Die Wiener Linke will sich neu aufstellen und mit LINKS in den Gemeinderat
UZ-Redakteur Michael Wögerer im Gespräch mit Anna Svec und Can Gülcü
An diesem Wochenende soll in Wien-Fünfhaus Geschichte geschrieben werden. Rund 600 Menschen haben sich zur Gründungsversammlung der Organisation LINKS in der VHS 15 (Schwendergasse 41) angemeldet. Die InitiatorInnen erwarten dementsprechend ein übervolles Haus, das offiziell Platz für 450 Personen bietet.
Im Gespräch mit UZ-Redakteur Michael Wögerer schildern Anna Svec und Can Gülcü, die gemeinsam mit Barbara Stefan bisher als Gesichter der Initiative nach Außen auftraten, die Hintergründe und Ziele von LINKS.
„Diese Organisation ist etwas Nachhaltiges, es ist der Beginn von einer anderen Form der politischen Arbeit“, erläutert Can, der sich als „freier Radikaler“ bezeichnet und einer der MitorganisatorInnen der jüngsten Donnerstagsdemos war. „Wir wollen den Sprung zu einer Organisation schaffen, die langfristig verankert ist“, ergänzt ihn Anna, die bisher bei der Aufbruch-Bewegung in Ottakring aktiv war.
„Wien 2020! Wir treten an!“, wurde Anfang Dezember auf sämtlichen Kanälen (Homepage, Facebook, Instagram, Twitter) verkündet. Der Auftritt wirkt professionell und gut vorbereitet. Seit dem Sommer traf sich eine Gruppe von ehemaligen Aufbruch-AktivistInnen, Leuten aus dem Kontext der Donnerstagsdemos, der Jungen Linken und anderen regelmäßig.
Es handelt sich um „keine Abspaltung von irgendeiner politischen Partei, sondern um einen neuen Versuch sich gemeinsam zu organisieren“, erklärt Can. „LINKS ist kein Antreten gegen die KPÖ oder gegen den WANDEL. Wir sind uns bewusst, dass wir dieses Unterfangen nicht ohne jene AkteurInnen machen können, die bisher schon aktiv waren und hoffen, dass ihre Erfahrungen in dieses Linksprojekt einfließen.“
Und dennoch gäbe es zwei wesentliche Unterschiede zu den bisherigen Versuchen in Wien mit einer Linkspartei bei den Wahlen anzutreten. Zum einen handle es sich bei LINKS um kein Wahlbündnis. Ziel sei eine Organisationsform, die breiter ist als die Summe einzelner Organisationen. Es gehe zum anderen darum „unterschiedliche Menschen und Gruppen, die sich bis jetzt an solchen Projekten nicht beteiligt haben, zu aktivieren und eine Organisation zu entwickeln, die in den Bezirken und Grätzeln versucht mit konkreter linker Politik Menschen zu erreichen“, so Can.
Im Unterschied zum Aufbruch sei das Ziel viel klarer, meint Anna. „Wir haben als Vorbereitungsteam lediglich den Rahmen dessen vorbereitet, was ab der Gründungskonferenz mit Inhalt gefüllt werden soll.“ Sie zeigt sich überzeugt davon, dass das Unterfangen dieses Mal gelingen wird: „Es geht darum von Anfang an viele politische Wege zu beschreiten und zur gleichen Zeit viele unterschiedliche Menschen zu erreichen. Der Wahlkampf und das konkrete Ziel, schafft die Notwendigkeit, dass unsere Botschaften die Menschen da draußen erreichen müssen. Damit verheddern wir uns vielleicht nicht so sehr in Diskussionen um die ‚reine Lehre‘ oder irgendwelche Spitzfindigkeiten.“
Can ergänzt: „Es gibt einen konkreten Zeitplan und ein konkretes Ziel. Wir wollen in den Gemeinderat kommen, in so vielen Bezirken wie möglich mit BezirksrätInnen vertreten sein und in einem dreiviertel Jahr eine Organisation aufgebaut haben, die ihre politische Arbeit fortsetzen kann.“
Angesprochen auf die in Verruf geratene Bezeichnung „links“, sind sich Anna und Can einig, dass der Begriff mit neuem Leben gefüllt werden müsse, „weg von der Politik der links-liberalen Erhabenheit“, die den Grünen vorgeworfen wird. „Wir wollen eine linke Kraft sein und wollen das nicht verschleiern. Unser Ziel ist den Begriff „links“ zurückzuerkämpfen und neu zu besetzen“, so Anna. „Das was wir wollen, ist den Kapitalismus zu überwinden. Das hat die Sozialdemokratie offenbar schon aufgegeben und bei den Grünen war es nie das explizite Ziel”, ergänzt Can.
Im kommenden Wahlkampf wolle man eine breite Schicht an Menschen erreichen und sie persönlich ansprechen. „Es geht darum, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und sie zu fragen, was sie brauchen und wollen. Wir wollen gemeinsam mit ihnen solidarische Netzwerke organisieren, die an diesen Anliegen arbeiten“, gibt Can die Stoßrichtung vor.
