Interview mit Daniel Gaio, Sekretär für Umweltfragen des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT, kurz vor den allgemeinen Wahlen in Brasilien am kommenden Sonntag, 7. Oktober. (versión en español abajo)
„Wir befinden uns in einem der gefährlichsten Momente unserer Geschichte“, meint Daniel Gaio von der CUT Brasilien, dem größten gewerkschaftlichen Dachverband des Landes, im Interview mit Unsere Zeitung. Wenige Tage vor dem ersten Urnengang führt der rechtsextreme Kandidat Jair Bolsonaro in den Umfragen. Doch die linke Arbeiterpartei und mit ihr die sozialen Bewegungen Brasiliens haben den Kampf noch nicht aufgegeben.
Interview: Michael Wögerer
Unsere Zeitung: Am Sonntag geht die erste Runde der Wahlen in Brasilien über die Bühne. Was sind deine Erwartungen? Wie ist die politische Atmosphäre im größten Land Südamerikas?
Daniel Gaio: Drei Tage trennen uns von der Wahl unseres Lebens. Mehr als der Streit um die Führung des Landes wird das Ergebnis der Wahlen das Überleben unserer Demokratie, die Existenz und den Widerstand der Gewerkschaften, der sozialen Bewegungen und der demokratischen Organisationen bestimmen. Unsere Existenz steht auf dem Spiel.
Wenn die extreme Rechte gewinnt, werden die Konsequenzen für ArbeiterInnen, Gewerkschaften und die Demokratie schändlich und irreparabel sein.
In den letzten Tagen haben wir beobachtet, dass das Kapital, Geschäftsleute, die sogenannten „großen Medien“ und die Justiz damit begonnen haben, den rückständigen Kandidaten zu unterstützen.
Was waren die wichtigsten Änderungen/Rückschritte der Rechten nach dem Putsch gegen Dilma Rousseff?
In einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren illegitimer Regierung waren die Maßnahmen von (Präsident Michel, Anm.) Temer dadurch gekennzeichnet, dass sie gewisse Wirtschaftssektoren favorisierten und die Rechte von Brasilianerinnen und Brasilianern angriffen oder zurücknahmen, was die Krise und die Ungleichheit im Land erhöhte.
Wir können drei Maßnahmen hervorheben, die die Zukunft der Nation gefährden.
Erstens die Verfassungsänderung 95, die die Grenze der öffentlichen Ausgaben des brasilianischen Staates für die nächsten zwanzig Jahre einfriert, Bereiche wie Gesundheit und Bildung schädigt, aber auch etwa das Budget des Umweltministeriums beeinflusst.
Die Arbeitsreform, die historische Errungenschaften der Arbeiterklasse zunichte gemacht hat, fördert die Flexibilisierung der Arbeitszeit und die prekären Beschäftigungsbedingungen sowie das unbegrenzte Outsourcing in einem Zusammenhang, in dem die Arbeitslosigkeit über 13 Millionen erreicht hat.
Drittens können wir auf die Verschwendung von natürlichen Ressourcen und Öl sowie die Privatisierung staatlicher Unternehmen verweisen.
Du arbeitest in der CUT Brasilien als Sprecher für Umweltfragen. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Themen in diesem Bereich, für Brasilien und für die ganze Welt?
Das Rohstoffexportmodell steht im brasilianischen Kontext im Zentrum der Umweltdebatte, sei es in Bezug auf die Mineralgewinnung oder das Agro-Business. Die ökologischen und sozialen Auswirkungen dieser beiden Hauptachsen der Wirtschaft des Landes werden nicht berücksichtigt und beeinträchtigen die Möglichkeit in einer ökologisch und sozial ausgewogenen Welt zu leben. Innerhalb dieser beiden Aspekte spielen eine wesentliche Rolle die Entwaldung, die Nutzung von Wasser und deren Verschmutzung, der Einsatz von Pestiziden und die Zunahme von Gewalt aufgrund von Konflikten auf dem Land, wo in den letzten drei Jahren die Zahl der Morde an Bauern, indigenen Völkern, traditionellen Gemeinschaften und Umweltschützern alarmierend zugenommen hat.
