Von Bettina Csoka, Leiterin der Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik der AK Oberösterreich.
Die schwarz-blaue Regierung ignorierte die massiven Proteste vor einem Jahr sowie die Kritik vieler ExpertInnen und peitschte die einseitige Arbeitszeitflexibilisierung durchs Parlament: Seit 1. September 2018 sind folgenschwere Änderungen im Arbeitszeitgesetz in Kraft, durch die 12-Stunden-Arbeitstage sowie 60-Stunden-Arbeitswochen – ohne Mitwirkung des Betriebsrates – zum Normalfall werden können. Dies, obwohl jetzt schon viele über die eigene Zeit nur eingeschränkt verfügen können und der Wunsch nach veränderten Arbeitszeiten hoch ist.
Verwendung von Zeitguthaben
Die Verwendung bzw. Inanspruchnahme von Zeitausgleich infolge von Überstunden und Zeitguthaben bei Gleitzeit geht nur zu knapp einem Drittel (immer bzw. eher) nach privaten Wünschen! Das ist das Ergebnis einer im zweiten und dritten Quartal 2018 durchgeführten österreichweiten Befragung von rund 2000 ArbeitnehmerInnen – siehe Abbildung 1.
Nur 30 Prozent der ArbeitnehmerInnen können ihren Zeitausgleich aus Überstunden bzw. ihr Zeitguthaben aus Gleitzeit immer bzw. eher nach privaten Wünschen nehmen, 15 Prozent immer bzw. eher nach betrieblichen Interessen, und bei einem weiteren Drittel trifft beides zu:
Bei ArbeiterInnen ist der Vorrang betrieblicher Interessen mit 20 Prozent überdurchschnittlich und jener privater Wünsche mit 24 Prozent unterdurchschnittlich; ähnlich verhält es sich bei den einfachen Angestellten mit 19 Prozent betrieblichen Interessen zu 25 Prozent privaten Wünschen; bei HilfsarbeiterInnen übertreffen die betrieblichen Interessen mit 23 Prozent die privaten Wünsche mit 14 Prozent deutlich.
Nach Branchen betrachtet, kann am Bau (21 %) und im Fremdenverkehr (22 %) die Verwendung von Zeitguthaben bzw. Zeitausgleich zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil nur im betrieblichen Interesse genommen werden (private Wünsche 26 % bzw. 28 %).
12-Stunden-Arbeitstag: Ablehnung und Skepsis
Die noch vor Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes vom Meinungsforschungsinstitut IFES österreichweit unter ArbeitnehmerInnen durchgeführte Erhebung zu langen Arbeitstagen zeigt deutlich, dass diese Maßnahmen von der Mehrheit der ArbeitnehmerInnen abgelehnt werden:
Die ArbeitnehmerInnen stehen dem 12-Stunden-Arbeitstag negativ gegenüber
- 61 Prozent beurteilen ihn als (gar) nicht gut
- Frauen sind besonders skeptisch: Mehr als zwei Drittel (69 %) haben eine ablehnende Haltung (Männer: 55 %).
- Nach Branchen betrachtet, haben Beschäftigte im Handel (65 %) und im Verkehr (69 %) eher eine negative Einstellung zum langen Arbeitstag.
- Auch Beschäftigte mit leitender Funktion haben sich längere Arbeitstage nicht herbeigesehnt: Die Hälfte der Beschäftigten mit Führungsfunktion lehnte 2018 einen auf 12 Stunden ausgeweiteten Arbeitstag ab! Gerade einmal ein Viertel (23 %) befürwortete ihn als gut bzw. sehr gut.
ArbeitnehmerInnen befürchten erschwerte Vereinbarkeit
- 58 Prozent befürchten, dass ein 12-Stunden-Arbeitstag die Vereinbarkeit von Beruf mit Familien- und Privatleben (deutlich) erschwert.
- Ohnedies bereits mehrfach belastete Frauen sind besonders realistisch: Mehr als zwei Drittel (69 %) bewerten lange Arbeitstage als erschwerend für die Vereinbarkeit (Männer: 48 %).
Arbeitszeitwünsche: Bei Vollzeit weniger, bei Teilzeit mehr
Viele ArbeitnehmerInnen wollen das Ausmaß ihrer Arbeitszeit verändern. Laut Statistik Austria möchte knapp ein Viertel der Vollzeitbeschäftigten Stunden reduzieren. Wer in der Regel auf eine über 40 Stunden hinausgehende Arbeitswoche kommt, wünscht sich zu mehr als der Hälfte eine Arbeitszeitverkürzung. Bei den Teilzeitbeschäftigten hingegen möchte ein Fünftel die Arbeitszeit ausweiten. Je nach Stundenausmaß variieren die Wünsche:
Kurze Vollzeit für alle!
Für alle Arbeitenden gilt: Arbeitszeit ist Lebenszeit. Mit Arbeit verbringen wir viel Zeit – Arbeit ist quasi das halbe Leben. Eine zeitachtsame Gestaltung von Arbeit ist im zentralen Interesse der ArbeitnehmerInnen. Wie eine ausgewogene Verteilung der Arbeitszeit gelingen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mehr Flexibilität im Sinne der ArbeitnehmerInnen aber würde durch eine Ausweitung der Rechtsansprüche auf selbstbestimmte Arbeitszeit – etwa auf Bildungsfreistellung für alle oder auf einen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit – gewährleistet. Im Fokus sollte insbesondere die Zeitsouveränität der Menschen stehen und natürlich die Qualität des Arbeitens. Nicht zuletzt ist eine „kurze Vollzeit“ für alle mit Ausgleich beim Lohn und beim Personal ein langfristiges Ziel. Denn gerade die bestehenden unterschiedlichsten Arbeitszeit-Wirklichkeiten – von überlangen Vollzeit-Arbeitszeiten mit (teils unbezahlten!) Überstunden über ungewollt kurze Teilzeit bis zur Null-Erwerbsarbeitszeit für Hunderttausende Arbeitslose – machen eine generelle Arbeitszeitverkürzung notwendig. Wir brauchen eine neue Normal-Arbeitszeit und ein modernes Arbeitszeitrecht. Und: 31 Stunden sind genug! Oder, wie ein kleiner oberösterreichischer Betrieb erfolgreich beweist: 30 sind genug, natürlich mit Vollzeit-Entgelt.
Dieser Beitrag wurde am 19.06.2019 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
Titelbild: Stress (pixabay.com, public domain)