Ein Kommentar von Stefan Kastél
Dieser Tage fand das Finale von Germany’s Next Topmodel statt. Viele von uns vermissen an dieser Stelle Roger Willemsen, der dieses Spektakel der absoluten Selbstdarstellung einst wie folgt beschrieben hat:
„Eine unschöne Frau mit laubgesägtem Gouvernanten-Profil (Heidi Klum) bringt kleine Mädchen zum Weinen, indem sie ihre orthodoxe, hochgerüstete Belanglosigkeit zum Maßstab humaner Seinserfüllung hochschwindelt, über ‚Persönlichkeit‘ redet, sich aber kaum mehr erinnern kann, was das ist, und sollte diese je zum Vorschein kommen, sie mit Rauswurf bestraft. Der Exzess der Nichtigkeit aber erreicht seinen Höhepunkt, wo Heidi Nationale mit Knallchargen-Pathos und einer Pause, in der man die Leere ihres Kopfes wabern hört, ihre gestrenge ‚Entscheidung‘ mitteilt und wertes von unwertem Leben scheidet. Da möchte man dann elegant und stilsicher, wie der Dichter sagt, sechs Sorten Scheiße aus ihr rausprügeln – wenn es bloß nicht so frauenfeindlich wäre.“
In der letzten Show von GNTM gab es natürlich nur Siegerinnen. Sogar eine „Personality“-Siegerin gab es. Böse Zungen behaupten, dass das Wort „Persönlichkeit“ dann doch zu weit gegriffen wäre.
„Personality“ ist möglicherweise ein 20-fach geschossenes Selfie, das mehrfach überfiltert wurde, um anschließend auf diversen sozialen Plattformen, mit dem Zusatz „Snapshot“ gepostet zu werden. Persönlichkeit wäre demnach alles, was abseits dieses Selfies passiert. Also der dumme, intelligente, traurige, fröhliche, spontane, melancholische, depressive, verzweifelte,….. Mensch.
Doch die Kandidatinnen dieser Show machen es vor. Sei immer fröhlich, ein bisschen frech, widersprich nicht und bilde dir bloß keine eigenen Gedanken! Man hat zu funktionieren oder scheidet aus. Allerdings scheidet man bei solchen Shows nicht einfach aus. Ebenso wie die Siegerin in himmelhochjauchzende Höhen katapultiert wird, glaubt man Schindler´s Liste zu sehen, sobald eine Kandidatin das Feld räumen muss. Zeitlupen, herzzerreißende Musik und Tränen ohne Ende.
Abgesehen von „Personality“ werden aber auch noch andere Dinge erwartet und verkauft. Dabei geht es um so genanntes Product Placement, also die gezielte Darstellung von Markenprodukten in unterschiedlichsten Medien.
Nachdem man jungen Menschen gezeigt hat was sie tun müssen, um immer glücklich und beliebt zu sein, wird ihnen außerdem vorgesetzt, mit welchen Produkten sie ihre Personality füttern sollten, um möglichst am Puls der Zeit zu bleiben.
Man wird mit Werbung überschüttet. Pro Staffel soll es ein Gesamtbudget von 55 Millionen Euro geben, das ausschließlich für Einschaltungen unterschiedlichster Art zur Verfügung steht. Das Auto bei einem Shooting, der zufällig platzierte Kaffee auf dem Tisch der Model-WG oder dieser Rasierapparat, der nach jenem Planeten benannt ist, welcher der Sonne am nächsten ist.
Germany’s Next Topmodel zelebriert das absolute Nichts. Du brauchst keine Persönlichkeit, du brauchst nur Schönheit, ein Lächeln und die Gabe so über einen Laufsteg zu stolzieren, dass den Geldgebern deine Personality gefällt.
Titelbild: Germanys Next Topmodel Finalisten Staffel 4, April 2009 (ds1987; Lizenz: CC BY-SA 2.0)