Seit geraumer Zeit wächst die Bevölkerung in vielen österreichischen Städten und Ballungszentren stark. Diese Renaissance der Städte ist eine fundamentale Ursache, warum die Wohnungspreise und -mieten seit rund einem Jahrzehnt überproportional steigen. Damit die Kosten für das Wohnen nicht einen noch höheren Anteil des Einkommens der Haushalte verschlingen, braucht es vor allem eine Ausweitung des sozialen Wohnungsangebots und eine Reform des Mietrechts.
Von Lukas Tockner / Blog “Arbeit & Wirtschaft”
Wien wird in naher Zukunft über zwei Millionen EinwohnerInnen haben. Graz wächst relativ betrachtet noch schneller als die Bundeshauptstadt. Im Ballungsraum Innsbruck ist ebenfalls ein deutlicher Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen und für den oberösterreichischen Zentralraum wird ein starker Haushaltszuwachs prognostiziert.
Weil innerstädtischer Wohnraum nicht so leicht ausgeweitet werden kann, übersteigt die Nachfrage das Angebot und versetzt die gewerbliche Immobilienwirtschaft in die Lage, diese Situation für höhere Gewinne auszunützen. Untaugliche Mietenbegrenzungen in Teilen des privaten Segments führen vor diesem Hintergrund dazu, dass auch in den de jure geregelten Altbauwohnungen de facto die Mieten markant steigen.
Eine zweite, wesentliche Ursache für die Preissteigerungen der letzten Jahre ist die verbreitete Vermögensumschichtung gemäß der Devise „Grundbuch statt Sparbuch“. Im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Veranlagung in Immobilien deutlich attraktiver geworden. Dadurch hatte auf städtischen Wohnungsmärkten, welche aufgrund des starken Zuzugs bereits ohnehin kleiner geworden waren, die Wohnungsnachfrage noch einmal sprunghaft zugenommen.
Beispiel Wien: Wohnkostenbelastung der Haushalte steigt
Bezüglich der angespannten Wohnungsmärkte in Ballungszentren liegt österreichweit die beste Datenlage für Wien vor. Daher wird hier vor allem auf die Entwicklungen am Wiener Wohnungsmarkt in den letzten Jahren fokussiert.
Die nachstehende Grafik verdeutlicht, dass die Wohnkostensteigerungen in den letzten acht Jahren vor allem auf die Nettomieten pro Quadratmeter für neu vermietete Wohnungen im privaten Segment (+43 Prozent) und steigende Kaufpreise für Häuser und Wohnungen (+80 Prozent) zurückzuführen sind. Zum Vergleich: Die allgemeine Teuerung betrug lediglich 14 Prozent. Die verfügbaren Einkommen der Haushalte sind im gleichen Zeitraum deutlich verhaltener gestiegen (+22 Prozent); demnach bleibt den ArbeitnehmerInnen unterm Strich weniger Geld für andere Konsumausgaben. Die hohen Wohnkosten sind folglich nicht nur ein gesellschaftspolitisches, sondern auch ein wirtschaftspolitisches Problem.
Die so oft im Rampenlicht stehenden Betriebskosten wiesen ebenso nur eine Steigerung im Ausmaß der allgemeinen Verbraucherpreise auf und konnten damit den Anstieg der Bruttomieten (+36 Prozent) dämpfen. Privat zu mieten, ist also deshalb so kostenintensiv geworden, weil die Wohnungen an sich deutlich teurer wurden. Die Betriebskosten – also etwa für Reinigung und Verwaltung des Hauses oder Müllentsorgung und Wasser – sind diesbezüglich nicht ausschlaggebend.
Plausible Quellen zeigen, dass die Wohnungskosten in den westlichen Landeshauptstädten sogar noch höher sind. Dem Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer ist zu entnehmen, dass aktuell hinsichtlich der privaten Neuvertragsmieten Bregenz, Innsbruck und Salzburg teurer sind als Wien. Neu errichtete Eigentumswohnungen sind in Salzburg teurer als in Wien und die Preise in Innsbruck sind beinahe auf dem Wiener Niveau.
