Uber ist vorübergehend eingestellt und die Lager brodeln. Zuerst haben die Taxler gegen den Konzern gestreikt und nun hat eine Taxifirma eine einstweilige Verfügung erwirkt, die Uber auch hier endgültig verbieten könnte. Die Frage scheidet die Geister. Ein Aspekt, der im medialen Mainstream jedoch wenn überhaupt, nur am Rande aufblitzt, ist die Seite der Fahrer.
Ein Kommentar von Lin Vento
Arbeiten ohne ausreichenden Versicherungsschutz, mit eigenen Arbeitsmitteln und Löhnen weit unterm Mindeststandard, Wiener Normalzustand? Für viele Arbeiter ohne österreichische Staatsbürgerschaft ist es das. Natürlich nicht ausschließlich, aber derzeit noch überwiegend. Denn die Arbeitserlaubnis öffnet noch lange nicht die Pforte in ein Arbeitsverhältnis mit Versicherungschutz. Doch gerade bei den meisten „typisch migrantischen“ Jobs wird risikoreiche Arbeit ausgeübt, weil es keine anderen Stellen für sie gibt. „Mein Führerschein ist mein einziger hier anerkannter Abschluss“ erzählt exemplarisch für viele ein Akademiker aus Syrien und transportiert Nacht für Nacht Personen ohne Ruhezeit, Pausenrecht und Versicherungsschutz durch Wien. Im Auftrag einer kleinen Mietwagenfirmen, die mit der Uber App arbeitet. Es gibt unzählige davon und sie unterscheiden sich nur minimal. In Einem sind sie alle gleich: Sie treten gültiges Arbeitsrecht mit Füßen und schrauben die Ausbeutung auf ein Niveau, das sich nichtmal Großkonzerne mit gekauften Betriebsräten mehr leisten könnten. Vor allem tun sie es mit einer Selbstverständlichkeit, weil „mit uns können sie es machen, sie glauben die Flüchtlinge kennen sich eh nicht aus“. Das mag in manchen Fällen auch stimmen, geflüchtete Menschen haben wohl oft andere Dinge im Kopf als Arbeitsrechte in der neuen Zwangsheimat. Fast alle Arbeiter bei Mietwagenfirmen sind nur geringfügig oder knapp darüber gemeldet und arbeiten aber weit über Vollzeit. Im Idealfall bekommen sie das was sie leisten dann schwarz zusätzlich ausbezahlt, meistens nur ein kleiner Teil. Um Zuschläge oder Sonderzahlungen fallen sie ohnehin in der Regel um. Natürlich betrifft dies nicht nur geflüchtete Menschen, denn immer mehr Menschen, egal ob geflüchtet oder nicht, sind hierzulande auf solche prekären Jobs angewiesen. Da zählen auch unzählige Lieferdienste hinzu, wo migrantische Arbeiter mit privaten KFZ genauso unversichert und zu Niedrigstlöhnen der unteren Mittelschicht ihre abendlichen Pizzen liefern oder Nacht für Nacht ihre morgendlichen Zeitung zustellen. Ein Komfort, der den Arbeitern vieles kostet und alles kosten kann. Denn diese Arbeitsverhältnisse können verheerende Auswirkungen haben. Denn die Niedriglöhne und die ungesicherten Bedingungen treiben entweder langsam oder schlimmstenfalls sogar mit einem Schlag in die akkute Armut. Was wenn etwas passiert und horrende Krankenhauskosten zu blechen sind? Was wenn Fahrzeug oder Führerschein abhanden kommen? Was wenn man von einem Tag auf den anderen abgemeldet wird? Denn ohne Vertrag gibts natürlich auch keine Kündigungsfrist. Kaum jemand ohne anerkannten Abschluss (in manchen Bereichen auch mit einschlägigen Abschlüssen wie beispielsweise die frauendominierten Teilzeitsümpfe Sozialbereich und EinzelHandel) schafft es heute noch irgendwo Vollzeit gemeldet zu sein und dann auch noch lange genug, um AMS Anspruch zu haben. Bleibt also die Mindestsicherung, die bekanntlich für geflüchtete Personen auf unfassbare 500 Euro reduziert werden soll, die generell immer schwieriger zu beziehen ist und die Wartezeit sich Monate hinzieht. Für eine Delogierung kann in Wien auch schon ein Monat ohne Einkommen reichen. Zum Erfrieren im Winter eine Nacht. Und die Masse der working poor in Österreich wächst.
