In Barcelona gingen am Samstag Zehntausende Menschen auf die Straße, um für die Aufnahme von Flüchtlingen zu demonstrieren. Ein bemerkenswerter Protest und ein klares Zeichen der Solidarität.
Die spanische Polizei sprach von 160.000 Teilnehmern, die Organisatoren von bis zu 500.000 Demonstranten. Die tatsächliche Anzahl mag wohl dazwischen liegen. Aufgerufen zu den Protesten hatte die Nichtregierungsorganisation (NGO) CASA NOSTRA-CASA VOSTRA (Unser Haus-Euer Haus).
Bei Casa Nostra-Casa Vostra handelte es sich ursprünglich um eine große Gruppe von Aktivisten, die sich erstmals an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien in den Flüchtlingslagern traf, um zu helfen. Als sie zurück in Spanien waren, gründeten sie die NGO und riefen vor einigen Wochen zu der Demonstration auf.
Unterstützung bekamen sie von der Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau (Foto rechts) und dem katholischen Erzbischof der Stadt Juan José Omella. Außerdem schlossen sich Gewerkschaften und Parteien aller Couleur den Protesten an – bis auf die Regierungspartei PP (Partido Popular/Volkspartei).
Der Hintergrund für den Protest ist ein vor etwa eineinhalb Jahren zwischen der Regierung Spaniens und weiteren EU Ländern unterzeichnetes Abkommen, wonach ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen aufgenommen werden sollte. Bei Spanien bedeutete das 17.000 Menschen.
Bis heute haben die Behörden aber lediglich 700 zugelassen. In Katalonien selbst wurde nur ein Drittel der zugewiesenen 1.250 Flüchtlinge aufgenommen. Das rief bei Menschenrechtlern, linken Parteien, Gewerkschaften und großen Teilen der Bevölkerung Empörung hervor und es wurde beschlossen, auf die Straße zu gehen.
Bedenkt man die prekäre Lebenssituation, in der sich ein erheblicher Teil der spanischen Bevölkerung befindet, so ist es bemerkenswert, dass sie sich in dieser Weise für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzt.
Die Faschisten sind in der Minderheit
Natürlich gibt es auch in Spanien wie in jedem anderen Land Europas Menschen, die Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen leisten – vor allem vom rechten Rand des politischen Spektrums: Die Faschisten sind nach dem Übergang Spaniens von der Diktatur zur Demokratie nie ganz von der Bildfläche verschwunden. Sie sind jedoch in der Minderheit.
Dass die Phobie gegenüber der islamischen Welt nicht derartig ausgeprägt ist wie in anderen europäischen Ländern, mag daher rühren, dass Spanien seit je her gute Kontakte zu ihr pflegt – vor allem durch die unmittelbare Nähe zu Nordafrika und nicht zuletzt durch die eigene Geschichte. Immerhin war Spanien zu großen Teilen fast 800 Jahre lang unter muslimischer Herrschaft und diese Zeit ist nicht ausschließlich als schlecht zu bewerten.
Gewachsene Solidarität
Es gibt zwei weitere Gründe, die meines Erachtens die Bereitschaft Flüchtlinge aufzunehmen positiv beeinflussen.
Zum einen bekommen gerade die Bewohner der südlichen Küstenregionen Spaniens und die der Kanarischen Inseln seit Jahrzehnten und tagtäglich das Drama der Menschen mit, die aus Afrika flüchten, wenn immer wieder Leichen an die Strände gespült werden oder kaum seetüchtige Nussschalen überfüllt mit halb verdursteten Menschen landen. Diese Erlebnisse haben die meisten Spanier nicht abstumpfen lassen, sondern eher das Gegenteil bewirkt und die Solidarität größer werden lassen.
Zum anderen trifft es wohl zu, dass Menschen eher bereit sind zu teilen, wenn sie selbst wenig haben, als wenn sie viel besitzen.
Fotos: Ada Colau i Ballano ist eine katalanische Aktivistin und seit Juni 2015 Bürgermeisterin von Barcelona. (Andrea Ciambra/flickr.com; Lizenz: CC BY-SA 2.0); Demofoto & Titelbild: Ajuntament Barcelona/flickr.com (Lizenz: CC BY-ND 2.0)
Zuerst erschienen auf „Neue Debatte“, Kooperationspartner von Unsere Zeitung.