Was droht Studierenden unter Schwarz-Blau?
Ein Kommentar von Dario Tabatabai
Seit Jahren diskutiert man in Österreich über die Zukunft der Hochschulen. Die Zahl der Studierenden steigt, das Budget der Unis stagniert. Man könnte durch diese stiefmütterliche Behandlung den Eindruck haben, das Hochschulproblem würde immer wieder bewusst auf die nächste Legislaturperiode aufgeschoben werden. Doch dieses Jahr hat sich etwas gerührt in der Bundesregierung, was allerdings kein Grund zur Freude ist. Die schwächelnde Sozialdemokratie hatte vor allem unter dem Druck des Koalitionspartners ÖVP der sogenannten Studienplatzfinanzierung zugestimmt. Versprochen wird eine Erhöhung des Hochschulbudgets; gedroht wird mit einer Welle von Zugangsbeschränkungen.
Doch dann kam der Koalitionsbruch, und damit waren auch die Pläne für die Studienplatzfinanzierung zunächst auf Eis gelegt. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis ein weiterer Anlauf gestartet wird, um den freien Hochschulzugang noch weiter einzuschränken. Aktuell zeichnet sich eine Schwarz-Blaue (diesmal aber eine „neue, dynamische Türkis-Blaue“) Bundesregierung ab; und eine solche Kombination hat schon in der Vergangenheit massive Verschlechterungen im Hochschulsektor verursacht. Denn so sehr die SPÖ ihre sozialdemokratischen Werte über Bord geworfen hat so waren sie noch immer eine, wenn auch leichte, Bremse für den ungezügelten Drang der ÖVP, den Sozialstaat schlank zu sparen. Mit der FPÖ haben die Konservativen freie Bahn, um den immer aggressiver agierenden Kapitalismus zu fördern. Und auch der Hochschulsektor wird dabei leiden müssen; zu befürchten seien hierbei umfassende Zugangsbeschränkungen und allgemeine Studiengebühren. Doch mit welcher Argumentation will man jungen Menschen den freien Zugang zu Bildung und Ausbildung verwehren? Gibt es progressive Alternativen zu Beschränkungen und Privatisierungen?
Man muss der Wahrheit ins Auge blicken: die Hochschulen sind vollkommen überlastet. Das liegt zum einen tatsächlich an der wachsenden Studierendenzahl, zum anderen aber auch an der nicht ausreichenden Finanzierung der Unis. Nur was tun? Einfach das Budget aufstocken und damit war‘s das? Die Regierungen der letzten Jahre hatten stets versucht den Weg des geringsten Widerstands zu gehen; weniger Studierende bedeuten, dass weniger Budget notwendig ist und damit „aus den Augen, aus dem Sinn“. Was dabei aber nicht berücksichtigt wird: tausende junge Menschen, denen das Studium verwehrt wurde, sind jetzt nur mit Matura vorzeitig auf dem Arbeitsmarkt gelandet. Und sehr viele Berufe setzen eine entsprechende Ausbildung voraus. Man sollte sich tatsächlich mal fragen, was mit all diesen Jugendlichen passieren soll? Mama und Papa werden nicht ewig für sie aufkommen können. Höchstwahrscheinlich wird man eben Jobs in der Gastronomie oder prekäre Arbeitsstellen annehmen müssen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen. Hinzu kommt noch die wachsende Konkurrenz und steigende Miet- und Lebenserhaltungskosten, die einem zusätzlich zu schaffen machen. Ist das der Fortschritt in diesem Land, der von ÖVP, FPÖ und Konsorten gepredigt wird?
Immer wieder kursieren Ideen über Aufnahmeprüfungen, „bei denen jede/r die gleichen Chancen haben soll“. Doch gleiche Chancen in einer ungleichen Gesellschaft sind de facto unmöglich.
Beispiel: Man möchte Medizin studieren, kann sich aber aufgrund der finanziellen Situation der Eltern keinen privaten Vorbereitungskurs leisten, ohne den oft kein Erfolg möglich ist. Der Kollege wiederum, beide Eltern Mediziner, hat die besseren finanziellen Voraussetzungen, da Mama und Papa all das bezahlen können. Anhand dieses Beispiels kann man sagen, dass Aufnahmeprüfungen in einer sozial ungleichen Gesellschaft wie Österreich keinen Sinn machen und zu Selektion führen.
Nur welche Konzepte sind jetzt sinnvoll? Wie kann man die Zahl der Studierenden regulieren und gleichzeitig die Qualität der Hochschulen sichern? Einerseits muss eine anständige Orientierungsphase in jedes Studium eingerichtet werden, um einen tieferen Einblick in die Materie zu bieten. Die aktuelle STEOP Regelung ist im Grunde eine verspätete Aufnahmeprüfung, bei der Studierende ein bis zwei Semester verlieren, bevor sie drauf kommen, das Studium passt einem doch nicht. Des Weiteren müssten die Universitäten endlich angemessen durch die öffentliche Hand finanziert werden, damit die vielen Studierenden betreut werden können und neues Personal eingestellt werden kann. Und ein weiterer wichtiger Punkt, der mit der gesamten Hochschulsituation zusammenhängt, ist die immer schlechter werdende Lohnsituation. Bei einem anständigen Mindestlohn würden nicht nur die schon jetzt überlasteten Studienrichtungen wie Medizin, Jus und BWL ausgewählt, sondern auch Geisteswissenschaftliche Studien ernst genommen werden, da tatsächlich zu den Hauptmotivationen auch die spätere finanzielle Absicherung gehört.
Heutzutage kann man die Politik nicht oft genug für ihren neoliberalen Wahnsinn verurteilen. Es wird immer gejammert über Fachkräftemangel, man ist aber nicht bereit diese anständig zu bezahlen. Und jeder weiß, dass man nie an der falschen Stelle sparen sollte. Gerade Bildung ist eine große Qualität, die Österreich immer ausgezeichnet hatte. Oder um es ins Wirtschaftsdeutsche zu übersetzen: „Der kostbarste Rohstoff, den Österreich hat, ist seine gut ausgebildete Bevölkerung“.
Dario Tabatabai ist Jus- und Geschichte-Student an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit 2017 ist er ÖH-Mandatar und Vorsitzender des KSV Graz.
Titelbild: Reiche StudentInnen (Foto: pxhere.com; Lizenz: CC BY 2.0)