Portugal: Kreative Protestaktion gegen Klimawandel

Am heißesten Tag seit Beginn der Aufzeichnungen protestierten rund 800 Menschen am Strand Cabo de Vapor bei Lissabon in einer kreativen Aktion gegen die geplanten Öl- und Gasbohrungen und Fracking und stellten gleichzeitig Alternativen für eine regenerative, erdölfreie Zukunft vor.

In Portugal wurden am Wochenende bis zu 47 Grad gemessen – in Lissabon und anderen Regionen war es der heißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen. Solche Hitzewellen könnten durch den Klimawandel zum Normalfall werden – samt Waldbrände, verdorrender Felder und sinkendem Grundwasser. Dagegen wendet sich ein Aktionsbündnis aus Umweltschützern, Wissenschaftlern, Touristenverbänden und besorgten Bürgerinnen und Bürger. Mit kreativen, juristischen und politischen Mitteln erinnern sie den portugiesischen Premierminister Antonio Costa an sein Versprechen, das er während der Klimakonferenz 2016 in Marakesch gab: Portugal soll bis 2050 frei von fossilen Energiequellen werden. Hauptziel der Proteste ist die Aussetzung der ab 15. September geplanten Offshore-Bohrung vor der Algarve-Küste bei Aljezur.

Luft-Kunst-Aktion

Rund 800 Umweltaktivisten aus über 80 Ländern versammelten sich am Samstag gemeinsam mit lokalen Fischern, Surfern, Dorfbewohnern, Touristen bei glühender Hitze am belebten Strand Cabo do Vapor gegenüber von Lissabon. Sie formten mit ihren Körpern das gigantische Bild einer Delphin-Mutter mit ihrem Jungen in den Sand, eingerahmt von einer Sonne und der Botschaft: „Parar o furo“ – Stoppt die Ölbohrung – und: Wasser ist Leben.

John Quigley, preisgekrönter Künstler und Umweltaktivist aus den USA, leitete die Aktion. Er sagte:

„Wir sind hier als Teil einer wachsenden weltweiten Bewegung von Wasserschützern. Wir verteidigen die Erde und das Wasser, denn sie sind uns heilig.“

Eine regenerative Gesellschaft

Portugal, ein Land, das keine Atomkraftwerke betreibt und noch nie Ölbohrungen genehmigt hat, besitzt ideale Bedingungen, um Pionier für eine regenerative, klimaneutrale Energiezukunft zu werden. Im März dieses Jahres erzeugte das Land mehr erneuerbare Elektrizität, als es verbrauchte – 104 Prozent.

Solaringenieure aus dem Friedensforschungszentrum Tamera zeigten während der Aktion am Strand von Cabo do Vapor solare Alternativen: Auf einem Dutzend verschiedener Solarkocher bereiteten sie Snacks vor und informierten ganztägig über Solartechnologien: als Quellen für erneuerbare Energien – für dezentrale Energieautonomie ohne Umweltverschmutzung.

Barbara Kovats:

„Die Förderung und Nutzung von Erdöl hat ein ganzes System erzeugt. Wir können dieses System nur verlassen, indem wir die vielen Alternativen, die es gibt, zu einem neuen System zusammensetzen – eine solare Zukunft mit dezentraler Energieerzeugung in Fülle: Die Sonne strahlt in jedem Moment 50.000 mal so viel Energie auf die Erde, wie die gesamte Menschheit verbraucht.“

Die Bewegung in Portugal

Im Jahr 2017 brachte ein starker Widerstand vieler Initiativen die portugiesische Regierung dazu, 10 der 15 Verträge mit Ölkonzernen zu stornieren. Das Aktionsbündnis aus Klimaschützern, Touristenverbänden, Fischereiverbänden und sämtlichen Kreisregierungen der betroffenen Region glaubt, dass es auch gelingen wird, die verbleibenden Verträge aufzulösen und die riskante Förderung von Öl und Gas zu verhindern.

