hat. Das hat einfach keine Priorität mehr, und es ist fraglich, ob man das bei EXIT jemals ernsthaft am Schirm hatte. 2011 etwa, als man mit der Cinema City so ziemlich die Hälfte des jährlichen Kulturbudgets der Vojvodina auspresste und damit die übrige Kunstlandschaft in eine Wüste verwandelte. Und wie wurde das begründet? Nun, letztlich mache das eh nur 10 Prozent der EXIT-Kosten aus. Wenn also eine Ausgabe des Festivals mitsamt der Cinema City so viel kostete wie ganze fünf Jahre Kultur (!!!) in der Vojvodina, ist dann ihr Beitrag zur selben wirklich so viel wert wie die jährlichen Einnahmen und Beiträge aller übrigen KulturarbeiterInnen in der Provinz? Warum hat man die 10 Prozent nicht eingespart und stattdessen unserer Jugend zufließen lassen? Nun, weil die kapitalistische Bestie nicht weiß, was es heißt, zu sparen.
Im Licht dieser Skandale stinkt es zum Himmel, dass sich das EXIT-Team Meldungen zufolge der Kampagne anschließen wird, die Novi Sad zur Europäischen Kulturhauptstadt 2021 machen will. Es ist auch eine Frechheit, dass ein solch erfolgreiches Festival überhaupt um Förderungen ansucht und diese von der bankrotten Republik Serbien sogar erhält. Kürzlich wurde ein Vertrag unterzeichnet, in dem Belgrad dem Festival finanzielle Unterstützung für die kommenden sechs Jahre zusichert.
Deshalb appelliere ich an alle Bands: Lasst euch nicht vom EXIT ausbeuten. Macht Schluss mit dem Märchen, dass euch das EXIT – oder sonst wer – einen Gefallen tut, wenn ihr dort arbeitet. Wenn sie euch was schulden, wartet nicht brav darauf, an die Reihe zu kommen. Geduld zahlt sich nicht aus. Willigt in keine Zusammenarbeit ein, ehe ihr einen Vertrag unterschrieben habt. Schätzt eure Arbeit, denn das EXIT schätzt sie auch, umso mehr, je weniger sie euch zahlen. Es gibt wirklich kein hehres Ziel, für dass es sich lohnt, sich beim EXIT aufzuopfern und unter Wert zu verkaufen. Schluss mit dem Volontariat im Moloch.
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Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag erschien erstmals am 18.6.2016 auf der serbischen Nachrichtenseite Peščanik, genauer hier. Die Redaktion gestaltet auch gleichnamige Fernseh- und Radioformate, die von 15 Sendern in Ex-Jugoslawien ausgestrahlt werden. Peščanik steht in Serbien immer wieder als Nestbeschmutzer in der Kritik. Die redaktionelle Hauptlinie wird als liberal und EU-freundlich eingeordnet. „UnterstützerInnen“ sind unter anderem die Heinrich-Böll-Stiftung der deutschen Grünen, das Schwedische Helsinki-Komitee und die National Endowment for Democracy (NED), ein US-Think Tank. Der finanzstarken, intransparenten NED wird immer wieder vorgeworfen, mit ihren Mitteln progressive Regierungen in Lateinamerika und andernorts zu destabilisieren. Umso erstaunlicher ist es bei diesen SponsorInnen, dass immer wieder kapitalismuskritische Texte wie dieser bei Peščanik erscheinen.
Nikola Vitković (1976) schloss 1995 die Grafische Schule in Belgrad ab und studierte bis 2001 an der Fakultät für Angewandte Kunst seiner Heimatstadt. Er lebt und arbeitet unter anderem als Illustrator, Comic-Zeichner und Maler ebenda. Es ist sein erster Beitrag für Peščanik.
Zoran Sergievski (1988) lebt seit 2008 in Wien. Seit Jänner 2015 ist er Redakteur bei Unsere Zeitung und verfasst die wöchentliche Kolumne 3K – Massenmedien am Montag. Zoran beendet gerade sein Studium und arbeitet seit Jahren für verschiedene Medien im deutschsprachigen Raum.
Dieser Beitrag unterliegt wie seine Vorlage der Lizenz CC BY-SA 4.0.
Fotos: EXIT – Burg Novi Sad (Aleksandar Cocek, flickr.com; Lizenz: CC BY-SA 2.0); Titelbild: Rudolf Getel (flickr.com; Lizenz: CC BY-SA 2.0)