In der Krise wird der Klassenkampf immer brutaler geführt. Die Tötung eines streikenden Logistikarbeiters bei einer Blockadeaktion zeigt, dass die Unternehmer vor nichts zurückschrecken.
In einer berühmten Szene des Films „1900“, in dem Bernardo Bertolucci die Geschichte des Klassenkampfs in Italien zwischen 1900 und 1945 darstellt, stellen sich Dutzende Menschen, allen voran die Frauen, den Soldaten entgegen bzw. legen sich auf den Boden, versperren so den heranstürmenden Pferden den Weg, beschützen mit ihrem eigenen Körper das Haus eines Genossen und verhindern so die geplante Zwangsräumung. Ein wunderschönes Bild, das zeigt, was Kompaktheit und Entschlossenheit im Klassenkampf bewirken können.
In ähnlicher Weise blockierten Mitte September Arbeiter das Depot des Logistikunternehmens GLS in Piacenza, um so den eigenen Vertretern ihrer Gewerkschaft USB bei den Verhandlungen mit dem GLS-Management den Rücken zu stärken. In dieser Branche, in der prekäre Beschäftigungsverhältnisse Gang und Gäbe sind, kommt es seit geraumer Zeit immer wieder zu sehr radikalen Arbeitskämpfen. Scheinselbständigkeit und illegale Beschäftigung bei Subunternehmen, die für die großen Logistikkonzerne (UPS, GLS,…) tätig sind, prägen den Alltag der meisten KollegInnen in diesem für moderne Ökonomien zentralen Sektor. Viele ArbeiterInnen sind MigrantInnen aus Nordafrika, so auch der 53jährige Abd Elsalam Ahmed Eldanf, der sich in dieser Nacht an der Blockade beteiligte und den LKWs die Zufuhr verweigerte.
Als sich der Konflikt zuspitzte, stachelte ein anwesender Manager einen LKW-Fahrer auf die Blockade zu durchbrechen, worauf dieser mit voller Geschwindigkeit losfuhr und Abd Elsalam tödlich verletzte. Die Behörden und die Medien sollten unmittelbar danach von einem „Verkehrsunfall“ sprechen, doch die Beweise sind mittlerweile eindeutig, dass hier vorsätzlich gehandelt wurde, um die Blockade zu brechen – auch wenn es Menschenleben kostet.
Dieser Vorfall sagt sehr viel aus über die inhumanen Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit in diesem Sektor. In den Logistikunternehmen herrschen Bedingungen, wie man sie seit der frühen Nachkriegszeit nicht mehr kannte. Obwohl diese Unternehmen vor allem Arbeitskräfte einsetzen, die angesichts rassistischer Aufenthaltsgesetze und der katastrophalen Lage in ihren Herkunftsländern besonders leicht erpressbar sind, kommt es immer häufiger zu Arbeitskämpfen. Die traditionellen Gewerkschaften sind in vielen Fällen nicht willens diesen Widerstand zu unterstützen. Dies zeigte auch die Stellungnahme des Vorsitzenden der Transportarbeitergewerkschaft FILT-CGIL Rocchi, der nach diesem Todesfall zu gemeinsamen Verhandlungen unter Beisein des Innenministers aufrief, um zukünftig die „illegitimen und wilden Blockaden“ in Griff zu bekommen. So ist auch bezeichnend, dass die Führung der traditionellen Gewerkschaftsverbände die Proteste nach dem Vorfall von Piacenza nicht unterstützte. Die Protestkundgebungen und –streiks im Logistiksektor und der Metallindustrie gingen durch die Bank von den Basisgewerkschaften (USB, Sincobas) und von einzelnen linken Betriebsräten und Gewerkschaftsstrukturen der CGIL aus.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die GenossInnen der gewerkschaftlichen Basisinitiative „Trasporti in Lotta“, die im Transportsektor und speziell bei UPS eine wichtige Rolle spielen. Sie argumentierten unmittelbar nach dem Tod von Abd Elsalam die Notwendigkeit eines Generalstreiks im gesamten Logistiksektor, der von allen Gewerkschaften einheitlich getragen werden sollte, und mit dem folgende Forderungen erhoben werden sollten:
• Ein Ende der Provokationen seitens der Unternehmer. Gerechtigkeit für Abd Elsalam.
• Schluss mit der Auslagerung auf Subunternehmen und der Scheinselbständigkeit.
• Menschenwürdige Löhne und Arbeitszeiten. Für einen nationalen Kollektivvertrag, der klare Mindeststandards festlegt.
• Schluss mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und zeitlich befristeten Arbeitsverträgen.
Foto: pic2fly.com ; Titelbild: quicosenza.it