Ab 11. November im Kino – Unsere Zeitung verlost 2 Freikarten
„Wachse oder weiche“ war über Jahrzehnte der Leitspruch der österreichischen Landwirtschaft. 1970 ernährte ein Bauer in Österreich 12 Menschen. 2016 kommen auf jeden Landwirten 80 Menschen. In Deutschland sind es 145. Tausende Bauern haben aufgegeben oder wirtschaften heute im Nebenerwerb. Als „Modernisierungsverlierer“ gingen sie durch die Medien. Die Verbliebenen sind gewachsen, haben sich spezialisiert, ihre Produktion intensiviert, investiert. Doch selbstbestimmte Bauern sind selten geworden. Ein einst stolzer Stand steckt in einem System aus Zwängen, Abhängigkeiten und Propaganda, dem auch die offizielle EU-Politik zuarbeitet.
Regisseur Robert Schabus hat einen Film gedreht, in dem Bauern und Bäuerinnen, PolitikerInnen und WissenschafterInnen zu Wort kommen. Es ist ein sehr ruhiger Film ohne große Aufregung oder Schockbilder der industrialisierten Massentierhaltung. Es ist ein politischer Film, aber keiner mit erhobenem, moralinsaurem Zeigefinger.
Schabus Dokumentation „Bauer Unser“ zeigt die österreichische Landwirtschaft als Teil der industrialisierten und somit arbeitsteiligen Lebensmittelindustrie. Ob die Milchkuh, die Legehenne oder der Maststier – sie sind nur ein Teil der Herstellungskette, die heute genauso optimiert und mit Kennzahlen vermessen wird wie der Rest der Produktionskette bis hin zur Verpackung und Auslieferung. Der Bauer von heute führt einen straff organisierten, hocheffizienten, spezialisierten Industriebetrieb und muss mit Weltmarktpreisen konkurrieren. Die Alternative dazu sind kleine Landwirte, die mit viel körperlichem Einsatz und Ab-Hof Verkauf versuchen zu überleben. Bauern und Bäuerinnen die ihr Fleisch, Gemüse, Milch auf lokalen Märkten verkaufen.
Im Film kommen beide Betriebsformen zu Wort – besonders glücklich scheinen sie alle nicht. Ob der Kärntner Industriebetrieb mit 1.300 Mastschweinen, der mit dem Fleischpreis kämpft und den Kredit für den Stall zurückzahlen muss oder der niederösterreichische Kleinbetrieb mit Hofschlachtung, der auf große fremdfinanzierte Investitionen verzichtet hat – beide kämpfen sie ums Überleben. Der internationale Freihandel mit Lebensmitteln findet immer jemanden, der noch billiger produzieren kann.
Die arbeitsteilige Landwirtschaft importiert für die Tiermast große Mengen Soja aus Brasilien, für dessen Anbau riesige Regenwaldflächen gerodet werden. Früher wurden die Tiere mit heimischem Getreide gemästet. Soja ist deswegen beliebt, da die Tiere damit – kurz gesagt – schneller wachsen und damit schneller schlachtreif sind, als bei Fütterung mit Getreide aus unseren Breiten.
Die industrialisierte Landwirtschaft des globalen Nordens kombiniert mit falschen Fördermodellen, Überproduktion, Exportsubventionen und Freihandelsverträgen zerstört die afrikanische Landwirtschaft genauso. Diese Politik ist somit auch mitverantwortlich für Migrationsbewegungen über das Mittelmeer nach Europa. Die Verantwortung dafür liegt ganz offensichtlich bei uns im globalen Norden.
Die Erzeuger von konventioneller Milch erhalten in diesem Jahr rund 30 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Im österreichischen Durchschnitt bekommen diese von den Molkereien nur noch rund 28 Cent für einen Liter – viele Milchbauern können da nicht mehr mit und müssen aufgeben.
Da große Handelsketten vom Produzenten genormte Produkte in großen Mengen erwarten, haben kleine Betriebe für diese keine Bedeutung als Lieferant oder Produzent. Kleine und mittelständische Betriebe tauchen daher nur selten mit ihren Produkten in den großen Einzelhandelsgeschäften auf. Um diese großen Einheiten allerdings produzieren zu können, müssten die Betriebe massiv in Anbaufläche, Maschinen und Personal investieren. Ohne Bankkredite geht sich das nicht aus.
Dieselben Handelsketten, die nur von den industriell produzierenden Betrieben kaufen, machen allerdings Werbung mit sprechenden, süßen Ferkelchen und erwecken den Eindruck der Bauer streichelt jedes seiner fünf Schweine mehrmals täglich bevor er sich mit einem Grashalm im Mund und einem Huhn auf dem Schoß gemütlich den Sonnenuntergang auf seiner Alm ansieht. Welch zynische Ironie, wenn man es sich genau überlegt.
Der heutige Landwirt hat durch die Vorgaben des Einzelhandels den großen Zwang zu wachsen. Von 1970 bis heute hat sich die durchschnittliche Größe eines Betriebes verdoppelt. 1995 hatte ein durchschnittlicher Landwirt 32 Hektar – 2013 war der Wert bereits bei 43 Hektar. Momentan ist es relativ schwierig Land zu pachten berichtet Fritz Grojer aus Kärnten. Er bewarb sich um 20 Hektar Ackerfläche und es gab 41 Mitbewerber. Er sah allerdings von einem Gebot ab, da es sich für ihn finanziell nicht ausgeht.
Die Bauern hier in Europa können nicht mehr von ihren Produkten leben und unsere Gesellschaft verliert mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft viel mehr als nur die Bauern selber. Artenvielfalt, Arbeitsplätze am Land, das soziale Netz im ländlichen Raum, Selbstversorgung – das sind alles Dinge, die nicht am freien Markt gehandelt werden können und damit auch keinen Preis haben.
Niemand ist glücklich in diesem System der Ausbeutung in alle Richtungen. Fast. Die wenigen Profiteure sind international agierende Konzerne, die Industrie, die großen Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger nimmt.
Ein bemerkenswerter und sehenswerter Film! Ab 11. November im Kino.
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GEWINNSPIEL
In Kooperation mit dem Filmladen verlost Unsere Zeitung zwei Kinogutscheine. Diese sind terminungebunden und in jedem Kino einlösbar, das den Film regulär im Programm spielen wird. Hier geht´s zum Gewinnspiel auf unserer Facebook-Seite. Auch via gewinnspiel@unsere-zeitung.at könnt ihr an der Verlosung teilnehmen. Schreibt uns einfach, warum ihr den Film unbedingt sehen wollt (Teilnahmeschluss: 9.11.2016, 12 Uhr). Mehr zur Dokumentation „Bauer unser“ und in welchen Kinos er zu sehen sein wird unter www.bauer-unser.at
Autoren: Franz Fuchsbauer und Michael Wögerer
Fotos: bauer-unser.at