Interaktives Bilderbuch über die Geschichte der Arbeiterkammer in Österreich – unsere.arbeiterkammer.at
Vor 100 Jahren, am 26. Februar 1920, beschloss das erstmals wirklich demokratisch gewählte Parlament der jungen Republik Österreich das Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte. Über 70 Jahre hatte es gedauert, bis die Forderung nach einer gesetzlich verankerten Vertretung für die Interessen der Werktätigen Realität wurde. Nachdem in Folge der bürgerlichen Revolution von 1848 Handelskammern eingeführt wurden, schlossen sich erstmals auch Arbeiterinnen und Arbeiter in Österreich zusammen. Sie forderten politische Mitbestimmung, eine geregelte Arbeitszeit, soziale Rechte und Zugang zu Bildung.
Erst 1870 fällt durch das Koalitionsgesetz die Strafandrohung für die Gründung von Gewerkschaften, bis zur Schaffung der gesetzlichen Arbeiterkammer vergingen allerdings 50 weitere Jahre und zuvor musste 1918 die Monarchie verschwinden.
Die AK Wien lädt auf der Internetseite unsere.arbeiterkammer.at zu einer virtuelle Reise durch das letzte Jahrhundert ein. Die fiktive Lebensgeschichte des Ziegelarbeiters Max, der Fabrikarbeiterin Anna und ihrer Tochter Julie, zahlreiche Originaldokumente und Videos machen dabei die Geschichte greifbarer. Die ersten drei Kapitel behandeln die soziale Lage der Arbeiterschaft im Übergang vom 19. auf das 20. Jahrhundert, die Errungenschaften des „Roten Wien“, die Unterdrückung der Arbeiterbewegung durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus, die Wiedererrichtung der Arbeiterkammern am 20. Juli 1945 sowie den mühsamen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Kapitel 4 bis 6 widmen sich dem Wirtschaftsaufschwung in Österreich seit 1956, den sozialen Errungenschaften wie Arbeitszeitverkürzung, zunehmende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und Verbesserungen im Bildungsbereich bis 1989 und schließlich der gesellschaftlichen Entwicklungen bis heute. Besonders im letzten Kapitel wird bewusst, dass Arbeiterkammern und Gewerkschaften zusehends vom Kampf für soziale Verbesserungen zum Verhindern von sozialen Verschlechterungen übergegangen sind. „Neoliberale Tendenzen lassen den Anteil an Kapitaleinkommen steigen, während das Arbeitseinkommen sinkt. Die Ungleichheit von Arbeit und Kapital steigt“, heißt es dazu an einer Stelle.
Die 2016 entstandene Dokumentation „Unsere Arbeiterkammer – Eine Reise durch das letzte Jahrhundert“ bietet einen interessanten Blick auf die Entwicklung der österreichischen Gesellschaft von der Monarchie bis heute.
Freilich muss hier angemerkt werden, dass es sich um ein Projekt der Arbeiterkammer Wien handelt und in manchen Bereichen eine kritische Sicht auf die eigene Geschichte fehlt. Sieht man von dem streckenweise übertriebenen Pathos und manchen Skurrilitäten (Stichwort: Beatles und Udo Jürgens, screenshot links oben) ab, lohnt sich die Reise auf unsere.arbeiterkammer.at jedoch auf jeden Fall.
Autor: Michael Wögerer
Fotos und Titelbild: screenshots (unsere.arbeiterkammer.at)