Catarina Gomes von der Kampagne Linha Vermelha (Rote Linie):

“Die Bedrohung ist real. Wir hören seit einigen Jahren von den Verträgen, aber die erste Probebohrung soll jetzt zwischen September und Januar an der letzten naturbelassenen Küste Europas stattfinden. Obwohl es ein seismisch aktives Gebiet ist, beschloss die Umweltbehörde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nötig ist. Außerdem ist Fracking geplant, in der Nähe des Wallfahrtsortes Fátima, wo es die wertvollsten Wasserreserven des Landes gibt. Die Regierung und die Konzerne hören nicht auf uns, aber das ganze Land, die Bürgermeister der Landkreise schließen sich den Protesten an. Jetzt ist es Zeit, mehr Leute auf die Straße zu bringen. Wir haben im letzten Jahr gemerkt, dass unser Druck die Regierung durchaus beeinflusst. Auf der ganzen Welt erheben die Menschen ihre Stimme gegen die Ölindustrie und für einen Übergang in eine klimaneutrale Energieversorgung. Wir werden nicht aufhören, bis die Verträge gestoppt werden.“

Globale Beteiligung

Seit dem frühen Morgen hatte ein Team um den Künstler John Quigley das große Bild vorbereitet, das die Menschen mit ihren Körpern formen sollten: Als Symbol hatten sie Sonne und Wasser gewählt und in der Mitte eine Delphinmutter mit einem Jungen. Noch während sie in der Hitze die Figur auslegten, zeigte sich vor der Küste, in der Mündung des Tejo eine große Delphinschule.

Ob ausreichend Menschen an diesem Tag kommen würden und sich den extremen Temperaturen aussetzen würden, blieb bis zum Ende spannend. Doch dann kamen Busse aus entlegenen Dörfern des Alentejo und Algarve, brachten Fischer, Hausfrauen und Aktivist*innen. Eine Trommelgruppe mit Kindern und Jugendlichen aus Setubal zog über den ganzen Strand, um Urlauber einzuladen, sich an der Aktion zu beteiligen.

Zusätzlich gab es internationale Unterstützung. Eine von ihnen war Ladonna Brave Bull Allard, die Initiatorin der indianischen Standing Rock Proteste gegen Pipelines über die heiligen Stätten der Lakota in den USA. Sie sagte:

„Wir sind gekommen, um die Menschen aus Portugal n ihren Protesten zu unterstützen. Unsere Prophezeiungen sagen, dass Portugal der Anfang vom Ende ist. Wenn wir hier die Ölbohrung stoppen können, dann können wir es überall.“

Wie in Standing Rock war die Aktion mit Ritual verbunden: Von Musik, Trommel und Gebet begleitet, betraten die etwa 800 Menschen das Bild und setzten sich nacheinander so hin, dass ihre Körper das Bild und die Botschaft formten.

John Quigley war beeindruckt von der Kraft der Menschen, trotz der hohen Temperaturen so lange auszuhalten:

„Was wir hier tun, nenne ich nicht Protest, sondern kreative Aktivierung. Durch so eine Aktion können Menschen in großer Zahl zusammenkommen und eine kraftvolle Botschaft senden, die auch wahrgenommen wird. Wir haben heute eine starke Botschaft an die politische Führung geschickt: Keine Ölbohrungen. Heute hat man gesehen, dass die Menschen in Portugal eine regenerative Zukunft wollen, mit sauberem Wasser und sicheren Küsten.“

Die Botschaft wurde gehört, die Bilder der Aktion gingen durch alle Medien und Fernsehsender.

Martin Winiecki, einer der Initiatoren des Aktionstages:

„Die Ölbohrung zu stoppen, ist der erste Schritt. Die größere Aufgabe ist der Aufbau einer klimagerechten, regenerativen Zukunft. Portugal könnte eins der ersten Länder der Welt werden, die sich vollständig von fossilen Energiequellen löst und sich ausschließlich von Solarenergie, Wind und Wellen versorgt. Wie unser Beispiel in Tamera zeigt, kann zusätzlich die ökologische Restaurierung und gesundes Wassermanagement dafür sorgen, dass es nicht mehr zu Dürren, Überschwemmungen, Wüstenbildung und Waldbrände kommt. In Portugal können wir ein Beispiel der Hoffnung im Klimawandel setzen.“

Zuerst erschienen auf pressenza – International Press Agency, Kooperationspartner von Unsere Zeitung.

Titelbild: Tamera Media / Spectral Q

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