Dr. Einsteins Mausefalle – Folge 5
Friedens-Kolumne von Gabriele Prohaska-Marchried
Dass wir den ersten Kalten Krieg überlebt haben, verdanken wir den Vorwarnzeiten. Doch mit den nun entwickelten Überschallträgersystemen verringert sich die Vorwarnzeit auf 1-2 Minuten, wie Nikolai Sokov am 16. April in Wien im Center for Disarmament and Non-Proliferation ausführte (Sokov hat u.a. an den START-Verhandlungen mitgewirkt.).
Es handelt sich im wesentlichen um zwei Arten von Überschallwaffen: Überschallmarschflugkörper, die sich mit fünf- bis achtfacher Schallgeschwindigkeit fortbewegen und Gleitflugkörper, die mit bis zu 20facher Schallgeschwindigkeit oberhalb der Atmosphäre „gleiten“, bevor sie sich auf ein Ziel stürzen. Da die Überschallwaffen manövrierbar sind, können sie auch Abfangvorrichtungen umfliegen und bis zuletzt über das Ziel im Unklaren lassen.
Den Trägervehikeln kann von außen nicht angesehen werden, ob sie konventionell oder atomar bestückt sind, überdies können sie Ziele bereits mit ihrer kinetischen Energie zerstören. Ihre Stationierung im Abschussmodus kann als Kriegsvorbereitung angesehen werden und einen Präventivschlag provozieren.
Die USA, Russland und China rüsten auch da um die Wette. Frankreich und Indien ziehen nach, Japan, Australien und Europa entwickeln Komponenten.
Sokov schätzt, dass die ersten Überschallwaffen Ende kommenden Jahres einsatzbereit sind, Überschall-Langstreckenwaffen in 5-10 Jahren. Damit wird das nächste Jahrzehnt eine hochriskante Zeit der Instablität. 1-2 Minuten Vorwarnzeit bedeutet: Keine Zeit zum Nachdenken, Überprüfen, Nachfragen, nur mehr Zeit, den Knopf zu drücken.
Noch ist Zeit für weltweite Proteste. Aber nicht mehr viel.
Bisherige Folgen von „Dr. Einsteins Mausefalle“:
- „Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren“ (Folge 1)
- „Gebrauchsfähigere“ Atombomben in Europa (Folge 2)
- Hawking: „Don’t bank on the bomb!“ (Folge 3)
- Atomschlag bei Alarm (Folge 4)
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