Wenn die Arbeiterpartei (PT) die Wahlen gewinnt, welche Dinge werden sich in der Umweltfrage und in anderen wichtigen Bereichen verbessern?
Der PT-Regierungsplan schlägt als eine der strukturellen Achsen den sogenannten „ökologischen Übergang“ vor. Das Programm befasst sich mit den Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft, indem es Vorschläge zu Themen wie Energie unter der Kontrolle der Bevölkerung, gerechte Tarife und erneuerbare Energie einbringt; Agro-Ökologie und Kampf gegen die Verwendung von Agro-Toxinen (Giftstoffe, Anm.); Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in städtischen Zentren mit öffentlichen Verkehrsmitteln; Wohnungen, sanitäre Anlagen und Infrastruktur sowie das Leben auf dem Land, mit der Förderung des Rechts auf Land, Stärkung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe und sozialer Rechte. Auch der Kampf gegen die Entwaldung wird hervorgehoben, mit einem wichtigen Schwerpunkt im Amazonasgebiet.
Im weiteren Sinne schlägt die PT die Wiederaufnahme von Wachstum, Beschäftigung und die Annullierung der Arbeitsreformen sowie die Senkung der Ausgaben, die von der Staatsstreichregierung durchgeführt wurden, vor.
Was befürchtest du für Brasilien, wenn Bolsonaro, der Kandidat der extremen Rechten, gewinnt?
Hassrede und Angriffe auf Minderheiten, Frauen, Schwarze, Indigene, LGBT standen im Zentrum der Kampagne dieses Kandidaten und seiner Unterstützer sowie der Anreiz zu Gewalt und die Unterstützung für die Militärdiktatur. Bolsonaro stellt einen unberechenbaren Rückschlag für Brasilien in Bezug auf die Menschenrechte dar. Er wächst in den Umfragen durch Hassrede und Ablehnung der PT, aber ohne konkreten Regierungsvorschlag.
Aus diesen Gründen gingen unter der Führung der Frauenbewegung am 29. September mehr als 1 Million Menschen in 260 brasilianischen Städten und in verschiedenen Ländern der Welt unter dem Motto #ErNicht (# EleNão) auf die Straße, was einen historischen Moment in den Mobilisierungen in Brasilien darstellt, nein zum Machismus, zur LGBT-Phobie, zur Hassrede und zum Faschismus zu sagen. Wir werden weiter kämpfen, damit der Hass nicht gewinnt, aber wir befinden uns in einem der gefährlichsten Momente unserer Geschichte.
Zur Person:
Daniel Machado Gaio (37) ist Soziologe mit einem Master in Public Policy von der Universität Brasilia. Seit 2000 ist er Bankangestellter der Caixa Econômica Federal, wo er auch als Sekretär für Kommunikation der Angestelltengewerkschaft tätig war. Gaio war Delegierter und Leiter der Bankgewerkschaft von Brasilien und des Verbandes der Arbeiter in Kreditgenossenschaften (Centro Norte). Derzeit ist er nationaler Leiter des Nationalen Verbands der Arbeitnehmer des Finanzsektors (Contraf/CUT) und nationaler Sekretär für Umweltfragen der Central Única dos Trabalhadores (CUT), der größte gewerkschaftliche Dachverband Brasiliens. Vom 12. bis 20. September befand er sich auf Einladung von weltumspannend arbeiten, dem entwicklungspolitischen Verein im ÖGB, auf einer „Speakers-Tour“ in Österreich.
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“Nuestra existencia está en juego”
Entrevista con Daniel Machado Gaio, secretario del medio ambiente de la CUT Brasil, antes de las Elecciones generales de Brasil en el Domingo, 7 de octubre.
En pocos días es la primera ronda de las elecciones en Brasil. ¿Cuáles son tus expectativas? ¿Como esta la atmósfera política en el país más grande de América del sur?
Tres días nos separan de la elección de nuestras vidas. Más que la disputa por el mando del país, el resultado de las urnas determinará la supervivencia de nuestra Democracia, la existencia y resistencia de los movimientos sindical, sociales y organizaciones democráticas. Nuestra existencia está en juego.
