Der international gute Ruf Österreichs hat sich ins Gegenteil gewandelt. Sie einstmalige „Insel der Seligen“ mutiert zum quasi-Schurkenstaat in der EU – jetzt auch beim Umwelt- und Klimaschutz.
Von Robert Manoutschehri
In erstaunlich kurzer Zeit hat sich der international gute Ruf Österreichs unter seiner neuen Schwarz-Blauen Regierung ins Gegenteil gewandelt – die einstmalige „Insel der Seligen“ mutiert quasi zum neuen Schurkenstaat in der EU. Die internationale Kritik beklagt inzwischen nicht nur einen unverhältnismäßig massiven Rechtsruck und Abbau-Tendenzen bei den Bürger- und Menschenrechten, der Medienfreiheit sowie des Rechts- und Sozialsystems, sondern auch einen fahrlässigen Umgang mit der Natur und dem Klima bis hin zur Atemluft.
Der jüngste Negativ-Preis wurde uns – Dank heftig koalierender Klimawandel-Ignoranten Sebastian Kurz und H.C. Strache – nun auf der Klimakonferenz (COP 24) in Katowice verliehen, wo u.a. auch darüber verhandelt wird, ob es bestehende Kohle-Subventionen in Höhe von rund 58 Mrd. Euro weiterhin geben solle. Österreich wurde vom Climate Action Network (CAN) genau deswegen zum „Fossil des Tages“ gekürt.
Hauptgrund: Ausgerechnet in der Funktion als EU-Ratspräsident vorzuschlagen, dass Kohlekraftwerke in der EU noch bis 2035 weiter zu subventionieren wären, anstatt einen raschest möglichen Ausstieg aus einem der größten Emissionsherde von klimaschädlichem CO2 und gesundheitsgefährdenden Luft-Schadstoffen anzugehen, wie es auch vom EU-Parlament angestrebt wird, bescherte uns einen „Award“, den zuvor nur Umweltsünder wie die USA, Brasilien und Saudi-Arabien erhielten.
Weitere Gründe wären fehlende Zusagen für eine internationale Finanzierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Folgen, sowie eine „lasche Verhandlungsführung bei den CO2-Grenzen für PKWs sowie die fragwürdigen Aussagen von Vizekanzler Strache über den menschengemachten Klimawandel“, wie vonseiten der EU-Grünen vor Ort kommentiert wurde.
CAN-Direktor Wendel Trio begründet diese Entscheidung in deutlichen Worten:
„Sich mit den schlimmsten Klima-Nachzüglern der EU auf ein (politisches) Abstellgleis zu stellen, ist nicht das, was man sich von einem wahren Führer erwartet hätte. Die österreichische Präsidentschaft müsste vielmehr den Weg zu einer Null-Emissions-Klimaökonomie einschlagen, indem sie auf ehrgeizige Klimaziele drängt und Kohlesubventionen ein Ende setzt, anstatt Europa für die nächsten Jahrzehnte im Kohlesumpf zu versenken.“
Auf der Klimakonferenz wird auch besprochen, wie Entwicklungsländer stärker im Kampf gegen die Klimakrise unterstützt werden können. Die Industrienationen hatten sich zwar geeinigt, bis 2020 an die 100 Mrd. Euro dafür zu mobilisieren, ausreichende Zusagen fehlen aber bisher. „Dies ließe sich ändern, wenn umweltschädliche Subventionen endlich abgebaut werden“, so Global 2000 in einer Stellungnahme.
„Es geht um Milliardengelder, die wir für die Energiewende und die Unterstützung von Entwicklungsländern bitter nötig haben. Die EU muss jetzt die Kohlesubventionen beenden und diese Gelder in die Energiewende, internationale Klimafinanzierung und die Unterstützung jener Regionen und ArbeitnehmerInnen umleiten, die noch stark an der fossilen Energiewirtschaft hängen“, kommentierte Johannes Wahlmüller aus Katowice.
Österreich beim Klimaschutzindex auf Platz 36 abgerutscht.
Unser selbstgefühltes „Umweltmusterland“ kann und muss sich von dieser Bezeichnung nun endgültig verabschieden – wie der nun ebenfalls vorgestellte Internationale Klimaschutzindex (CCPI, bzw. Climate Change Performance Index) von Germanwatch, dem New Climate Institute und dem Climate Action Network enthüllt, in dem 56 Staaten und die EU auf ihre Fortschritte beim Klimaschutz und auf die Erreichung der Pariser Klimaziele analysiert werden.
Die ersten drei Plätze blieben frei, weil kein Land ausreichend für den Klimaschutz unternimmt, auf Platz 4 rangiert Schweden, weil es sich ehrgeizige Ziele setzt und die CO2-Emissionen erfolgreich reduziert hat, und auf Platz 5 liegt Marokko, das stark in erneuerbare Energien investiert. Österreich hingegen fällt dem Index zufolge um einen Platz auf Rang 36 zurück und rangiert nur noch im hinteren Mittelfeld (medium performers).
Auch Deutschland wird zurück gestuft – mit dem 27. Platz erhält es nur mehr eine „mäßige“ Bewertung. Die vergleichsweise schlechte Leistung in der Kategorie Treibhausgase lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass Deutschland nach wie vor einer der größten Verbraucher von Braunkohle ist. Die Staatengemeinschaft der Europäischen Union (EU 28) schafft es mit Platz 16 noch in den Bereich der Länder, die mit „gut“ bewertet werden. Im Einzelbereich Treibhausgase liegt die Bewertung aber wegen der hohen Pro-Kopf-Emissionen nur bei „mäßig“.
