wohnen2Aktuelle Herausforderungen am Wohnungsmarkt in Österreich – Von Roswitha Harner und Marina Einböck

Erwachsenwerden und eine erste eigene Wohnung beziehen. Diese Phase stellt für viele junge Menschen eine Herausforderung dar. Vor allem im städtischen Raum ist die Wohnversorgung derzeit generell – und für junge Erwachsene im Besonderen – schwierig und daher zunehmend präsent im medialen Diskurs sowie auch in der sozialarbeiterischen Praxis.

Steigende Mieten und stagnierende Einkommen

Österreichweit legten die Bruttomieten von 2008 bis 2014 um fast 22 Prozent zu. Neue Mietverträge werden aufgrund der Lockerungen im Mietrechtsgesetz vermehrt befristet vergeben; im privaten Segment sind das mittlerweile 67 von 100 neuen Verträgen (vgl. Moshammer/Tockner 2016). Der gesetzlich festgelegte Mietzinsabschlag wird dabei in der Regel nicht eingehalten. Für MieterInnen führt dies neben der fehlenden langfristigen Wohnsicherheit dazu, dass MieterInnenrechte aus Angst davor, keinen weiteren Mietvertrag zu erhalten, nicht eingefordert werden (vgl. Tockner 2012, S. 6). Junge Menschen sind von diesen Entwicklungen besonders betroffen, da sie in der Regel eher kürzere Mietverträge haben. Zusätzlich zu den tendenziell höheren Ausgaben für Wohnkosten, haben junge Erwachsene weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung und sind stärker von Armutsgefährdung betroffen. In Österreich sind gerade Jugendliche (und Kinder) häufiger armutsbetroffen als der Rest der Bevölkerung. 17 Prozent oder 300.000 der Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren leben in einem Haushalt, der mit einem Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle (1) auskommen muss (allgemein liegt das Risiko bei 13 Prozent). 142.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre leben dauerhaft, d. h. aktuell und noch mindestens zwei weitere Jahre, in dieser Armutssituation. Besonders betroffen sind Ein-Eltern-Haushalte mit 31 Prozent oder Haushalte mit mehr als zwei Kindern mit 24 Prozent (2).

Dass Wohnen für junge Erwachsene immer schwieriger wird, zeigt auch eine Studie, die durch die Erste Bank und s Bausparkasse in Auftrag gegeben wurde. Laut dieser können sich mittlerweile 59 Prozent der Studierenden kein eigenes Zuhause leisten. Im europäischen Vergleich ist in Österreich das Risiko von einer Wohnkostenbelastung von über 40 Prozent am Einkommen betroffen zu sein, für junge Erwachsene überdurchschnittlich hoch. Die Konsequenzen davon sind oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Viel darf jedoch bei so einer engen Einnahmen-Ausgabenstruktur des Haushalts nicht schiefgehen, sonst ist kein Geld mehr für die notwendigsten Dinge im Leben vorhanden – oder die Wohnung weg.

