Ende Jänner finden gleich zwei Europameisterschaften im Hallenhockey statt: jene der Herren ab 17. Jänner in Berlin und die der Damen in Minsk eine Woche später. Die Vorzeichen für die österreichischen Teams könnten dabei unterschiedlicher kaum sein.
Von Moritz Ettlinger
Zu Beginn des neuen Jahres kommt auf alle österreichischen Sportfans ein spannendes Ereignis zu – und zwar in doppelter Ausführung: Ende Jänner steht sowohl die Hallenhockey-Europameisterschaft der Männer (17.-19. Jänner 2020 in Berlin) als auch jene der Frauen eine Woche später (24-26. Jänner in Minsk) an. Bei beiden Turnieren sind österreichische Teams mit dabei, wenngleich auch die Chancen auf einen etwaigen Titel bei Männern und Frauen relativ weit auseinanderklaffen.
Mission Titelverteidigung
Das Jahr 2018 war das erfolgreichste in der Geschichte des österreichischen Hallenhockey-Teams der Herren: Nachdem im Jänner der zweite EM-Titel eingefahren werden konnte, legten die Cracks von Trainer Tomasz Szmidt im Februar noch einen drauf: Bei der Weltmeisterschaft in Berlin besiegten die Österreicher Gastgeber und Rekordweltmeister Deutschland mit 3:2 im Shoot-Out (nach Ende der regulären Spielzeit stand es 3:3) und krönten ein starkes Turnier mit dem ersten WM-Titel ihrer Geschichte. Prägende Ereignisse: „Diese Erinnerungen sind allgegenwärtig. Wir haben uns weltweit ordentlich Respekt verschafft“, erinnert sich Peter Monghy, Sportmanager des Österreichischen Hockeyverbands (ÖHV) im Interview mit Unsere Zeitung, gerne an das Jahr 2018 zurück.
Auch für Benjamin Stanzl hat das Jahr 2018 einen hohen Stellenwert. Der Holland-Legionär zählt zu den besten Hallenspielern weltweit und war auch bei den Turnieren vor zwei Jahren maßgeblich an den Erfolgen des ÖHV-Teams beteiligt. “In der Nationalmannschaft war das auf jeden Fall unser größter Erfolg”, so Stanzl im UZ-Gespräch.
Doch nach diesen Erfolgen ist die Erwartungshaltung auch für diese EM naturgemäß hoch, Österreich zählt neben Deutschland mit Sicherheit zu den Top-Favoriten auf den Titel. „Die Chancen stehen sehr gut“, meint Monghy, angesprochen auf eine mögliche Titelverteidigung. „Bis auf zwei Änderungen spielen unsere Weltmeister von 2018!“
Trotz der hohen Ansprüche versucht Stanzl dennoch, den Ball flach zu halten: “Das Turnier geht nur drei Tage, das heißt, es kommt auch sehr drauf an, was für eine Form man an diesen drei Tagen zeigt”, sagt der “Messi des Hockeysports”, wie Stanzl auch genannt wird. “Ich glaube, wir sollten von Spiel zu Spiel denken und uns auf jeden Fall mal fürs Halbfinale qualifizieren. Das soll unser erstes Ziel sein, und danach schauen wir weiter, was passiert.” Dass man aber definitiv um eine Medaille mitspielen will, daraus macht auch er kein Geheimnis.
Wer zählt noch zum erweiterten Favoritenkreis? Für Peter Monghy sind das außerdem noch Russland, Polen sowie die Niederlande und Belgien, die zwar „eher am Feld stark“ seien, aber „durchaus auch in der Halle für Überraschungen sorgen“ könnten. Vor allem auf die beiden ersteren Teams gilt es jedoch zu achten, treffen sie doch gleich in der Gruppenphase auf Österreich. „Zwei unangenehme Gegner“, so der Experte. Der dritte Gruppengegner hingegen, die Ukraine, sei „klar hinter Österreich einzustufen“.
Dabei sein ist alles?
