Zur aktuellen Bucherscheinung über Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der EU
Von Thomas Roithner
US-Präsident Donald Trump wurde 2018 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. 2020 ist er mit der Begründung, Frieden unter den Nationen gestiftet zu haben, erneut unter den Nominierten. Umstritten waren auch die Auszeichnungen mit dem Friedensnobelpreis für US-Präsident Barack Obama (2009) oder die Europäische Union (2012). Über das „Frieden schaffen“ kann trefflich gestritten werden.
Frieden schaffen
Wer glaubt, dass sich Staaten betreffend ihrer Sicherheit einzig auf sich selbst verlassen können, rüstet auf. „Wenn Du den Frieden willst, dann bereite den Krieg vor“, so das Motto. Andere sehen internationale Beziehungen optimistischer und bauen auf internationale Organisationen (z.B. UNO), auf ein starkes internationales Recht sowie Kooperationen und schaffen auf diesem Weg Erwartungsstabilität. Demokratisierung und Wohlstand sind Bausteine eines dritten Idealtyps für das Frieden machen. Dabei kann internationaler Frieden schwerlich entstehen, wer gesellschaftliche Akteure missachtet und deren Werthaltungen in der Außenpolitik nicht abbildet. Handelsgeist und Krieg bestehen nicht nebeneinander, so Immanuel Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795). Kritische Theorien legen dar, dass Krieg und Frieden nicht von den Staaten, sondern von den ökonomischen Verhältnissen geprägt wird. Konkurrenz um Ressourcen und Profite entscheiden über die Friedensfähigkeit der internationalen Beziehungen.
Bedrohung, Militär und Rüstung
Tatsächlich bilden Bedrohungen, Militär und Rüstung ein Zentrum der Aufmerksamkeit. Begriffe wie Verständigung, Begegnung und Vertrauen sind alles in allem rarer geworden. Verträge über Abrüstung und Rüstungskontrolle – vom Vertrag über Kurz- und Mittelstreckenraketen (INF) über den Iran-Deal (JCPOA) bis zum Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies) – wurden in den letzten Jahren aufgekündigt bzw. erodieren. Vom Klimaabkommen ganz zu schweigen. Nationales Interesse sticht internationale Zusammenarbeit. Dass Österreich im Frühjahr 2020 als Gastgeber für die Gespräche um strategische nukleare Rüstungsbegrenzung (NewSTART) fungierte, ist positiv hervorzuheben. Gleichzeitig braucht es – parallel zu den Fortschritten beim Atomwaffenverbotsvertrag – politische Klimmzüge, damit sich Wien weiter von zum aktiven Vermittler und Taktgeber von Abrüstung entwickelt.
„Sprache der Macht“
Das vorliegende Buch „Flinte, Faust und Friedensmacht“ auch zeichnet nach, wie die Europäische Union die „Sprache der Macht“ (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen) lernt. Während die EU betreffend Flüchtlingen, Atomwaffen, Konfliktbearbeitung in Syrien oder Chinas Seidenstraße uneinig ist und schwerlich handlungsfähig erscheint, werden Milliarden in den EU-Rüstungsfonds (European Defence Fund), das militärische Kerneuropa (z.B. Eurodrohne, Kampfhubschrauber) oder bilaterale europäische Rüstungskooperationen (neues Kampfjetsystem oder neues Kampfpanzersystem) investiert.
Gesundheit als Sicherheitsproblem?
„Gesundheit ist jetzt ein Sicherheitsproblem“, erklärt der Hohe Vertreter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, Mitte Mai 2020. Die Corona-Schrecksekunde hat nicht lange gewährt und das langfristige Programm wird zügig fortgesetzt: Soldatinnen und Soldaten spielen rasch auch eine wichtige Rolle beim Kampf gegen Corona. Und jenseits der Grenzen werden die laufenden Auslandseinsätze nun zur Hilfe gegen die Pandemie gedeutet. Soldatinnen und Soldaten werden zu humanitären Helferinnen und Helfern. Die „Versicherheitlichung“ der Pandemie ist nicht nur ein friedenspolitisches, sondern auch ein demokratiepolitisches Problem.