Für Viele wahrscheinlich eine Überraschung
Wir liegen damit teilweise weit hinter den „bekannten“ großen Klimasündern unserers Globus: Österreich musste sich erstmals hinter China (Platz 33) einreihen, das mit starken Investitionen in erneuerbare Energien und einer Regulierung der Industrieemissionen im Ranking hochklettern konnte. Auch Indien weist deutlich niedrige Pro-Kopf-Emissionen auf als Österreich und rückt auf Rang 11 vor. Auf den letzten Plätzen liegen Iran, die USA und Saudi Arabien.
Aufgrund eines hohen Anteils an Wasserkraft wird Österreich in der Kategorie Erneuerbare Energien zwar als gut bewertet, jedoch in der Kategorie Treibhausgase als schlecht eingestuft. Die Treibhausgas-Emissionen wären auf einem sehr hohen Niveau sind und würden sogar weiter steigen. Die gesteckten Klimaziele wären hingegen viel zu schwach und mit den völkerrechtlich verbindlichen Zielen des Pariser Klimaabkommens nicht vereinbar.
Weitere Kritik: Unser Energieverbrauch ist extrem hoch – in dieser Sub-Kategorie erreicht Österreich sogar nur den 46. Platz. Erschwerend kommt hinzu, dass keine wirksame Klimapolitik im Inland bemerkbar ist, die klimaschädliche Emissionen ausreichend reduzieren würde. Die nationalen ExpertInnen kritisieren, dass konkrete Maßnahmen fehlen, die einen weiteren Anstieg der Emissionen verhindern, insbesondere im Verkehrssektor. Österreich habe zudem noch keinen Kohleausstieg eingeleitet, obwohl das letzte Kraftwerk 2025 vom Netz genommen werden soll.
Falsche Politik macht mehr Probleme als die Umwelt
Wo die „Probleme“ Österreichs liegen, endlich effektiven Klimaschutz zu betreiben, analysierten Wissenschaftler des Climate Change Centre Austria (CCCA) – darunter Helga Kromp-Kolb (Universität für Bodenkultur, Wien), Gottfried Kirchengast, Leiter des „Wegener Center für Klima und Globalen Wandel“ von der Universität Graz – gemeinsam mit den größten Umweltschutz-Organisationen auf einer Pressekonferenz in Wien.
„Aus Sicht der Klimaschutz- und Transformationsforschung erkennen wir derzeit in Österreich eine ‚politische Blockade‘ als größte aktuelle Barriere: Die Leitung der Bundesregierung und die Bundesregierung insgesamt bringen bisher nicht die ausreichende politische Unterstützung für die notwendigen tiefgreifenden Maßnahmen ein“, fasst Kirchengast zusammen.
Der Verkehr ist dabei der größte Problembereich beim Klimaschutz. Die Klimastrategie der Bundesregierung sieht eine Reduktion der CO2-Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2030 um ein Drittel vor. Doch anstatt zu sinken, steigen die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs seit dem Jahr 2015 wieder an. Die ungebremste Verkehrszunahme macht die teilweisen Einsparungen der anderen Sektoren wieder zunichte.
„Österreich hat bisher kein einziges Gramm an Treibhausgasen nachhaltig reduziert“, macht Renate Christ, ehem. Chefin des Weltklimarats, deutlich. Und die Umwelt-NGOs wie Global 2000 kritisieren, dass es beim Entwurf zum Nationalen Energie- und Klimaplan gegenüber der erst kürzlich beschlossenen Klimastrategie „Mission2030“ vielmehr sogar zu Rückschritten komme.
„Der vorliegende Entwurf zum Nationalen Energie- und Klimaplan trägt dem dringenden Handlungsbedarf leider in keinster Weise Rechnung. Er orientiert sich gar nicht am Pariser Abkommen, wiewohl dieses auch für Österreich völkerrechtlich verbindlich ist, sondern an den EU Mindestzielen, die bekanntermaßen nachgebessert werden müssen. Das bedeutet, dass gegenüber den Emissionen von 2005 eine Reduktion von 36 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030 angepeilt wird, während das Pariser Abkommen mindestens 50 Prozent erfordert. Aber selbst diese 36 Prozent werden mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht erreicht werden“, erklärt Klimaforscherin Em. Univ.Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb.
Umwelt-NGOs und der CCCA schlagen in einem Appell an Bundeskanzler Kurz vor allem rasch umsetzbare Verbesserungen vor: Eine umwelt-, sozial- und wirtschaftsgerechte ökologische Steuerreform, die u.a. eine wirksame CO2-Bepreisung einbringt, ein Ende der Kohleverstromung sowie für Ölheizungen bis 2020 und PKW-Neuzulassungen ab spätestens 2030 nur noch für emissionsfreie Fahrzeuge. „Klimafreundliches Verhalten muss künftig belohnt und CO2-Ausstoß besteuert werden“, bringt man es vonseiten des VCÖ auf den Punkt.
Bei der derzeitigen Entwicklung der Treibhausgasemissionen wird die globale Mitteltemperatur im Zeitraum zwischen 2035 und 2045 die 1,5°C Marke überschreiten, warnen die Forscher. Die Zeit, dies noch zu verhindern, ist daher sehr kurz.
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