Im Rennen um die Nachfolge als Labourparteiführer sind Jess Philips und Emily Thornberry bereits ausgeschieden. Es verbleiben der ungeeignete Favorit Keir Starmer, die bestgeeignetste weil progressivste Kandidatin Rebecca Long-Bailey und an dritter Stelle eine ebenfalls ungeeignete Lisa Nandy.
Ein Gastkommentar von Gregor Flock
Zwei sich teilweise überlappende Hauptfehler Jeremy Corbyns waren es, nicht hart genug a) gegen die Antisemitismus-Verleumder und b) gegen seine parteiinternen Feinde wie Margaret Hodge vorgegangen zu sein. Er hat in seiner eher naiven Gutmütigkeit versucht, zu besänftigen, was einfach nicht zu besänftigen war – und so wurden und werden nach wie vor progressive Labour-Kräfte vom korrupten Establishment unter vorgehaltenen Gründen beseitigt:
The absurdly of the @UKLabour bureaucracy continues unabated with yet another NEC candidate suspended. Is Dominic Cummings running the show at Labour HQ?
I’m reminded of the phrase „lions led by donkeys“. Labour Party members deserve better than this.https://t.co/fgKbBsWrVi
— Chris Williamson #GTTO (@DerbyChrisW) February 23, 2020
Corbyn wurde dadurch vieler wichtiger Verbündeter (Ken Livingstone, Chris Williamson, etc.) und Anhänger beraubt. Derart geschwächt, wurde Corbyns progressives Projekt in Form der Wahlschlappe im November 2019 vorerst zum Scheitern gebracht.
Die meisten daran Beteiligten – und so auch die korrupten Massenmedien, die der Bevölkerung ganz massiv Anti-Corbyn-Propaganda verabreicht haben – tun jetzt jedoch so, als a) seien sie bloß neutrale oder bestenfalls kommentierende Beistehende, als b) ob das progressive Corbyn-Projekt ganz von allein und bloß auf Grund inhärenter Schwächen zusammengefallen sei, und als c) ob die Lösung dementsprechend ‚klarerweise‘ wieder in mehr Zentrismus liegen würde.
Letzteres ist jedoch eine absurde Hypothese, die von den Wahlergebnissen in Thüringen oder auch von den ebenso spektakulären Vorwahlerfolgen des progressiven Bernie Sanders klar widerlegt wird. Es verlieren vielmehr die Zentristen und Moderaten, und es waren auch die anti-progressiven Kräfte innerhalb und außerhalb von Labour, durch die das Corbyn-Projekt vorerst zum Scheitern gebracht worden ist.
Keir Starmer und sein journalistisches Helferlein Paul Mason
Nichtsdestrotrotz wird jetzt so getan, als läge das Heil wieder in mehr Zentrismus und bei ‚Einheitskandidaten‘ à la Sir Keir Starmer. Der mitunter auch im SPÖ-nahen Bruno-Kreisky-Forum auftretende britische Journalist und Labour-Anhänger Paul Mason äußerte sich dazu zum Beispiel wie folgt:
The right are backing Nandy, the Stalinists who destroyed Corbynism are backing RLB – it’s a no brainier for an anti-capitalist to vote #KeirForLeader
— Paul Mason (@paulmasonnews) February 24, 2020
Die von Spott und Verachtung zeugenden Reaktionen auf derlei realitätsfremde Herabwürdigungen Jeremy Corbyn’s ließen nicht lange auf sich warten (siehe auch meine Antwort). Hier eine neutrale Berichtigung:
Dear Paul. I am not a Stalinist and I’d like you to refrain from making such an inference. My dad, who came back from WW2 and voted for Attlee, would have supported Corbyn & Rebecca Long Bailey. He was no Stalinist. Was Attlee? I think the word you’re looking for is Socialist.
— Jane James (@TheJaneJames) February 24, 2020
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Einwurf des Journalisten Ben Norton, der daran erinnert hat, dass Paul Mason sich bereits 2016 gegen Corbyn als Labourführer ausgesprochen hat:
Right-wing imperialist Paul Mason would know something about destroying Corbynism: He was conspiring against Corbyn for years. Back in 2016 Mason was recorded secretly plotting to replace Corbyn as leader.
