Jeden Tag sind durchschnittlich mehr als 1.000 vorzeitige Todesfälle vor allem durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon in den EU-Ländern zu beklagen, weil sich bisherige politische Maßnahmen zur Reduktion von Luftschadstoffen als unzureichend erweisen.
Von Robert Manoutschehri
Diese Warnung kommt von „ungewohnter Seite“, nämlich nicht von Klimaforschern, Umweltschutz-NGOs oder Medizinern, sondern vom Europäischen Rechnungshof (EuRH). „Die Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in der Europäischen Union„, so Janusz Wojciechowski, einer der Autoren des Berichts. Jährlich verursacht die Luftverschmutzung weit über 400 000 vorzeitige Todesfälle in der EU.
Seit rund 30 Jahren gelten in der EU Rechtsvorschriften zur Luftreinhaltung, in denen Grenzwerte für Luftschadstoffkonzentrationen festgelegt sind. Trotzdem ist die Luftqualität in den meisten EU-Mitgliedstaaten und in zahlreichen europäischen Städten heutzutage immer noch schlecht. Weltweit sieht die Situation noch schlimmer aus – die jüngste WHO-Studie errechnete unvorstellbare 9 Millionen Opfer jährlich durch belastete Atemluft.
„Die EU-Politik hat in den letzten Jahrzehnten zwar dazu beigetragen, die Emissionen zu vermindern, die Luftqualität hat sich jedoch nicht in gleichem Maße verbessert, und die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit sind nach wie vor erheblich„, kritisiert Wojciechowski unzureichende Umweltpolitik. Die dadurch eingebüßten gesunden Lebensjahre jedes Einzelnen von uns sind dabei durchaus mit Zahlen aus Ländern vergleichbar, die man gemeinhin mit Luftverschmutzung und Smog in Verbindung bringt, wie etwa China oder Indien.
Hohe Kosten, kaum Erfolge
Wie aus dem neuen Wirtschaftlichkeitsprüfungbericht hervorgeht, der den Zeitraum 2008 bis März 2018 untersuchte, haben die Maßnahmen der EU zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Luftverschmutzung nicht die erwartete Wirkung gezeigt. Die gesundheitsbezogenen externen Kosten belaufen sich auf mehrere Hundert Milliarden Euro. Doch diese erheblichen menschlichen und wirtschaftlichen Kosten hätten sich noch nicht in geeigneten Maßnahmen niedergeschlagen, was in erster Linie auf schwache Rechtsvorschriften und unzulängliche Umsetzung der Politik zurückzuführen sei, aber auch auf langwierige Durchsetzungsverfahren, so der Bericht.
Für die Einhaltung der Luftgüte-Grenzwerte der EU, welche leider viel höher angesetzt sind als die Leitlinien der WHO empfehlen, sind zwar die EU-Mitgliedsstaaten selbst zuständig, doch in vielen Ländern werden diese Grenzwerte immer wieder deutlich überschritten, wofür v.a. bei den Stickoxiden hauptsächlich der Straßenverkehr (und die Energiegewinnung aus Kohle) verantwortlich ist. In 23 von 28 Mitgliedstaaten werden die Luftqualitätsnormen überschritten – insgesamt in mehr als 130 Städten in ganz Europa.
Die EU-Kommission hatte daher bereits Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und Großbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. In Deutschland hat dies u.a. bereits zu Diesel-Fahrverboten in mehreren Städten geführt. „Vorwarnungen“ dazu ergingen auch schon an Österreich und mehr als ein Dutzend weiterer Länder.
Die häufigsten Zivilisationskrankheiten dank Luftverschmutzung
Über den Grenzwerten liegende, hohe Schadstoffkonzentrationen sind zwar die deutlichste Ausprägung der Luftverschmutzung, die langfristige Exposition gegenüber niedrigeren Dosen stellt jedoch eine noch größere Gefahr für die menschliche Gesundheit dar.
Laut Angaben der WHO werden 80 Prozent der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung durch Herzerkrankungen und Schlaganfälle verursacht, gefolgt von Lungenerkrankungen, einschließlich Krebs und einer Reihe weiterer Erkrankungen. Selbst Intelligenz und Denkleistung können durch Umweltgifte gemindert werden, wie weitere Studien, etwa von der UNICEF implizieren. Die durchschnittliche Lebenserwartung würde schon alleine aufgrund der Feinstaub-Belastungen aus menschlichen Quellen um etwa 8,6 Monate niedriger sein als sonst.
Besonders gefährdet sind dabei alle in Ballungsräumen lebende Menschen – bis zu 96 Prozent der in städtischen Gebieten lebenden Bürger sind Luftschadstoffkonzentrationen ausgesetzt, die von der WHO als gesundheitsschädlich betrachtet werden. Um sich ein für jedermann vorstellbares Bild von der Belastung zu machen, hat eine Studie der European Federation for Transport and Environment (T&E) kürzlich ausgerechnet, dass ein Jahr in Wien, Amsterdam, Rom oder Paris zu leben, ungefähr dem Konsum von 183 Zigaretten gleichkommt.
Energiewende, Grenzwerte senken, Öffentlichkeitsbildung stärken
Der Rechnungshof empfiehlt der Kommission, dringend wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, um die Luftqualitätsrichtlinie zu aktualisieren (sprich, die Grenzwerte auf die WHO-Empfehlungen zu senken), die Luftqualitätspolitik zu priorisieren sowie das öffentliche Bewusstsein zu stärken und sowohl die Umwelt-Bildung als auch die Möglichkeiten für öffentliche Beteiligung zu verbessern.
Die Ziele des EU-Rahmens für die Klima – und Energiepolitik bis 2030, die darin bestehen,
* die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu senken,
* den Anteil erneuerbarer Energiequellen auf mindestens 27 Prozent zu erhöhen und
* die Energieeffizienz um mindestens 27 Prozent zu steigern,
könnten darüberhinaus alle zu Emissionsminderungen beitragen.
Die Energiewende , bzw. der Übergang zu CO2-armen Energieträgern wäre der Luftqualität und unserer Gesundheit also sehr von Nutzen.
Titelbild: Kohlekraftwerk Herne der Steag-Gruppe (wikipedia.org; Volker Polednik; Lizenz: CC BY-SA 3.0)