Es braucht ineinandergreifende Reformen für leistbaren Wohnraum

Vor allem für (größere) Städte stellt leistbares Wohnen derzeit eine besondere Herausforderung dar. Da die notwendigen Kompetenzen überwiegend auf Landes- oder Bundesebene liegen, sollte das Interesse für eine übergreifende Strategie die präventiv und nachhaltig wirkt, besonders groß sein. Dabei sollte auf die Vermeidung von Armut, die Errichtung von ausreichend leistbarem Wohnraum sowie dem möglichst niederschwelligen Zugang zu diesem fokussiert werden. Im Speziellen ist zu fordern: Um der schwierigen Situation am Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, stellt ausreichend Neubau – vor allem Wohnbau, der sich an den Möglichkeiten einkommensschwacher Zielgruppen orientiert – eine wichtige Voraussetzung dar. Außerdem braucht es eine Mietrechtsreform, die mehr Rechtssicherheit gewährleistet, den unbefristeten Mietvertrag wieder zur Regel macht sowie die Leistbarkeit von Mietwohnungen gewährleistet. (vgl. z. B. Wege aus der Krise 2016, Verband Wiener Wohnungslosenhilfe 2015b) Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Wohnsituation armutsgefährdeter Menschen stellen die Belegungsrechte dar, die der öffentlichen Hand durch die Wohnbauförderungsgesetze zukommen und derzeit z. T. nur unzureichend zur Erfüllung sozialer Zielsetzungen ausgeschöpft werden (3). Maßnahmen zur Delogierungsprävention sollten bundesweit verbessert werden. Im Fall eines Wohnungsverlustes, ist ein möglichst unmittelbarer Zugang zu selbstständigem Wohnen wesentlich, wie er international unter dem Begriff „Housing First“ diskutiert und in Österreich z. T. bereits umgesetzt wird (4).. Die Voraussetzung für das Greifen aller erwähnten wohnbezogenen Reformen sind Einkommen, die einen adäquaten Lebens- und Wohnstandard für alle Menschen sichern. Aktuellen Debatten und Praktiken die bedarfsorientierte Mindestsicherung auf 1.500 Euro zu deckeln oder für bestimmte Personengruppen einzuschränken, sind mehr als kontraproduktiv und haben massive Auswirkungen auf die Wohnsituation armutsgefährdeter Menschen. Für junge Erwachsene ist eine bessere statistische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Übergang in selbstständiges Wohnen nach dem Wohnen im familiären Kontext oder durch die Jugendwohlfahrt notwendig. (vgl. Schoibl 2013: 20f) Auf Basis dieser sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden; in Wien wird beispielsweise der Ausbau niederschwelliger und altersgerechter Angebote sowie die Verbesserung der Schnittstellen zwischen der Jugendwohlfahrt und der Wohnungslosenhilfe gefordert. (vgl. z. B. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2012, MA 24 2012: 75 f.)

Roswitha Harner, BA ist Referentin für Grundlagen & Entwicklung im neunerhaus

Mag.a Marina Einböck, arbeitet seit 2007 im NPO – und universitären Kontext zu sozialpolitischen Themen mit dem Schwerpunkt auf Armut und sozialer Ausgrenzung. Die letzten zwei Jahre leitete sie den Bereich Sozialpolitik in der Volkshilfe Österreich.

Der Beitrag erschien zuerst in: Österreichische Gemeindezeitung (ÖGZ) – Das Magazin des österreichischen Städtebunds, Nr. 10/2016, S. 58-59.

Anmerkungen:
(1) Die Armutsgefährdungsschwelle lag 2015 bei 1.163 Euro für eine Einzelperson bzw. 1.512 Euro für eine Erwachsene bzw. einen Erwachenen mit Kind (12x Jahr).

(2) vgl. Statistik Austria 2016: EU-SILC unterscheidet Kinder, Jugendliche, abhängige junge Erwachsene nach folgenden Altersgruppen: 0–17-jährige Personen, 0–19-jährige Personen, 0–24-jährige Personen, 16–24-jährige Personen, 16–19-jährige Personen. Nicht in allen Fällen ist eine ausreichende Fallzahl vorhanden, um repräsentative Aussagen zu tätigen.

(3) Siehe z. B. in Bezug auf die Vergabe geförderter Wohnungen in Wien: Verband Wiener Wohnungslosenhilfe 2015a, 2015b

4) Siehe z. B. den Bericht über die erfolgreiche Pilotphase des Housing First-Angebots des neunerhaus

Quellen:

Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose (2014): Wohnungslose junge Erwachsene. Betreuungsansätze und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Betreuungssituation junger wohnungsloser

Menschen in der Wiener Wohnungslosenhilfe. Wien. Online unter: bawo.at

MA 24 (2012): Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe. Online unter: wien.gv.at

Moshammer Bernhard / Tockner Lukas (2016): Mietensteigerungen in Wien und Österreich. AK Wien. Online unter: media.arbeiterkammer.at

Schoibl, Heinz (2013): Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit. Update des Datenüberblicks Verfügbarkeit von Daten, Qualität und Aussagekraft der vorhandenen Materialien. Helix Forschung.

Statistik Austria (2016): Tabellenband EU-SILC 2015. Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Wien.

Tockner, Lukas (2012): Mietensteigerungen in Österreich und Wien. AK Wien.

Verband Wiener Wohnungslosenhilfe (2015a): Situationsbericht Leistbares Wohnen. Wien. Online unter: verband-wwh.at

Verband Wiener Wohnungslosenhilfe (2015b): Wohnungspolitik = Sozialpolitik = Wohnungssicherung = Wohnungslosenhilfe. Forderungen für leistbares Wohnen an die Wohn- und Sozialpolitik der Stadt Wien.

Wege aus der Krise (2016): Zivilgesellschaftliches Zukunftsbudget 2017-2019.

Fotos: Marina Einböck

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