[3K – Massenmedien am Montag: Folge 82]
Wer die Krone liest, neigt deutlich zu Rassismus. Österreich-LeserInnen begrüßen Hasspostings. RedakteurInnen der Presse bedienen nur neoliberale Frames. VICE macht aus Kindern Giftler. Westliche Medien verbreiten Russenhass. Killerspiele verursachen Amokläufe. Wirtschaftsjournalismus funktioniert nicht. Werbung degradiert Frauen zu Sexobjekten. Reality-TV verblödet. My Little Pony-Fans sind intelligent, jene der Teletubbies verblödet. Ein Publizistik-Studium immunisiert gegen Werbung. Die Leiden des jungen Werthers treiben in den Suizid. Wer Death Metal hört, stumpft ab. Smooth Jazz steigert die Umsätze des Handels um ein Drittel, Acid Jazz senkt sie um 17 Prozent. Pokémon Go ist heuer die Nr.1-Ursache für Verkehrstote. Aktenzeichen XY… ungelöst bringt nur Panik. Die Zeit im Bild langweilt alle. Verschwörungstheorien verstärken Paranoia. Kinder müssen vor Schwulen im TV geschützt werden. Pornos machen aus Buben Vergewaltiger.
Das alles sind Schlagzeilen, die so oder ähnlich immer wieder durch die Öffentlichkeit geistern. Sie verkürzen die Ergebnisse von Medienwirkungsforschung, von Wissenschaft überhaupt. Dazu gehört auch ein anonymer APA-Bericht von letzter Woche, beim STANDARD mit dem Titel „Wer viel fernsieht, verliert den Blick auf die Realität“ versehen. Im Kern geht es um eine an der MedUni Wien durchgeführte Studie mit 322 ProbandInnen, deren TV-Konsum in Verhältnis zu ihrem Spezialwissen gesetzt wurde, hier die (inexistente) Todesstrafe in Österreich. Das Forschungsteam belegte angeblich, dass Menschen unabhängig von „Alter, Bildung und Geschlecht“ öfter und leichter Alltagsmythen unterliegen, je mehr sie fernsehen. Diese Wiedergabe ist falsch, denn in ihrem Bericht machen die WissenschafterInnen gleich zu Beginn deutlich, dass die Studie nicht repräsentativ und damit nicht verallgemeinerbar ist. So waren etwa höher gebildete Menschen überdurchschnittlich oft unter den Befragten. Sicher, lange Fernsehzeiten hingen in der untersuchten Gruppe statistisch positiv mit dem Nichtwissen über die Todesstrafe zusammen. Das heißt, je länger die angegebenen Fernsehzeiten waren, desto eher nahm einE StudienteilnehmerIn etwa an, dass StraftäterInnen hierzulande auf dem elektrischen Stuhl landen oder in der Todeszelle sitzen. Es bleibt aber offen, ob dies mit den kursorisch erwähnten US-Krimiserien oder anderen Fernsehformaten zusammenhängt. Weitere Schwächen der Studie darzulegen führt hier zu weit.
Den STANDARD störte das weniger. Da wurde suggeriert, alle VielseherInnen seien weltfremd. Diese Behauptung, welche auf der Kultivierungshypothese gründet, ist ähnlich haltlos wie alle oben gesammelten Stehsätze, etwa der ewige Killerspiel-Klassiker. Journalismus soll durchaus komplexe Sachverhalte auf ein gemeinverständliches Maß reduzieren. Nur darf diese Vereinfachung nicht zur Verdrehung des Falls führen, wie es beim STANDARD-Beitrag geschah – anders als im HORIZONT oder ORF („TV-Konsum kann Blick auf Realität verstellen“).
Hishikawa Moronobu – Male couple on a futon. Gemeinfrei, 1680er.