CO2-Emissionen verringern: Der Spielraum ist kleiner, als wir dachten

Sonnenuntergangshimmel

Laut einer neuen, in Nature veröffentlichten Studie sind Rückkopplungen im Erdsystem, wie etwa das Tauen des Permafrostes und dem damit freigesetzten Methan, ein unterschätzter Faktor für den Umfang des verbleibenden Kohlenstoffbudgets zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C. „Das bedeutet, dass unser Spielraum noch kleiner sein könnte, als wir dachten“, so die Klima-Forscher um Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Von R. Manoutschehri

Je mehr CO2 wir bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas emittieren, desto mehr erwärmen wir unser Klima – das klingt einfach und das ist es auch. Verschiedene Analysen haben unterschiedliche Schätzungen darüber vorgelegt, wie viel CO2 die Menschheit noch ausstoßen kann, wenn wir die globale Erwärmung auf die international vereinbarten 1,5 und deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen wollen. Eine neue Studie erleichtert den Vergleich unterschiedlicher Analysen, indem sie die relevanten Faktoren der verbleibenden CO2-Budgets identifiziert.

Der Ansatz der Autoren baut auf dem IPCC-Sonderbericht über 1,5 Grad globale Erwärmung auf, an dem sie auch selbst mitgearbeitet haben. Dieser Bericht schätzte das verbleibende CO2-Emissionsbudget ab 2018 auf 420 GtCO2, wenn mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzt werden soll. Die Annahmen über zukünftige Verringerungen der Emissionen durch geeignete Gegenmaßnahmen können diese Schätzungen um 250 GtCO2 nach oben und unten verändern.

Bisher unterschätzt: Methan aus Permafrost

Von diesen Schätzungen müsste man aber auch die CO2-Emissionen aus dem Tauen des Permafrosts und damit die Freisetzung des starken Treibhausgases Methan, ein unterschätzter wichtiger Faktor, sowie weiteren nicht erfassten Rückkopplungen des Erdsystems abziehen, die mindestens 100 GtCO2 ausmachen dürften. Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus der Bandbreite der historischen vom Menschen verursachten Erwärmung und dem Ausmaß der zusätzlichen Erwärmung nach Erreichen des Netto-Nullpunktes der CO2-Emissionen.

Eine globale Vergleichsstudie des internationalen Permafrost Netzwerkes GTN-P enthüllte jüngst, dass die Temperaturen in allen Gebieten mit Dauerfrostboden bis in über 10 Metern Tiefe um durchschnittlich 0,3 Grad Celsius gestiegen sind. Dies betrifft die Arktis ebenso wie die Antarktis und die Hochgebirge Europas und Zentralasiens. Besonders hoch fiel die Erwärmung mit knapp 1 Grad Celsius allerdings in Sibirien aus, wo sich der auftauende Untergrund mancherorts bereits so absenkt, dass Einsturzgefahr für Gebäude und Straßen besteht.

Die Temperatur der dauerhaft gefrorenen Böden in den Alpen, im Himalaya sowie in den Gebirgen der nordischen Länder stieg im Mittel um 0,19 Grad Celsius. All diese Permafrostböden enthalten außerdem jede Menge konservierter Pflanzen- und Tierreste, die beim Auftauen von Mikroorganismen zersetzt werden. Ein Prozess, bei dem so viel Kohlendioxid und Methan emittiert werden könnte, dass die globale Temperatur bis zum Jahr 2100 um weitere 0,13 bis 0,27 Grad Celsius ansteigen würde.

„Wie groß das Budget am Ende ist, können wir nicht genau sagen, weil es auch von künftigen Entscheidungen über andere Treibhausgase als CO2 und von Unsicherheiten in natürlichen Systemen abhängt. Aber wir wissen genug, um sicher zu sein, dass keine Zeit mehr zu verlieren ist, um die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren“, sagt Kriegler.

Maximal fünf bis zehn Jahre, um Risiken noch zu begrenzen

„Die CO2-Emissionen von der Industrie bis zum Verkehr auf Null zu bringen, erfordert in jedem Fall sofortige Maßnahmen. Ob wir das ein paar Jahre früher oder später erreichen, ist unerheblich.“

„Wie wir uns heute verhalten, wird entscheiden, ob wir eine realistische Chance haben, die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. An diesem Ergebnis ändert unsere Studie nichts“, fügt Leitautor Joeri Rogelj vom Grantham Institute am Imperial College London hinzu.

„Alles, was wir über die Größenordnung der erwarteten Klimaauswirkungen in einer Welt mit mehr als 1,5 Grad Temperaturzunahme wissen und unser besseres Verständnis der verschiedenen Faktoren, die die Größe des verbleibenden Kohlenstoffbudgets beeinflussen, lässt keinen Zweifel: Wir brauchen einen Vorsorgeansatz mit entschlossenen Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren, um die Risiken zu begrenzen und Optionen offen zu halten – egal, in welche Richtung die Schätzungen des verbleibenden Kohlenstoffbudgets variieren.“

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