Wien nimmt Kampf gegen den Klimawandel auf: Hitze-Inseln werden entschärft

Wiener Skyline

Wo ist es am Heißesten, wo ist zu wenig Grünraum, wo leiden vor allem Kinder und ältere Menschen unter immer heftigeren Hitzewellen? Die 10 ausgeprägtesten Hotspots der österr. Hauptstadt hat nun eine Studie in einer Karte festgehalten. Damit wird erstmals gezieltes stadtplanerisches Eingreifen gegen den Klimawandel möglich. Angesichts steigender Temperaturen um bis zu 8 Grad in den nächsten Jahrzehnten ein mehr als notwendiger Plan.

Von R. Manoutschehri


Das Risiko für die Zunahme von Hitzetagen (per Definition über 30 Grad) ist aufgrund der Klimakrise heute größer als je zuvor. Während Wien Mitte letzten Jahrhunderts noch durchschnittlich 9,6 Hitzetage im Jahr verzeichnete, waren es von 1981 bis 2010 bereits 15,2 Hitzetage pro Jahr – Zahlen, die heute, im Jahr 2019, schon im Juli überschritten wurden. Bis 2050 könnte es bei ungebremstem Treibhausgas-Emissionen allerdings noch um bis zu acht Grad wärmer in Großstädten wie Wien werden, wie der unter dem Begriff „Urban Heat Island“ bereits ausführlich in der Fachliteratur beschriebene Aufheizungs-Effekt befürchten lässt.

Das große Problem im urbanen Raum: Hausmauern, Glasfassaden, Asphalt und Beton speichern die Wärme, weshalb es auch in der Nacht oft noch heiß bleibt, das Einschlafen schwerer fällt und der Schlaf nicht so erholsam ist. Bei hohen Temperaturen entstehen zudem auch noch mehr Luftschadstoffe aus Verkehr und Industrie. Darunter leiden vor allem jene Menschen, die dort leben, wo es keinen oder wenig öffentlichen Zugang zu Wasser und Grünraum gibt, wo es wenig Parkanlagen, begrünte Innenhöfe oder Badeplätze gibt.

Die Folgen sind dramatischer, als es auf den ersten Blick scheint: Die Produktivität der Betroffenen sinkt, ältere Menschen gehen oft nicht einmal mehr aus dem Haus. Wohingegen die Gesundheitsrisiken, Krankheits- und Todesfälle steigen, was letztlich auch die gesamte Volkswirtschaft immer mehr belastet.

Wiener Hotspots kartografiert

Infografik
Infografik Hitzekarte Wien © ecoten

„Hitzewellen kommen immer öfter und länger. Die enorme Hitze belastet alle Menschen in Wien, aber Kindern und alten Menschen macht sie besonders zu schaffen“, sagt Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin Birgit Hebein: „Aus diesem Grund habe ich eine Hitzekarte erstellen lassen. Sie zeigt, wo es am heißesten ist, wo es am wenigsten Grünraum gibt und wo die meisten Kinder und alten Menschen wohnen.“

Diese Hitzekarte weist zehn „Hotspots“ auf, die vorrangig in Favoriten, Ottakring, Landstraße und Margareten liegen und deren Bewohner besonders stark betroffen sind – darunter 20.000 Kinder (unter 14 Jahre) und 27.000 ältere Menschen (über 65 Jahre). In der Karte wird also nicht nur die erhöhte Hitzebelastung sowie die Beschaffenheit von Grünraum und Wasser dargestellt, sondern auch die Hitzeverträglichkeit sichtbar. Heiße Orte, an denen viele ältere Personen und Kinder leben, sind rot hervorgehoben.

Anhand dieser Erkenntnisse könne die Stadt Wien nun mit auf die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerungsgruppen abgestimmten Gegenmaßnahmen beginnen. Birgit Hebein: „Da wir jetzt wissen, wo genau wir handeln müssen, können wir einerseits rasche, kurzfristige Maßnahmen setzen und andererseits bei langfristigen Planungen darauf achten, dass Bäume gepflanzt werden, es Fassadenbegrünungen gibt, Wasserspielplätze eingerichtet werden, der Verkehr beruhigt wird und die Viertel insgesamt kühler werden.“

Grüne Städte gegen die Klimakrise

Dass sich lokale Vorsorge-Maßnahmen – auch über die „überregionale“ Klimawandel-Debatte hinaus – durch eine positive Wirkung auf die Lebensqualität und die Volkswirtschaft vor Ort sogar budgetär „auszahlen“, hatte eine Studie der Uni Amsterdam über Wärme-Inseln in fast 1.700 Städten rund um den Globus bereits 2017 erhoben.

Denn je mehr Wasser- und Grünflächen eine Stadt besitzt, umso mehr helfen diese gegen die zunehmende Erhitzung und Austrocknung und tragen auch zur Verringerung von Luftverschmutzung und Feinstaub bei. Welches „Naturkapital“ dabei die Stadt-Bäume bergen, bzw. welche Arten sich dabei ganz besonders als Feinstaubfänger eignen, untersuchte ein Team der Uni Oxford und der Royal Botanical Gardens. Das in Science publizierte Ergebnis: Hänge-Birke, Ulmen, Eschen, Magnolien, Stechpalmen – aber natürlich auch ganzjährig grüne, aber schmutzempfindlichere Nadelbaumarten.

Was sich durch Entsiegelung, zusätzliche Begrünung und Wasserflächen sowie durch Dämmungsmaßnahmen erreichen lässt, dazu haben DWD und ZAMG 2017 eine zweisprachige Broschüre „Urban Modelling“ herausgebracht, die Mithilfe von Computermodellen zeigt, dass sich die Zahl der Tage mit mehr als 30 Grad in der Innenstadt mit einfachen Mitteln um rund ein Drittel verringern lässt.

Die Stadt Wien hatte bereits 2015 einen Strategieplan entworfen, wie dem städtischen Hitzeinsel-Effekt beizukommen wäre, dessen Umsetzung und Adaptierung anhand der neuen Erkenntnisse nun unter Vizebürgermeisterin Birgit Hebein hoffentlich endlich den nötigen „Aufwind“ erhält.

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