Si la extrema derecha vencer, las consecuencias para trabajadores y trabajadoras, sindicatos y la democracia serán sórdidas e irreparables.
En los últimos días, hemos observado que Mercado, empresarios, la llamada „grandes medios“ y el Poder Judicial comenzaron a asumir voto en el candidato del atraso.
¿Cuáles fueron los cambios/retrocesos más importantes de la derecha después del golpe contra Dilma Rousseff?
En un período de dos años y medio de gobierno ilegítimo las medidas tomadas por Temer se han caracterizado por favorecer sectores económicos y atacar o retirar derechos de los brasileños y brasileñas aumentando la crisis y la desigualdad en el país. Podemos destacar tres medidas que comprometen el futuro de la nación. Primero, la enmienda constitucional 95, que congela el límite del los gastos públicos del Estado brasileño para los próximos veinte años, perjudicando áreas como la salud y educación, pero también influenciando el presupuestos como el del ministerio de medio ambiente por ejemplo.
La reforma laboral que acaba con conquistas históricas de la clase trabajadora promoviendo la flexibilización en la jornada de trabajo y condiciones precarias de empleo y la tercerización ilimitada, en un contexto donde el desempleo llegó a superar los 13 millones.
En un tercero lugar, podemos apuntar la entrega de los recursos naturales y del petróleo así como las privatizaciones de empresas estatales.
Tu estas trabajando en la CUT Brasil como secretario del medio ambiente. ¿Cuáles son las temas más importantes en esta área, para Brasil y para el mundo entero?
El modelo de exportación de commodities se encuentra en el centro del debate ambiental en el contexto brasileño, sea en relación a la extracción mineral o por el agronegócio. Los impactos ambientales y sociales creados por estos dos grandes ejes de la economía del país no son considerados y están comprometiendo la posibilidad de que vivamos en un mundo ecológicamente y socialmente equilibrado. Dentro de estos dos aspectos son fundamentales el tema del la deforestación, el uso del agua, y su contaminación, el uso de agrotóxicos y el aumento de la violencia por conflictos en el campo, donde en los últimos tres años han aumentado de forma alarmante el número de asesinatos contra campesinos, indígenas, poblaciones y comunidades tradicionales y defensores.
¿Si ganara el Partido de los Trabajadores (PT) las elecciones, que cosas van a mejorar en el tema del medio ambiente y en otras áreas importantes?
El plan de gobierno del PT propone como uno de los ejes estructurales la llamada “transición ecológica”. El programa apunta los desafíos para un futuro sustentable trayendo propuestas en temas como la energía con controle popular, tarifas justas y energía renovable; la agroecología y el combate a uso de Agrotóxicos; las ciudades y las formas de mejorar las condiciones de vida en los centros urbanos con transporte público, vivienda, saneamento e infraestructura así como la vida en el campo, con la promoción de derecho a la tierra, fortaleciendo la agricultura familiar y los derechos sociales. También, se destaca el combate a la deforestación, con foco importante en el Amazonas.
De una forma más amplia el PT trae como propuesta la retomada del crecimiento, el empleo, y anular las reformas laborales y el corte de gastos implementado por el gobierno golpista.
¿Qué temes por Brasil si ganaría Bolsonaro, el candidato de la extrema derecha?
El discurso de odio y ataque a minorías, mujeres, negros/as, indígenas, LGBT han sido bandera de este candidato y de sus apoyadores, así como el incentivo a la violencia y el apoyo a la dictadura militar. Bolsonaro representa un retroceso incalculable para Brasil en términos de derechos humanos que solo crece en las pesquisas partir del discurso de odio y rechazo al PT pero sin ninguna propuesta concreta de gobierno. Por estos motivos, con el liderazgo del movimiento de mujeres, el pasado 29 de septiembre más de 1 millón de personas fueron a las calles en 260 ciudades brasileñas y en varios países del mundo bajo la consigna #ElNo (#EleNão), marcando un momento histórico en las movilizaciones en Brasil para decir no al machismo, a la LGBTfobia, al discurso del odio, al fascismo. Seguiremos luchando para que el odio no gane. Pero ciertamente estamos en uno de los momentos más peligrosos de nuestra historia.