These opportunists have zero principles.https://t.co/1OLnRifgJd
— Ben Norton (@BenjaminNorton) February 24, 2020
Noch pikanter sind jedoch angeblich erst ein paar Monate alte Aufnahmen, welche Keir Starmer im Gesprach mit Paul Mason zeigen. Man fragt sich, welche Vereinbarungen hier wohl getroffen worden sein könnten (vielleicht Paul Mason als Pressesprecher von Keir Starmer, sofern dieser die Labourwahl gewinnt und jener eifrig Werbung bzw. Propaganda macht):
Considering one of @Keir_Starmer’s number one cheerleaders Paul Mason is calling everyone backing Rebecca Long-Bailey a ‘stalinist’, we must ask what *exactly* is the relationship between Starmer & Mason, considering the two were caught having dinner together several months ago. pic.twitter.com/JmeiaEwFM7
— Josh Jackson (@JoshuaYJackson) February 24, 2020
Auffallend ist auch folgende Unverhältnismäßigkeit: Dass Zentristen einerseits gegen eine progressive Parteiführung rebellieren, die großen Rückhalt in der Bevölkerung genießt – ein Umstand, der Labour die Wahl 2017 gekostet haben könnte –, dann anderseits aber von Progressiven Einigkeit einfordern oder sich verlogenerweise als die Einheitskandidaten darstellen, nachdem sie das Projekt der Progressiven zum Scheitern gebracht haben.
If Centrists like Keir had done this in 2016, Labour would have been in power since 2017.
They don’t want unity. They want Centrist hegemony. Also known as electoral suicide.https://t.co/whZqpIbBPc
— Kerry-Anne Mendoza (@TheMendozaWoman) February 24, 2020
Keir Starmer, der ‚Antikapitalist‘ in der Trilateral Commission
Paul Mason bewirbt Keir Starmer als klare Wahl für Antikapitalisten und meint, bloß Lisa Nandy sei zu rechts und damit ungeeignet. Lisa Nandy ist auf Grund von Aussagen, dass sie den nuklearen Knopf betätigen würde oder der glatten Lüge, dass Corbyn „nicht für die Menschen“ sei, in der Tat ungeeignet. Das macht Starmer jedoch nicht automatisch zur besseren Wahl. So wie Nandy war nämlich auch Starmer im 2016 versuchten Coup gegen Jeremy Corbyn involviert:
Errr
Has Mason suffered amnesia https://t.co/v15w975lCyA COUP PAUL
A FCKING COUP BY PARLIAMENTARIANS2 OF WHOM were
Keir Starmer
Lisa NandyHave you lost ur mind. https://t.co/kv0tlJyLXr
— #RLB4LEADER (@otivar55) February 24, 2020
Ein gewaltigen Unterschied zwischen Starmer und Nandy gibt es jedoch, denn im Gegensatz zu Lisa Nandy ist Starmer seit Jahren Mitglied der von David Rockefeller gegründeten, elitären und ganz sicher nicht antikapitalistischen Trilateral Commission (siehe „European Group“). So wie die folgende Twitteruserin können auch wir uns damit verwundert fragen, wie es denn möglich sein sollte, Mitglied dieser korrupten Elitenorganisation und gleichzeitig Antikapitalist, Links, Labour oder sonst irgendetwas in diese Richtung zu sein:
How can Keir Starmer be both of the left, and be a member of the Trilateral Commission? A group that promotes neoliberal capitalism globally, and members include big oil company and bank CEOs?https://t.co/9Kh0z5F6ZK
— Ellie Baker (@Lashesxx) February 19, 2020
Wie in diesem Artikel berichtet worden ist, kommt Sir Keir Starmer damit jedoch nicht nur die äußerst zweifelhafte Ehre zu Teil, einer Organisation anzugehören, im dem sich der kapitalistische Abschaum dieser Welt die Türklinke in die Hand gibt (österreichische Mitglieder in dieser Organisation sind neben anderen Andreas Treichl und Ewald Nowotny, beides Banker). Starmer gehört damit ferner auch einem Verein an, dessen Mitglieder wie Henry Kissinger Kriegsverbrecher oder wie Jeffrey Epstein (Mitglied bis 2008) Sexualverbrecher sind. Auf welcher Seite Sir Keir Starmer damit wirklich steht und welche Funktion er in der Trilateral Commission innehat (nützlicher Idiot für die kranke Machtelite) sollte damit klar sein.