Wohnungsfrage ist Verteilungsfrage
Die Wohnkosten als wichtigste Konsumausgabenkategorie treiben die Inflation, die hierzulande in den letzten Jahren überdurchschnittlich hoch war, an. Steigen die Wohnkosten stärker als die Einkommen, kann das vor allem für weniger kaufkräftige Haushalte ein Problem darstellen. So ist der Anteil der Wohnungskosten bei Personen mit sehr niedrigen Einkommen (unter 60 Prozent des Medians) etwa 4,5 Mal so groß wie bei Personen mit hohem Einkommen.
Gleichzeitig haben die Mieten einen umverteilenden Effekt: In der unteren Einkommenshälfte wohnen die Haushalte überwiegend zur Miete. Wohnungsbesitz über den Hauptwohnsitz hinaus ist hingegen stark auf die vermögendsten Haushalte konzentriert. Wenn die durch Mieten erzielten Vermögenseinkommen also stärker steigen als andere Einkommensarten, kommt es tendenziell zu einer Umverteilung von unten nach oben.
Wie der – nach wie vor hochlukrative – Immobiliensektor reguliert wird, ist somit ein relevanter Faktor für Verteilungsfragen. Dies ist auch einer der Gründe für den anhaltenden Widerstand seitens der Immobilienwirtschaft gegen jegliche Form der Mietenbeschränkung (und auch gegen Erbschafts- und andere Vermögenssteuern).
Kosten fürs Wohnen wirksam eindämmen
Vor diesem Hintergrund ist eine zweigliedrige wohnpolitische Strategie geboten. Da die Ballungszentren wachsen, ist es erstens erforderlich, dass mehr soziale Mietwohnungen gebaut werden. Dadurch wüchse nicht nur das Angebot an bezahlbaren Wohnungen, sondern über einen entsprechenden Angebotseffekt könnte mittelfristig auch das Preisniveau im privaten Segment gedämpft werden.
Aufgrund des regen Zuzugs in den vergangenen Jahren ist in mehreren Ballungszentren ein besonders ausgeprägter Nachfrageüberhang am Wohnungsmarkt entstanden. Folglich ist daher nicht zu erwarten, dass durch mehr sozialen Mietwohnungsbau sofort ein preisdämpfender Effekt im privaten Segment erreicht werden kann.
Deshalb ist es zweitens erforderlich, dass das Mietrechtsgesetz, welches die private Vermietung regelt, reformiert wird, um die Mieten direkt zu begrenzen. Beispielsweise ist der mittlerweile beunruhigend hohe Anteil an lediglich befristeten Verträgen zu senken, der nicht nur den MieterInnen Planungssicherheit verunmöglicht, sondern von VermieterInnen auch für kostenseitig nicht gerechtfertigte, außerordentliche Mieterhöhungen zwischen den Verträgen genutzt wird.
Forderungen nach strikteren Zugangsregeln bei sozialen Mietwohnungen – etwa durch niedrigere Einkommensgrenzen – gehen hingegen am Kern des Problems vorbei. Die aktuellen Mieten und Preise im gewerblichen Immobiliensegment sind bis weit in die Mittelschicht hinein entweder gar nicht oder nur bei sonstigen spürbaren Einschränkungen bezahlbar. An der maßgeblichen Tatsache, dass es insgesamt zu wenig bezahlbare Wohnungen in den Ballungszentren im Land gibt, würden derartige Verschärfungen nichts ändern. Die international vorbildliche soziale Durchmischung in den österreichischen Städten würde hingegen Schaden nehmen.