Josep Borrell folgend brauche es in Zeiten von Corona unter anderem „eine innovative und starke Europäische Verteidigungsindustrie. PESCO und der Europäische Verteidigungsfonds können dabei helfen und wir werden untersuchen, wie diese Initiativen genützt werden können, um künftig besser für ähnliche Krisen ausgerüstet zu sein.“
Friede mit friedlichen Mitteln
Der Band „Flinte, Faust und Friedensmacht“ versteht sich auch als Sammlung von friedenspolitischen Vorschlägen. Gefragt wird, warum eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit der EU-Staaten sich auf das Feld des Militärs und der Rüstung konzentriert und sich nicht als engere Kooperation für Instrumente der zivilen Krisenprävention und der zivilen Konfliktbearbeitung darstellen kann („Ziviles Kerneuropa“). Ausführlich wird in einem Buchabschnitt der Zivile Friedensdienst als Pionierprojekt einer österreichischen Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft thematisiert.
Gewaltverbot stärken
Ganz in der Tradition des Ansatzes „Frieden durch internationale Kooperation“ wird ein Vorschlag zur Umgestaltung des Bundesheeres debattiert. Im Zentrum stehen 2000 militärische Expertinnen und Experten, die mit einem klaren Mandat für Abrüstung und Humanitäres ausgestattet sind und den Vereinten Nationen (UNO) permanent zur Verfügung stehen. Das internationale Gewaltverbot der UNO und Abrüstungsprozesse sollen auf diesem Weg gestärkt werden. Dabei stellt sich auch die Frage, was ein modernes Heer dann eigentlich nicht mehr braucht.
Immanuel Kant postuliert in seinem „ewigen Frieden“, dass „stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“ Dies ist keineswegs problematisch. Nach Maßgabe des Stifters des Friedensnobelpreises soll man nämlich genau dafür – „die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere“ – einen Friedensnobelpreis erhalten.
Flinte, Faust und Friedensmacht
Der 192 Seiten umfassende Band beinhaltet eine Auswahl von 23 vorwiegend journalistischen Beiträgen, die der Autor in den letzten 24 Monaten verfasst hat. Das Buch gliedert sich in 4 Abschnitte (EU-Sicherheits-, Militär- und Friedenspolitik; globale Rüstungspolitik; Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs; Ziviler Friedensdienst in Österreich). Die Beiträge wurden u.a. in der Wiener Zeitung, Der Standard, Die Presse, Die Furche und Fachzeitschriften veröffentlicht. Der journalistische Stil und die Kürze der Beiträge lassen die fokussierte Leser*in den Band in einem Kaffeehausbesuch „weglesen“. Der Hingucker ist das vom Karikaturisten Gerhard Haderer gestaltete Coverbild. Der Buchumschlag bringt viele Buchseiten auf nur ein einziges Blatt.
Bibliographische Angabe:
Thomas Roithner: Flinte, Faust und Friedensmacht. Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der EU, myMorawa, 192 Seiten, Wien 2020 (Paperback ISBN 978-3-99110-678-4, € 12,99; Hardcover ISBN 978-3-99110-679-1, € 21,99 und E-Book ISBN 978-3-99110-680-7, € 2,99). Zum Inhaltsverzeichnis und Klappentext.
Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig.
Titelbild: Coverbild „Flinte, Faust und Friedensmacht“ (myMorawa)
Die Kolumne wird aus Spenden und den regelmäßigen Beiträgen unserer Mitglieder via steady finanziert. Werde Teil von Unsere Zeitung, ob als Aktivist/in, Herausgeber/in oder als Mäzen/in, in dem du uns mit einem monatlichen Beitrag unterstützt.