Zur Kritik an Elon Musks Vorhaben der Mars-Kolonisierung
von Michael Gruberbauer
Einen anderen Planeten zu kolonisieren ist aus rein überlebenstechnischen Gründen keine schlechte Idee. Die Erde wird nicht ewig bewohnbar bleiben. Selbst wenn man die von Menschen verursachten Gefahren für das Ökosystem ausklammert, so ist ein Planet, der mit 30 Kilometern pro Sekunde durch das strahlenverseuchte Vakuum des Weltalls rast, kein ewiger Hort der Sicherheit. Allein die Wahrscheinlichkeit eines Asteroideneinschlags mit globalen Folgen ist groß genug, um sich ernsthafte Gedanken über eine zweite Heimat für die Menschheit (und andere Lebewesen vom Planeten Erde) zu machen.
Die Träume der Superreichen
Elon Musk zu kritisieren, weil er mit seinem Geld nichts anderes zu tun weiß, als auf den Mars zu ziehen, ist also etwas zu kurz gedacht. Der PayPal-Gründer und Milliardär verkündete vor wenigen Wochen, bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Kolonie aus dem staubigen Boden des Roten Planeten stampfen zu wollen. Die ersten Schritte seines Vorhabens: wiederverwendbare Raketentechnologien weiterentwickeln und schon in etwa zehn Jahren die ersten Menschen auf dem Mars landen lassen. Was zurzeit pro MarskolonistIn mehr als eine Milliarde Dollar kosten würde, soll billiger werden: Musks Absicht ist, mit Hilfe technologischer Fortschritte, die in Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und staatlicher Unterstützung entstehen sollen, die Kosten einer Marsreise auf etwa 200.000 Dollar pro Person zu senken. Dadurch soll binnen weniger Jahrzehnte eine autarke Stadt auf dem roten Planeten entstehen, die sich „nachhaltig“ selbst versorgen soll.
Musk könnte mit seinem Reichtum sicher Schlimmeres als auch Belangloseres anstellen. Bedenkt man, wie viele Ressourcen für den gesamten Betrieb einer Formel-1-Saison nötig sind, oder wie tief die europäischen Fernsehsender – oftmals mit Steuergeldern – für die Senderechte an den großen Sportereignissen in die Taschen greifen müssen, oder auch wie viel Geld Tag für Tag auf den Finanzmärkten verzockt wird, um mit Lebensmitteln und Rohstoffen zu spekulieren, so scheint sein Vorhaben im Vergleich und auf lange Sicht geradezu sinnvoll. Wer von Geldverschwendung spricht, bedenkt außerdem selten, dass die Mittel, die in die Raumfahrt investiert werden, nicht einfach in Flammen aufgehen oder im Weltall verpuffen: Wie sonst auch im Kapitalismus werden damit Rohstoffe, Produkte und Gehälter bezahlt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Raumfahrt wenig vom globalen Tourismus, der Musikbranche oder der Spielzeugindustrie, die jährlich einen weltweiten Umsatz von fast 100 Milliarden Dollar erwirtschaftet.
Am Boden bleiben?
Wenn es um die Kosten der Raumfahrt geht, kommt meist auch sehr bald die Frage: „Warum werden diese Mittel nicht dafür verwendet, die Probleme hier auf der Erde zu lösen?“ Die Frage ist berechtigt, aber die Antwort hat wenig mit einzelnen handelnden Personen zu tun. Elon Musk ist nicht dafür verantwortlich, dass sich „die Märkte“ nicht um die Bekämpfung der weltweiten Ungleichverteilung, des weltweiten Hungers und der großen Armut kümmern. Es wird lieber dort investiert, wo eine Menge Profit zu erwarten ist. Auch um Nachhaltigkeit schert sich das System einen Dreck. Wer also kritisiert, dass finanzielle Mittel – und damit gesellschaftliche Arbeit – in einem solchen Umfang in Raketen und Raumschiffe gesteckt werden sollen, werfe einen Rundumblick beim nächsten Besuch im Einkaufszentrum oder beim nächsten Urlaub auf den Malediven und beginnt besser früher als später damit, sich mit Kritik am Kapitalismus auseinanderzusetzen.
Absurd ist allerdings sehr wohl, dass überhaupt die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, dass eine einzige Person einen signifikanten Prozentsatz der Kosten eines solch epochalen Unternehmens aus eigener Tasche bezahlen kann. Die weltweite Ungleichverteilung des Reichtums ist sattsam bekannt – nicht zuletzt aus der neuesten Oxfam-Studie, nach der die 62 reichsten Menschen so viel besitzen wie die halbe Weltbevölkerung. Elon Musk, gerade einmal 45 Jahre alt, hat es laut Forbes bis zum Jahr 2015 auf ein Vermögen von 13,7 Milliarden Doller gebracht und auf Platz 100 der Liste der reichsten Menschen des Planeten geschafft. Die Frage ist nicht: Was macht Elon Musk mit seinem Geld? Die Frage ist: Was machen eigentlich die 99 anderen mit ihrem Vermögen, und wie sind sie überhaupt zu so viel Geld gekommen?
Eine Kolonie von Millionären?
Es wird sich weisen, ob das Vorhaben des Paypal-Gründers realistisch ist, und man darf gespannt sein, wer davon über kurz oder lang profitiert. Nicht zu erwarten ist jedenfalls, dass in den neuen Städten des Mars in kurzer Zeit eine utopische neue Welt geschaffen wird, die allen Menschen zugänglich ist. Selbst ein Mars-Ticket, das „nur“ 200,000 Dollar kostet, können sich die wenigsten leisten. Ob eine Kolonie von Millionären, die sich die Alltagsarbeit des Terraformings von Robotern und Computersystemen abnehmen lassen, der beste Weg zur Absicherung gegen globale Katastrophen und zum Fortbestand der Menschheit ist, darf bezweifelt werden. Denn wer ohne all die schlecht bezahlten ArbeiterInnen und Angestellten das ganze Werkl am Roten Planeten am Leben erhält, wenn die Computer und Roboter einmal aus technischen statt arbeitsrechtlichen Gründen streiken, dürfte auch in Elon Musks Plänen eine offene Frage bleiben.
Michael Gruberbauer ist Astrophysiker, Koordinator und leitender Redakteur der Volksstimme. Der Beitrag erschien zuerst auf dem Volksstimme-Blog.
Foto: NASA’s Journey to Mars (NASA; public domain); Titelbild: Science Laboratory spacecraft approaching Mars (NASA/JPL-Caltech; pubic domain)