Drei Ansatzpunkte zur Eindämmung der Wohnkostenbelastung
1. Bodenpolitik im Hinblick auf leistbares Wohnen ermöglichen
Wohnungen, die nach Fertigstellung leistbar sein sollen, erfordern bereits zu Beginn der Projektplanung erschwingliches Bauland. Diesbezüglich wäre wünschenswert, dass folgende bereits ins Regierungsprogramm aufgenommene Maßnahmen noch vor der nächsten Nationalratswahl umgesetzt werden: Erstens wäre den Ländern die Kompetenz zu übertragen, eine durchsetzungsfähige Bodenpolitik im Hinblick auf Wohnbauförderungsaktivitäten zu betreiben. Zweitens sollte beim Verkauf von öffentlichen Liegenschaften vom Höchstbieterprinzip teilweise abgewichen werden können, wenn diese zum Bau von leistbarem sozialen Wohnbau verwendet werden.
2. Ausweitung des sozialen Wohnungsangebots
Um mehr sozialen Wohnraum zu ermöglichen, braucht es neben zur Verfügung stehenden Flächen ausreichend langfristige und zinsgünstige Finanzierungsmöglichkeiten. Hilfreich wäre etwa eine weitere Reform des Wohnbauförderungsbeitrages. Zwar wird dieser ab 1. Jänner 2018 eine Abgabe sein, über deren Höhe die Länder selbst entscheiden können. Da die Gesetzgebungskompetenz allerdings weiter beim Bund liegt, sollte dieser den Kreis der Wohnbauförderungsbeitragspflichtigen erweitern. Landwirte und Selbstständige etwa können unter den jeweiligen landesrechtlichen Voraussetzungen Wohnbauförderungsmittel beziehen. Den Wohnbauförderungsbeitrag müssen sie aber nicht leisten.
Seitens des Bundes sollte ferner mittelfristig eine bedarfsadäquate Erhöhung des Haftungsrahmens für die Wohnbauinvestitionsbank erwogen werden. Derart wird zukünftig mehr sozialer Mietwohnungsbau budgetneutral angeregt werden können.
3. Mietrechtsgesetz reformieren
Das im Mietrechtsgesetz enthaltene Richtwertsystem hat in der Praxis keine taugliche mietenbegrenzende Wirkung. Ferner werden zwei von drei neuen Mietverträgen im privaten Segment lediglich befristet vergeben.
Eine Reform des Mietrechtsgesetzes muss daher mehrere Punkte umfassen. Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche (Voll- und Teilanwendung sowie Vollausnahme) sollten vereinheitlicht werden, um eine verständlichere und anwenderfreundlichere Rechtslage zu schaffen. Hinsichtlich der Mietenbegrenzungen sollte bei neu errichteten Wohnungen für einen erheblichen Zeitraum – beispielsweise 30 Jahre – eine freie Mietzinsvereinbarung zulässig sein, um entsprechende Anreize für Neubautätigkeiten zu gewährleisten. Bei älteren Wohnungen sollten die Mieten ausgehend von einem bundesweit einheitlichen Richtwert in der Höhe von 5,50 Euro pro Quadratmeter sowie anhand eines gesetzlich festgeschriebenen Katalogs von Zu- und Abschlägen begrenzt werden. Die Möglichkeit, befristet zu vermieten, sollte auf gut begründete Ausnahmefälle – etwa absehbarer Eigenbedarf von WohnungseigentümerInnen – beschränkt werden.
Dieser Textbeitrag ist zuerst auf blog.arbeit-wirtschaft.at unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) erschienen. Weitere Informationen dazu auf: blog.arbeit-wirtschaft.at/ueberdiesenblog/#creativecommons
Titelbild: Wohnen/Architektur (pixabay.com; public domain)
Die Preise in Wien stiegen sowohl für Gewerbeimmobilien als auch für Gaststätten. Dennoch wird das Wiener Sozialwohnungsmodell als sehr gut angesehen, und viele Länder möchten etwas Ähnliches haben.