Weltwirtschaftsforum stellt fest: Die halblegale Gewinnverlagerung von Reichen und Konzernen in Niedrigsteuer-Länder führen alleine in Deutschland zu einem Verlust von jährlich 18 Mrd. Euro, der zulasten der „Normalverdiener“ ausgeglichen werden muss. Auch Österreich gehört zu den Verlierern.
Von R. Manoutschehri
»Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich: Wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich.«
(Bertolt Brecht)
Eine der zahlreichen Studien, die im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgestellt wurden, beleuchtet die nach wie vor ungelösten Probleme milliardenschwerer Steuerhinterziehung in der EU und dass einige Länder diesen sogar durch eine Art „Niedrigsteuer-Wettbewerb“ forcieren statt bekämpfen würden.
Multinationale Unternehmen verlagern ihre Gewinne ungehemmt und mittels simpler Steuertricks aus den jeweiligen Erwerbsländern in solche mit niedrigeren Steuern. Ein erschreckender Verlust an öffentlichen Einnahmen, der durch andere Finanzierungsquellen und auf dem Rücken der „Normalverdiener“ ausgeglichen werden muss.
Dem Bericht des Polish Economic Institute zufolge verliert die Europäische Union jährlich 170 Milliarden Euro durch grenzüberschreitende Steuerumgehung, davon entfallen laut den Daten für 2016 rund 60 Milliarden auf Großunternehmen und 46 Milliarden auf vermögende Privatpersonen, wobei von Letzteren etwa 75% des Vermögens noch nicht einmal an die Steuerbehörden gemeldet werden.
Weitere jährliche Verluste in Höhe von rund 64 Milliarden entstehen durch grenzüberschreitende Transaktionen von Unternehmen und kriminellen Vereinigungen zur vorsätzlichen Erpressung der Mehrwertsteuer, was zu einer Mehrwertsteuerlücke von durchschnittlich 12% der diesbezüglichen Einnahmen führt. Und all dies, obwohl in den letzten zwei Jahrzehnten die effektive Körperschaftsteuer (Gewinnbesteuerung) EU-weit für Unternehmen gesunken ist – um 8 Prozentpunkte (von 24% auf 16%).
Gewinner und Verlierer – in jedem Fall der kleine Steuerzahler
Die höchsten Verluste durch diesen „Geldtransport“ erleiden der Studie zufolge Deutschland (18 Mrd. EUR), Großbritannien (14 Mrd. EUR) und Frankreich (11 Mrd. EUR) – aber auch Österreich gehöre zu den Verlierern.
Sechs EU-Mitgliedstaaten profitieren hingegen von diesem Steuerwettbewerb: Belgien, Zypern, Irland, Luxemburg, Malta und die Niederlande sind in der Europäischen Kommission bereits als interne Steueroasen bekannt. Darüber hinaus fungieren dort lokalisierte Scheinfirmen oft auch als Vermittler für weitere Überweisungen in Steueroasen außerhalb der EU, wie die Kaimaninseln oder die Britischen Jungferninseln.
Sofern die EU keine wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Steueroasen ergreift, wird die Situation das Vertrauen und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten untergraben, warnt der Bericht „Steuerliche Ungerechtigkeit in der Europäischen Union„.
Piotr Arak, Direktor des Polnischen Wirtschaftsinstituts, betont in einem Begleit-Statement: „Die Analyse von Daten zur Steuervermeidung in Europa kann zu der traurigen Schlussfolgerung führen, dass Solidarität in der Europäischen Union nur ein erklärter aber kein verfolgter Wert ist. Die Union sollte integrierte Maßnahmen zur Abschottung des Steuersystems ergreifen, um eine zusätzliche Finanzierungsquelle für den neuen Haushalt zu haben, der nun auch ohne einen bisherigen Hauptzahler, Großbritannien, auskommen muss.“
Endlich Gegenmaßnahmen ergreifen
Zu den in der Studie vorgeschlagenen Lösungen des Steuervermeidungs-Problems gehört eine „schwarze Liste“ der als Steueroasen ausgewiesenen EU-Mitgliedstaaten und die Befugnis der Europäischen Kommission, Sanktionen gegen Länder zu verhängen, die als „nichtkooperative“ Steuerhoheitsgebiete eingestuft sind.
Ein weiteres Mittel könnte die Festlegung eines EU-weiten Mindestzinssatzes für Unternehmenseinkommen sein, der auf der Grundlage einer Steuerbemessungsgrundlage berechnet wird, die den Abzug von Zahlungen, die am häufigsten zur Steuervermeidung verwendet werden (etwa Zinsen und Lizenzgebühren), nicht zulässt.
Wichtigste Gegenmaßnahme sei es jedenfalls, gemeinschaftlich darauf hinzuwirken, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie anfallen, und dass die Steuerflüsse EU-weit transparent werden, so die Studien-Autoren des Polish Economic Institute und der Bank Gospodarstwa Krajowego.
Danke, dass Sie erwähnen, wie viele Steuern uns durch Steuertricks der großen Konzerne entgehen. Es ist richtig, die Steuersparmöglichkeiten auszunutzen. Auch ich lasse als kleine Gewerbetreibende meine Buchhaltung nun machen. Jedoch muss es ja verhältnismäßig sein. Gesellschaftliche Verantwortung sollte jeder auch ernst nehmen.