Stefanie_SargnagelStefanie Sargnagel bietet Einblick in ihre Gedankenwelt, in ihr Leben, tatsächlich und schonungslosVon Niklas Böck

Wenn sie schreibt, kreischen die Machos beim Junggesellenabschied und Ursula Stenzel muss sich bei angeekeltem und verständnislosem Blick räuspern. Stefanie Sargnagel heißt eigentlich Sprengnagel und ist der schlimmste Feind aller Konservativen bis Rechten, sie ist eine starke Frau. Nicht stark wie eine karrierefähige, kostümtragende Generali-Kundenberaterin mit zwei Kindern und Hund, sondern stark wie eine Gemeindebaubewohnerin, die in der Öffentlichkeit laut „wichsen“ sagt und davon leben kann. Mit Öffentlichkeit ist hier allerdings vor allem Facebook und beachtlicherweise zwei veröffentliche Bücher, die vom deutschsprachigen Feuilleton in höchsten Tönen gelobt und auch interpretiert werden, gemeint.

Niemand kann ihre Texte allerdings auch nur annähernd so gut inszenieren wie sie selbst, Sprengnagel schreibt nicht einfach irgendwelche Gedichte oder Essays, die man mal eben beim Schulreferat rezitieren könnte, sondern sie bietet Einblick in ihre Gedankenwelt, in ihr Leben, tatsächlich und schonungslos. Auch im Jahr 2016 provozieren Frauen nämlich anscheinend immer noch unheimlich, wenn sie mit Fäkalhumor und extrovertierten Alltagsgeschichten sich und die Gesellschaft zeichnen. Sie provozieren so sehr, dass eine ganze Subkultur sie feiert und rechte PolitikerInnen immer mehr Diffarmierungen anstrengen, um eine Sargnagel zu stoppen, ihr am Ende des Tages aber doch nur zu mehr Lorbeeren zu verhelfen.

Berühmt wurde die 30-jährige durch kurze Facebook-Postings, Geschichten aus ihrem Alltag, Witzchen und Statements. Bis heute ist Facebook Sargnagels Plattform der Wahl, wenn es darum geht, ihre kunstgewordenen Ergüsse mit zigtausenden Followern zu teilen. Wenig verwunderlich ist es, dass das Wiener Bobo-Spektrum die derbe Autorin gerne liest und liked, dass die aus proletarischen Verhältnissen stammende und bis vor kurzem prekär Beschäftigte es allerdings schafft, Mitglieder rechtsradikaler Gruppen so beißende Satireposts in den Rachen zu schieben, dass sie daraufhin für drei Tage gesperrt wird, ist eine Leistung. Eine kreative.

Immer wieder schreiben alternative bis bürgerliche Blätter über Stefanie Sargnagels Werk und auch über besagte Social Media Eskapaden, die Wienerin wischt regelmäßig mit den richtigen Leuten den dreckigen Boden auf. So begründete Sargnagel etwa die „Burschenschaft Hysteria“ mit, eine weibliche „Burschenschaft“, die mit patriarchalen Verhältnissen offensiv und propagandistisch umzugehen weiß. „Der weiße Mann ist verwirrt und müde, wir schaffen ihm ein Bettchen zum Ausruhen“, ist nur ein Auszug aus dem, was dieses feministische und künstlerisch wertvolle Projekt ausmacht.

Alles in allem tut man(n) sich schwer Sargnagel zu kategorisieren, viele weiße Männer zeigen sich auf Facebook empört über die „Dreistigkeit“, dass (so eine) Frau publizieren darf, sie sind der beste Indikator dafür, dass Sargnagel genial ist. Stefanie Sargnagel ist eine proletarische und feministische Bastion in Kunstform, außerdem kann sie Hawelka und Würstelstand gleichzeitig.

Foto: Stefanie Sargnagel, Düsseldorf, ZAKK, 14.März 2016, Lesung aus „Fitness“ (Udoweier ; Lizenz: CC BY-SA 4.0), Titelbild: screenshot (youtube.com)

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