Anders sieht die Situation bei den österreichischen Damen aus. Die letzte und einzige Medaille liegt schon zwei Jahrzehnte zurück, 1998 holten die Österreicherinnen Bronze bei der EM in Spanien. Dennoch ist das Team von Trainer Chris Faust kein unbeschriebenes Blatt: Während die EM 2016 nicht nach Wunsch verlief und infolgedessen auch die WM 2018 ohne Österreich stattfand, zeigten die österreichischen Damen bei der EM 2014 und bei der WM 2014 mit zwei 4. Plätzen auf.
Die Stimmung im Team sei jedenfalls gut, meint Corinna Zerbs, Kapitänin des Hallen-Teams. Die Vorfreude auf das Turnier sei groß: “Es ist ein super Gefühl, alle wollen, alle sind gut drauf”, so die Frankfurt-Legionärin im Gespräch mit Unsere Zeitung.
Allzu große Chancen auf den Titel in Minsk 2020 können sie sich wohl trotzdem nicht ausrechnen, die Favoritenrollen sind klar verteilt. Titelverteidiger Deutschland, mit 15 Titeln zudem Rekordeuropameister in der Halle, und Niederlanden, die die Turniere 2016 und 2015 für sich entscheiden konnten, sind die Teams, die es zu schlagen gilt. Beide sind außerdem die einzigen Nationen, die bisher den WM-Titel im Hallenhockey gewinnen konnten, zuletzt waren es die Deutschen 2018.
Für den ÖHV-Manager führt an den beiden Top-Teams ebenso kein Weg vorbei. Auch wenn sie aufgrund der Vorbereitungen auf die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio auf einige Stars verzichten würde, seien Deutschland und die Niederlande jedenfalls zu favorisieren. Aber: „Gastgeber Weißrussland muss man auch am Zettel haben.“
Das sieht auch Zerbs so, die Weißrussinnen seien auf jeden Fall ein “Medaillenfavorit”. Und die eigenen Ziele? “Unser Mindestziel ist, unter die ersten sechs Mannschaften zu kommen, dann würden wir einerseits die Klasse halten, im A-Pool bleiben, und uns gleichzeitig auch für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr qualifizieren”, bleibt die Kapitänin realistisch. der Einzug ins Halbfinale wäre zwar “das Traumziel für uns alle”, aber sie weiß auch: “Da muss sehr viel zusammenkommen.”
Großes Medieninteresse? Fehlanzeige
Mitfiebern kann man bei den Spielen der österreichischen (und auch allen anderen) Teams auf der Website www.eurohockeytv.org, zusätzlich wird ORF Sport+ ein etwaiges Herren-Halbfinale sowie Finale mit österreichischer Beteiligung übertragen. Bei den Damen wird das Ganze vermutlich genauso ablaufen, Genaueres ist dazu aber noch nicht bekannt.
Dass keine Gruppenspiele im österreichischen Fernsehen gezeigt werden, liegt wohl an der weiterhin kaum vorhandenen Popularität des Hockey-Sports im Land der Berge. “In Österreich haben es viele Sportarten neben Skifahren und Fußball schwer, und wir sind eine davon”, sagt Benjamin Stanzl. Um das zu ändern, brauche es ein “Umdenken der Leute”, so Stanzl, “und auch bei den Förderungen sind wir ein bisschen hintennach.”
Ähnlich sieht das auch Corinna Zerbs. Die Hoffnung verloren hat sie aber nicht: “Es braucht einfach ein bisschen Zeit, um Hockey populärer zu machen. Man muss Werbung machen, in die Schulen gehen, Kinder motivieren. Ich glaube, dass es dann mit der Zeit auch ein bisschen bekannter wird.”
Bis es soweit ist, müssen sich Österreichs Hockey-Fans aber noch etwas gedulden.
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Mehr zum Thema Hockey, über die Erfolge der österreichischen Teams und warum der Sport trotz allem ein mediales Schattendasein fristet, lesen Sie in Teil 3 unserer Serie “Randsportarten im Fokus”
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Titelbild: Österreichs Herren-Team jubelt über den WM-Titel 2018. Copyright: Frank Uijlenbroek