Buchtipp: „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ von Paulus Hochgatterer – Sonntag ist Büchertag
Von Elias Mark Hoffmann
Das Leben ist hart und das ist ein Fakt. Wir enttäuschen Menschen, machen Fehler und sind nicht immer die beste Version von uns selbst, die wir sein könnten. Öfter, als wir selbst, ist jedoch die Welt der Quell des Übels. Es gibt Krieg und es gibt Leid. Wir wissen aber auch, dass es Frieden gibt und wir wünschen uns eine heile Welt ohne Leid und Schmerz. Wir wünschen uns so sehr, dass es sie gibt: Den Wunschtraum der heilen Welt. Jedoch ist diese Welt nur genau das: Ein Wunschtraum.
So erzählt Paulus Hochgatterer in seinem Buch “Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war” eine fesselnde Geschichte über den Zweiten Weltkrieg und die heile Welt eines kleinen Mädchens. Eine Geschichte, die uns eines fragen lässt: “Ist das, was wir lesen auch immer das, was gewesen ist?”.
Die in Niederösterreich ansässige Bauernfamilie Leithner, lebt ihr Leben im Schatten des endenden Zweiten Weltkriegs. Die vorbeifliegenden Kampfgeschwader gehören genauso zum Alltag, wie die Arbeit am Feld. Inmitten ist Nelli. Mit “weggebomter” Erinnerung, kam die 13-Jährige eines Nachts komplett verwahrlost auf den Hof der Leitners und wurde das Ziehkind der Familie. Alles verläuft so normal wie es sein kann, bis ein junger Russe, mit einem ominösen Gemälde, den Hof betritt. Der selbsternannte “Suprematist” fasziniert Nelli und er wird in der Familie aufgenommen. Für den Konflikt im Drama sorgt ein deutscher Leutnant mit zwei Kameraden im Schlepptau. Er verlangt Unterschlupf und bringt die Familie in Bedrängnis. Michail, der Russe, gibt sich als geflohener Donauschwabe aus, doch sein Gemälde erregt Verdacht. Eine ausweglose Situation mit einem überraschenden Ende.
Doch war es so überraschend oder eher erwartend unerwartet?
Der Coupe hierbei liegt in der Perspektive und in der Erzählweise. Das Buch ist, zum Großteil, aus der Perspektive der naiven Nelli geschrieben. Eine Perspektive, die der ausgebildete und praktizierende Kinderpsychiater, Hochgatterer, zur Gänze zu Nutzen weiß. Er baut für jedes dritte Kapitel eine Geschichte ein, die eine scheinbar ausweglose Situation darstellt. Ein Kind, das im Fluss zu ertrinken droht, oder, einen amerikanischen Kampfpilot kurz vor seiner Hinrichtung. Jede einzelne Geschichte geht am Ende durch eine, so glückliche und naive Wendung, gut aus, dass man glauben könnte, sie stammen aus der Phantasie eines unschuldigen Kindes. Eines unschuldigen, 13-jährigen Mädchen, namens Nelli, das versucht die Grausamkeiten des Alltags im Krieg durch Phantasiegeschichten zu verstehen und zu verarbeiten. Eine Nelli, aus deren Perspektive, die ganze Handlung beschrieben wird. Diese Dissonanz zwischen dem impliziten Geschehenen und dem explizit Geschrieben wird durch die Titel der Geschichten unterstrichen. “Die Geschichte vom nicht ertrunkenen Kind”. Ein “nicht”, welches als Grenze zwischen Wirklichkeit und Nellis Kindlichkeit steht. So stellt sich am Ende die Frage: Hat der Großvater die Stirn geboten? Tötet er wirklich einen Leutnant und riskierte das Leben der ganzen Familie? Oder war das nur “Die Geschichte vom glücklichen Ende”?
Man könnte dem Buch allein für die Handlung eine metaphorische “7/10” geben. Das “normale” Leben im Krieg aus der Sicht eines Kindes lebensnahe zu schildern ist eine schweres Unterfangen, aber durch seine Arbeit als Kinder- und Jugendpsychiater am Universitätsklinikum Tulln gelingt dem Autor genau das. Was das Buch jedoch auf meine “TopTen” bringt, sind die verschiedenen Metaebenen, die zur Analyse, Interpretation und am wichtigsten zur Diskussion anregen. “Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war”: ein Must-Read!
Paulus Hochgatterer
Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war.
Deuticke Verlag, 2017
112 Seiten, EUR 18,50
ISBN 978-3-552-06349-5
Titelbild: pxhere.com; Lizenz: CC0 Public Domain