Keir Starmer als wahrscheinlicher politischer Verfolger von Julian Assange
Bemerkenswert ist ferner, dass Keir Starmer wohl auch Dreck am Stecken im Hinblick auf die politische Verfolgung des weltweit wohl wichtigsten Aufdeckungsjournalisten Julian Assange hat. Assange wird dieser Tage ja wieder der (Schau)Prozess gemacht, während die Kriegsverbrecher und andere korrupte und verbrecherische Gestalten, die er und andere mittels Wikileaks aufgedeckt haben, in der Welt weiterhin frei herumlaufen (siehe Kommentare von Yanis Varoufakis und Kristin Hrafnsson; siehe hier für eine Liste anderer prominenter Assange-Unterstützer).
Die wahrscheinliche Rolle von Keir Starmer in diesem Drama besteht darin, dass Starmer in seiner von 2008 bis 2013 ausgeübten Funktion als „Director of Public Prosecutions and Head of the Crown Prosecution Service (CPS)“ (d.h. als Leiter einer staatsanwaltschaftlichen Behörde) die schwedischen Behörden 2012 wohl dazu gedrängt hat, die weitestgehend erfundenen Sexualanklagen gegen Assange aufrechtzuerhalten, obwohl die schwedischen Behörden diese bereits 2011 wegen eines klaren Mangels an Beweisen fallen lassen wollten.
We are still waiting for Starmer to reply.#FreeAssangeNOW pic.twitter.com/go63dVdyS6
— #RLB4LEADER (@otivar55) February 24, 2020
Vielleicht war auch nur ein Mitarbeiter dieser Behörde dafür verantwortlich, aber es wäre wohl höchst unwahrscheinlich, dass ein Fall dieser Brisanz und Tragweite nicht am Arbeitstisch des Behördenleiters Keir Starmer gelandet sein sollte. Der UN Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer äußerte sich dazu übrigens wie folgt:
Ich halte es somit und letzten Endes für sehr wahrscheinlich, dass Keir Starmer in seiner Funktion als nützlicher Idiot für die kranke Machtelite auch in der politischen Verfolgung des Journalisten Julian Assange eine größere Rolle gespielt haben dürfte, und das gibt uns ebenfalls tiefere Einblicke, wo oder für was Keir Starmer eigentlich steht.
Konklusion:
Das folgende Foto von Keir Starmers Adelung gibt uns höchstwahrscheinlich einen Einblick in seine politische Essenz:
Maybe there isn’t one? pic.twitter.com/WBQpWXxdqY
— The CommunicipaIist (@communicipalist) February 24, 2020
Es ist ein opportunistisches und rückgratloses Herumknien vor den alten Machteliten, und das ist mit einer Funktion als Führer der Labourpartei, die nicht die Interessen der 1% sondern die der 99% vertreten sollte, gänzlich unvereinbar. Vielleicht schafft es Rebecca Long-Bailey, die eine einigermaßen würdige Nachfolgerin Corbyns wäre, ja doch noch irgendwie, sich durchzusetzen – idealerweise in Kombination mit Richard Burgon als Deputy. Voraussichtlich jedoch wird der momentan deutliche Favorit Starmer von einem Haufen Ahnungsloser gewählt werden, und das würde heißen, dass man Labour dann wieder einmal für einige Zeit und anders als unter der Führung Corbyns vergessen kann. Die SPD in Thüringen lässt schon einmal grüßen.
Gregor Flock ist unabhängiger systematischer Philosoph (univie.academia.edu/GregorFlock), Zivilgesellschaftler (Global Civil Society Network), politischer Analyst (medium.com/@GregorFlock). Twittert unter @GFlock_GCSN.
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