Auf der Versammlung, die heute Abend mit einem ersten Kennenlernen beginnt, sollen am Samstag die politischen Grundsätze diskutiert und im Anschluss der Beschluss zur Kandidatur bei den Wiener Gemeinderatswahlen, die voraussichtlich im Herbst 2020 stattfinden, gefasst werden. Auch eine Organisationsstruktur soll beschlossen und ein neues SprecherInnen- und Koordinationsteam gewählt werden. „Allerdings gibt es keinen 5-Jahres-Plan und keinen Anspruch auf Vollständigkeit“, wehrt Anna mögliche Kritik, es wäre bereits alles in Stein gemeißelt, ab.
Deklariertes Ziel der künftigen Partei LINKS ist jedenfalls der Einzug in den Gemeinderat und in möglichst vielen Bezirksvertretungen. In ganz Wien werden 50.000 Stimmen angepeilt. Zum Vergleich: Das linke Wahlbündnis Wien andas erhielt bei den letzten Gemeinderatswahlen 8.937 Stimmen (1,07%), die Sozialistische Linkspartei trug 62 Stimmen bei. Insgesamt erhielt die „Linke“ demnach 2015 weniger als 9.000 Stimmen.
Wien andas ist derzeit in 5 Bezirken mit einem Mandat vertreten und wünscht sich auch für 2020 eine „breite, gemeinsame Wahl-Allianz“, heißt es in einer Erklärung der Generalversammlung von Wien ANDAS vom 7. Dezember. Das Projekt LINKS wird – ohne es namentlich zu nennen – darin dementsprechend skeptisch betrachtet.
„Wir suchen mit allen linken Wahlprojekten intensive Gespräche, um aufeinander zuzugehen und Parallelkandidaturen zu vermeiden. Unsere inhaltlichen Unterschiede sind nicht so groß, es geht eher um die politisch-strategischen Zugänge“, meint dazu Barbara Stefan (LINKS) im Interview mit der Tageszeitung junge Welt.
Vergangen Freitag waren Anna, Can und Barbara bei „Radio Widerhall“ auf RADIO ORANGE zu Gast und sprachen auch dort über ihr Vorhaben „sich gemeinsam auf dem Weg zu machen.“
Titelbild: links-wien.at
Bedenkt eines: Bei Wählen können zwar Revolutionär*innen gewählt werden, von diesen verlangen aber Wähler*innen, wenn es denn ausreichend viele sein sollen, nicht die Revolution für die Zeit der Wahlperiode. Auch Links Wählende wollen wissen, was die Gewählten für sie sozial, ökologisch, demokratiepolitisch in den nächsten Jahren durchsetzen wollen. Für die Überwindung des Kapitalismus braucht man mehr als Wahlen und vor allem mehr Zeit als Legislaturperioden. Deshalb werden Linke Parteien und Projekte dann selten gewählt, wenn sie den Unterschied nicht deutlich machen oder machen können. Die Perspektive der sozialen Revolution ist am Wahltag für viele die Vertröstung auf das erwünschte, aber fern liegende „Himmelreich auf Erden“. Am Wahltag fragt man nach der nächsten Zukunft der eigenen Arbeit, nach den Kosten des Wohnens, nach den nächsten guten Taten für die erfahrbare Umwelt, nach den Möglichkeiten, die eigene Gesundheit zu erhalten, nach den nächsten Jahren in Frieden usw. usw. Dialektisch Denkende und Planende müssen in allem eine Widersprüchlichkeit erkennen, die nicht einfach aufzulösen ist, sondern zu beachten und zu nutzen für das Bestehen einer Wahl, nach der möglichst vielen Menschen konkret geholfen werden kann und sich zugleich die Möglichkeiten für die letztlich notwendige Überwindung des Kapitalismus verbessern. Aber nie den zweiten Schritt vor dem ersten propagiere. Er wäre nicht möglich. Das gegenwärtige ökonomische, politische und Meinungsbildende System würde sich als stärker erweisen. Strategisch freilich die widersprüchlichen Quellen der notwendigen Bewegung berücksichtigen. Versprecht, was ihr halten könnt und was die Bedingungen für linken Fortschritt verbessert.
Ziemlich widersprüchlich: Das Grüpplein „Links“ will bei keiner Wahlplattform mitmachen sondern dass die alteingesessene KPÖ in dieser Partei aufgeht? Kommt bei mir als ziemlich realitätsfremd an. So kommt keine Mulitudo zusammen :-( Also wieder die alte (Haar)Spalterei … ???
So wie die Grünen die Verschärfung der Wiener Mindestsicherung mittragen und allzu viel rechte Law & Order Politik und orwellsches Zwidenken in der Bundesregierung mittragen, wäre es höchst an der Zeit eine echte ALTERNATIVE wählen zu können, auch wenn das Wählen an sich nicht mehr viel bringt.
ANDAS weiter zu entwickeln, wäre wohl der sinnvollere Weg, doch von ANDAS war zwischendurch leider wenig zu hören.
Immer nur KURZ vor den Wahlen mit einer neuen Seifenblase daher kommen, das bringt auf Dauer nur weitere Enttäuschung!
Die Restlinke scheint noch immer nicht tief genug gesunken zu sein.
Die Aufgabe trügerischer Hoffnungen ist der erste Schritt zu einer echten und nachhaltigen Änderung!