Vieles davon geschieht in einer Subgesellschaft, in der Altimmigrierte, die jahrzehntelang nie eine Chance zum sozialen Aufstieg bekamen, jetzt untere Mittelschicht bleiben versuchen, in dem sie Neuimmigrierte bis aufs Letzte auspressen, als wären sie im rechtsfreien Raum. Und betrachtet man die zuständige Interessensvertretung, dann trifft das beinah zu. Doch unsere Gewerkschaften in der sog. Sozialpartnerschaft und deren Beachtung ihrer Basis und gesellschaftlicher Randgruppen stehen auf einem ganz anderen Blatt. Bezeichnend für die Verfasstheit unserer Gesellschaft ist, dass in der aktuellen Debatte rund um Uber die Arbeitsbedingungen in der Relation mit der Geschäftsschädigung der Taxifirmen kaum Platz einnehmen. In erster Linie heißt es Kundschaft vs. Kapitalkonkurrenz. Im innerkapitalistischen Disput um die Legalität, sind die Fahrer der Spielball, die zwar nach aktueller einstweiliger Verfügung nicht mehr persönlich abgestraft werden, sondern die Firma selbst ist betroffen, jedoch zittern Hunderte nun um ihren Arbeitsplatz, während in manchen Onlineforen sogar der Neid auf diese Jobs kundgetan wird („Warum muss ich Steuern zahlen und der Uberfahrer nicht?“ Die wirksame Demagogie saugt wirklich jeden letzten Funken Hirn aus vielen Köpfen). Ob Uber es schaffen wird die erforderlichen Auflagen für den Weiterbetrieb in Wien zu erfüllen ist fraglich. Fakt ist, dass selbst wenn der Konzern dies schafft, er niemals die Arbeitsbedingungen verbessern oder überhaupt komplett legalisieren wird. Denn die maximierte Ausbeutung via App ist Teil des Konzepts. Und wer kämpft gegen Uber? Die Konkurrenz wegen Preisdumping. Und wer kämpft für Uber? Die NutzerInnen aus demselben Grund. Das Thema Scheinselbstständigkeit (noch harmloser kann man solche üblen Jobrahmen kaum formulieren-Danke GPA-djp) wird zwar hie und da erwähnt, aber da gehts dann um die Steuern, die dem Staat entgehen und die der „böse Fahrer“ nicht zahlt. Die öffentliche Hand hat also ihre Lobby und die Konkurrenzfirmen auch. Die, denen durch maximierte Ausbeutung am meisten gestohlen wird, haben wie immer keine Lobby.
Die hippste Lobby des gehasst-gefeierten Konzerns ist natürlich auch die Populärste von allen: Wir brauchen keinen Pferdekutschen mehr, die zur Zentrale zurückmüssen, wir wollen Apps zum Ausbeutungspreis zu unserem veganen Fair-Trade Matcha-Soja-Latte. Das ist der User-Tenor. Dass die Pferde damals eventuell sogar umgerechnet mehr Futter bekamen, wie manche Uberfahrer heute an Lohn, hindert viele nicht daran Ausbeuterkonzerne der Sonderklasse als Fortschritt der Postmoderne hochzustilisieren. Allen voran natürlich „die Partei der Menschenrechte“ die Neos, die sogar Kundgebungen für den Erhalt von Uber veranstalten. Österreichische Parteien gehen für Konzerne auf die Straße. Das muss man sich mal bitterst auf der Zunge zergehen lassen. Realisierte Dystopie kann ich das nur nennen. Ich erwarte noch die Menschenkette für Niedriglöhne oder einen Flashmob für 14-Stunden-Schichten. Den Shitstorm gegen die klagende Konkurrenzfirma gibts ja schon. Egoistischer Konsumfokus, „Solidarität“ mit Großkonzernen und praktische Ignoranz gegenüber einer beinah rechtlosen Masse, das ist es was der Regierung der Industriellenvereinigung nützt und ihre eingeschlagene Richtung der Entdemokratisierung und Asozialisierung weiter vorantreibt. Eine App #howtopreventfascism ist längst fällig.
Titelbild: Uber-Protest in Portland, 2015 (Aaron Parecki; Lizenz: CC BY 2.0)