Wenn die Mehrheit der Menschen in der Lage wäre so eine uneigennützige Haltung einzunehmen, unsere Welt wäre einfühlsamer, solidarischer, menschlicher und friedlicher.
Von Sandra Soca Lozano, Havanna
Mit diesem Schreiben möchte ich euch in aller Kürze von meiner Reise erzählen und über die Dinge, die mich dabei am meisten beeindruckt haben. Zugleich ist dies auch ein Dank an jene Menschen, die sich bereiterklärt haben mich zu unterstützen, darunter auch Personen, die mich gar nicht kennen, deren Solidarität aber so groß ist, dass sie einfach helfen, wenn jemand ein “Problem” hat.
Ich bin Professorin an der psychologischen Fakultät der Universität von Havanna und hatte im Rahmen dessen die Möglichkeit für fast sechs Monate nach Österreich zu kommen, um an einem Projekt mitzuwirken, das die psychologischen Aspekte von Kindern und Erwachsenen mit Krebs untersucht, das Thema meiner Doktorarbeit.
In Kuba habe ich bis Ende des letzten Jahres gemeinsam mit meiner Mutter und meinem Vater zusammengelebt, die die besten Eltern der Welt für mich waren und mich mit den Werten der Ehrlichkeit und Solidarität aufzogen, ebenso mit der Liebe zu meinem Land und dem Engagement für das sozialistische Projekt in Kuba, “mit allen und für das Wohl aller” wie es einst José Martí, unser Nationalheld, geschrieben hat. Leider hatten mein Vater und ich im November letzten Jahres einen schweren Verkehrsunfall, bei dem mein Papa ums Leben kam. Er war der Rückhalt und die ökonomische Stütze meiner Familie und als er nicht mehr da war, musste ich diese Rolle einnehmen, mit aller Verantwortung und allen Schwierigkeiten.
Mein Aufenthalt in Österreich war eines der spektakulärsten Erlebnisse meines bisherigen Lebens, nicht nur weil ich die Möglichkeit hatte zum ersten Mal nach Europa zu reisen und einige wunderbare Städte wie Wien kennenzulernen – das sich sehr schnell zu meinem zweiten Zuhause entwickelt hat -, sondern auch, weil diese Reise wundervolle Menschen in mein Leben gebracht hat, die meine Tage in Wien verschönert haben, nachdem wenige Monate zuvor so schwierige Ereignisse passiert waren. Diese Menschen haben sich zu hervorragenden Freunden entwickelt. Ich lernte Kubaner mit ihrer speziellen Essenz kennen, die mich unterstützten und mit denen ich phänomenale Momente erleben konnte, die mich an meine geliebte Insel erinnerten; ebenso lernte ich Österreicher mit großen Herzen kennen, die meine Insel so sehr lieben, als währen sie dort geboren worden, als würde in ihren Adern kubanisches Blut fließen. Diese Möglichkeit solche Menschen als Freunde zu haben war für mich etwas völlig Neues und ganz Besonderes.
Kuba ist ein Land, dass seit vielen Jahren von den USA blockiert wurde und weiterhin wird. Manche, die über die Erneuerung der diplomatischen Beziehungen informiert sind, könnten meinen, dass die Blockade nicht mehr existiert, aber sie besteht weiter und hat große Auswirkungen auf die Lebensqualität der Kubaner. So ist es schwierig viele Produkte zu bekommen oder der Preis dafür ist zu hoch, weil unser Land viele Konsumgüter von solidarischen Ländern importieren muss, die weiter weg sind und die Kosten für Import teurer sind, wie wenn wir beim ökonomisch so mächtigen “Nachbarn” einkaufen würden.
Während meines fast sechsmonatigen Aufenthalts in Wien hab ich also Dinge angesammelt. Auf einige könnte man natürlich verzichten, aber sie sind für mich persönlich wichtig. In diese Kategorie fallen Haarprodukte, die in Kuba sehr teuer sind – und da ich lange Haare habe würde ich sie gerne pflegen – und Schuhe mit hohen Absätzen, die mir so gefallen, um zu gewissen Anlässen gut auszusehen – und da ich ganz kleine Füße habe, ist es sehr schwierig soetwas in Kuba zu bekommen.
Andere Dinge sind unerlässlich für mich als Professorin und als Verantwortliche für unsere Wohnung. Darunter fallen Sachen, die ich auf keinen Fall zurücklassen konnte, wie meinen Laptop und einen kleinen Beamer, um professionellen Unterricht zu geben, ebenso wie einen kompletten Computer inklusive Monitor für meine Mutter, die auch Psychologin an der Universität ist und damit regelmäßig arbeiten muss.
Die Fluglinie, mit der ich gereist bin, hat mir lediglich ermöglicht einen Koffer mit 20 Kilo mitzunehmen und bereits ein wenig Gewand, Laptop, Beamer und die Teile für den Computer haben dieses Gewicht überstiegen. Dank der von Michael veröffentlichten Geschichte wisst ihr, dass ich viele Dinge zurücklassen musste. Alle Haarprodukte, alle Schuhe, einige Kleinigkeiten, die ich für meine Katze gekauft habe, die ein wichtiger und liebenswürdiger Teil meiner Familie ist. Und auch einige Geschenke, die ich für besondere Menschen in Kuba mitbringen wollte.
Aus diesem Grund fehlen mir die Worte, um euch zu danken, in erster Linie Michael, der nicht nur mitgelitten hat bei diesem schrecklichen Prozess so viele Dinge zurückzulassen, sondern der sich auch die Mühe gemacht hat einen Artikel darüber zu schreiben und eine Aktion zu starten, damit jene Menschen, die in nächster Zeit nach Kuba reisen mir Stück für Stück meine Sachen mitbringen. Mir fehlen aber auch die Worte, um meinen Dank auszudrücken für jene Menschen, die sich bereits gemeldet haben und ihre Hilfe angeboten haben, auch wenn sie mich gar nicht kennen. Wenn die Mehrheit der Menschen auf dieser Welt in der Lage wäre so eine uneigennützige Haltung einzunehmen, um jemanden zu helfen nur um des Helfens willen und damit zum Glück des anderen beitragen, unsere Welt wäre einfühlsamer, solidarischer, menschlicher und friedlicher.
Mir fehlen die Worte, um allen Menschen zu danken, die mir ihre Hilfe angeboten haben. Was ich aber sagen kann ist, dass ihr immer wenn ihr die Hilfe und Freundschaft einer Kubanerin braucht, auf mich zählen könnt. Und für alle, die Kuba so gern haben wie ich, wird meine Haustüre immer offen stehen, damit ihr diese schöne Insel kennenlernt.
(Übersetzung aus dem Spanischen: Michael Wögerer)